Die Karten-Schemes in Russland - ein Lehrstück für die EU

Swantje Benkelberg

Wenn die Welt erst durch die Corona-Pandemie und die dadurch bedingten Störungen der Lieferketten, dann in noch stärkerem Maße durch Russlands Angriff auf die Ukraine mit all seinen Folgen eines gelernt hat, dann ist es diese Lektion: Abhängigkeiten von einzelnen Märkten sind, wo immer möglich, zu vermeiden. Das gilt im Grunde für alle Bereiche gleichermaßen - sei es die Energieversorgung, die Cybersicherheit, bei Infrastrukturthemen oder bei Lieferantenbeziehungen in bestimmten Produktbereichen. Die global vernetzte Welt funktioniert nur so lange gut, wie das Netz keine nennenswerten Löcher aufweist. Und die können schneller entstehen, als viele gedacht hätten. Der Zahlungsverkehr bildet da keine Ausnahme, wie die Diskussion um Rubel-Zahlungen für Erdöl und Gas zeigt.

Internationale Schemes setzen Russland-Geschäft aus

Im kartengestützten Payment war es vergleichsweise einfach, die Verbindungen nach Russland zu kappen, wie es Anfang März alle internationalen Karten-Schemes getan haben. Von russischen Banken ausgegebene Mastercard- und Visa-Karten werden nicht mehr durch das jeweilige Netzwerk unterstützt. Sie können also nicht mehr zum Bezahlen oder zum Abheben von Bargeld verwendet werden. Umgekehrt funktionieren nicht-russische Karten nicht bei russischen Händlern oder Geldautomaten.

American Express hatte sich noch am 1. März abwartend gezeigt und auf die geringe Größe des Russland-Geschäfts verwiesen, zog jedoch noch in der gleichen Woche nach. Auch weltweit ausgegebene American-Express-Karten sind damit nicht mehr in Russland einsetzbar, in Russland ausgegebene Karten nur noch im Inland. Gleiches gilt für Weißrussland.

Anschauungsbeispiel für Europa

So richtig diese Maßnahmen angesichts der Ereignisse in der Ukraine auch sind, um den Sanktionen gegen Russland Nachdruck zu verleihen, so sehr zeigen sie doch auf der anderen Seite, welche Folgen die Abhängigkeiten von globalen Anbietern US-amerikanischer (oder sonstiger) Herkunft im Zahlungsverkehr haben kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass in absehbarer Zukunft auch EU-Mitglieder oder andere demokratische Staaten Europas von einer solchen Aussetzung der Geschäftstätigkeit betroffen sein könnten, mag überschaubar sein. Dennoch bietet Russland ein Anschauungsbeispiel dafür, weshalb die europäische Politik völlig zu Recht seit geraumer Zeit immer wieder die Abhängigkeit des Payment-Geschäfts von außereuropäischen Playern anprangert und darauf dringt, europäische Lösungen zu etablieren.

Das Problem ist eben nur: Am Problembewusstsein mangelt es der Branche nicht und hat es auch vor Jahren schon nicht gemangelt. Sondern es hakt an der Umsetzung. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen: Bei allem grundsätzlichen Wohlwollen der Politik braucht es einen Regulierungsrahmen, der genug wirtschaftlichen Spielraum für Zukunftsinvestitionen lässt. Offene Schnittstellen und ein barrierefreier Zugang dürfen nicht dazu führen, dass effektiv keine Interbankenentgelte für die Banken anfallen, wie es der BVR im Dezember vergangenen Jahres formulierte. Es braucht Einigkeit über die konkrete Ausgestaltung. Und es braucht genug Partner, die an der Finanzierung beteiligt sind. Ein starkes Signal der Politik, so der BVR, wäre die Zusage, EPI auch öffentlich beispielsweise über den EU Corona-Aufbaufonds oder über nationale Förderungen zu unterstützen. Dazu kam es allerdings bislang nicht.

EPI - ja, aber

Und so kommt es, dass es der European Payment Initiative EPI, die vielen im Markt als die letzte Chance für ein europäisches Payment Scheme gilt, ebenso geht wie ihren Vorgängern. Ihr sind sukzessive die Unterstützer abhandengekommen. Mit Stand 11. März 2022 waren es noch 13 Gesellschafter, die Ende Februar bekräftigt hatten, auch weiterhin vom strategische Wert einer einheitlichen Payment-Lösung überzeugt zu sein und das Projekt weiter voranzutreiben: Der spanische Banco Santander, aus Deutschland Deutsche Bank und DSGV, außerdem Banque Fédérative du Crédit Mutuel, BNP Paribas, Crédit Agricole, Groupe BPCE, La Banque Postale, Société Générale, ING Bank, KBC Bank sowie die Payment-Dienstleister Nets und Worldline. Allein schon der starke französische Schwerpunkt zeigt: Eine breite europäische Lösung wird EPI zumindest anfangs nicht.

Sollte tatsächlich bald eine Lösung an den Start gehen, wird sie somit vor einer ähnlichen Herausforderung stehen wie einstmals das als "deutsches Paypal" gestartete Paydirekt. Wie löst man die Henne-Ei-Problematik, Handel und Kunden gleichermaßen dafür zu gewinnen? Und je länger es dauert, eine europäische Lö sung zu etablieren, desto stärker wachsen die Abhängigkeiten von nicht-europäischen Anbietern und desto schwieriger wird es dadurch, eine europäische Lösung, wenn sie einmal entwickelt wurde, breit im Markt zu platzieren.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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