Digitales Bezahlen

Mobile Payment - ist der Weg das Ziel?

Dr. Christian Pirkner, Vorstand, Blue Code International AG, Innsbruck, Herrmann

Quelle: Secure Payment Technologies

In Partnerschaft mit Girosolution hat es sich das österreichische Unternehmen Blue Code zum Ziel gesetzt, zu einem europäischen Mobile Payment Scheme Provider zu werden. Durch die Unabhängigkeit von außereuropäischen Zahlungssystemen gibt das Verfahren Kreditinstituten die Chance, an der Wertschöpfung im mobilen Zahlungsverkehr teilzuhaben. Im Girocard-Kontext versteht sich Blue Code als komplementäres Bezahlverfahren. Die hohe Verbreitung der Girocard in Deutschland sehen die Autoren jedoch durchaus als Herausforderung. Red.

Was vor wenigen Jahren noch Zukunftsvision war, ist heute Realität: Die digitale Transformation des Zahlungsverkehrs ist bereits voll im Gange. Während Politiker und Finanzexperten in Berlin und in EU-Gremien das Für und Wider der Abschaffung des Bargelds diskutieren, ist das Leben gänzlich ohne Bargeld für viele Konsumenten ein Idealzustand - vor allem, was das Bezahlen von kleineren Beträgen betrifft.

Das zeigt: Mobile Payment ist gekommen, um zu bleiben. Vor allem Technologieriesen aus den USA versuchen, mit ihren entsprechenden Systemen in Europa Fuß zu fassen. Doch es gibt auch europäische Anbieter, die Apple Pay oder Google Android Pay die Stirn bieten. Zu ihnen gehört das österreichische Unternehmen Blue Code, das auf dem Heimmarkt bereits erfolgreich unterwegs ist und seit zwei Jahren in Deutschland mit der Girosolution AG eine strategische Partnerschaft unterhält.

Obwohl erst 2011 gegründet, ist Girosolution als Banken-Zahlungslogistiker bereits eine wichtige Größe am Markt und konnte bereits Geschäftskunden wie die Lufthansa und Cyberport sowie eine wachsende Zahl von Kommunen und Behörden von sich überzeugen. Blue Code, der strategische Partner aus Österreich ist ebenfalls ein Senior-Start-up.

Vom App-Anbieter zum europäischen Mobile Payment Scheme Provider

Hinter Blue Code steckt das österreichische Fintech-Unternehmen Secure Payment Technologies, das sich seit 2012 vom App-Anbieter zu einem europäischen Mobile Payment Scheme Provider entwickelt hat. Mit Blue Code ist mittlerweile ein ganzes Ökosystem rund ums digitale Bezahlen per Handy entstanden, das sich so einfach und sicher anfühlen soll wie Bargeld sowie die Bedürfnisse der User, Händler und Banken gleichermaßen adressiert. Für jeden Einkauf zeigt Blue Code eine einmalig nutzbare, vier Minuten gültige TAN auf dem Display von i-Phones und Android-Smartphones, die einen anonymen Zahlungsvorgang direkt vom Girokonto auslöst.

Vor dem Hintergrund von PSD2 und XS2A zeichnet sich die Lösung vor allem durch drei Aspekte aus:

- Erstens funktioniert sie unabhängig von außereuropäischen Zahlungssystemen.

- Zweitens lässt sie europäische Finanzinstitute durch die Integration in Banking Apps wieder an der Wertschöpfung im Smartphone-Zahlungsverkehr teilhaben.

- Und drittens werden dabei auch die hohen europäischen Datenschutzstandards eingehalten, weil Blue Code als anonyme Schnittstelle zwischen Banken und Händlern fungiert.

2018 müssen europäische Finanzinstitute ihre Zahlungsverkehrssysteme unter bestimmten Voraussetzungen für inner- und außereuropäische Drittanbieter öffnen und ihnen alle Informationen aus dem Zahlungsverkehr zur Verfügung stellen. Es besteht die Gefahr, dass europäische Banken ihre Kunden an US-Anbieter wie Apple Pay oder Google Android Pay verlieren, die mit amerikanischen Kreditkarten-Schemes zusammenarbeiten. Die Customer Journey würde dann komplett über außereuropäische Mobile-Payment-Lösungen laufen. Die europäischen Banken wären von der Wertschöpfungskette ausgeschlossen, müssten aber dennoch die technische Infrastruktur im Hintergrund erhalten und zudem für Interchange-Gebühren aufkommen.

Paneuropäisches Mobile Payment Scheme forcieren

Es gibt sechs große, internationale Payment Schemes, aber keines davon stammt aus Europa. Daher macht es Sinn, ein eigenes paneuropäisches Mobile Payment Scheme zu forcieren, das mehr als 500 Millionen EU-Bürgern grenzübergreifend sichere Zahlungen mit ihrem Smartphone ermöglicht.

Im Gegensatz zu vielen außereuropäischen Lösungen legt Blue Code dabei höchsten Wert auf den Schutz kundenbezogener Daten, indem diese erst gar nicht gesammelt oder verarbeitet werden. Es werden zu keiner Zeit persönliche Daten auf den mobilen Endgeräten gespeichert oder übertragen. Beim Bezahlvorgang wird lediglich eine anonyme Identifikationsnummer an das Rechenzentrum der Bank übertragen, welche die Abbuchung vom Girokonto einleitet. Sensible Daten bleiben beim Kunden respektive bei der Bank - wir nennen das "Privacy by Design".

Nur mit einem europäischen Mobile Payment Scheme lässt sich auch sicherstellen, dass kundenbezogene Daten im sicheren Hafen Europa verankert sind. Es gibt keinen Grund, weshalb uns Europäern ein Tim Cook vorgibt, wie wir mit den Daten umgehen und auf welchem Weg die Übertragung erfolgen soll, überspitzt formuliert.

Für alle Anwendungsfälle bereit

Das Zahlungsverfahren ist ganz auf den mobilen Lifestyle und das digitale Omnichannel-Business der Zukunft ausgerichtet. Neben Zahlungen am PoS, die über Einscannen oder Eintippen des achtstelligen TAN-Codes in die Registrierkasse ausgelöst werden, ist Blue Code für alle möglichen weiteren Anwendungsfälle bereit:

- Bei Verkaufsautomaten wird die TAN via Bluetooth übertragen,

- im E-Commerce wird sie als Alternative zu langen Kreditkarten- oder IBAN-Nummern eingetippt,

- bei Tabletkassen in der Gastronomie wird die TAN abfotografiert und im M-Commerce bei In-App-Zahlungen funktioniert das Zahlungsverfahren ebenso.

Vor Kurzem wurde die Blue-Code-Bezahlfunktion als "Plugin" in die Kundenkarten-App Mobile Pocket integriert 1) und in die Parkschein-App park.ME 2) . Weitere Integrationen, etwa in Banking Apps, sind in Vorbereitung. Die Übertragung der TAN ist in Kürze auch über Near Field Communication (NFC) möglich, die derzeit vor allem bei Debit- und Kreditkarten zum Einsatz kommt. Die Nahfunk-Technologie ist zwar für Karten ideal. Versuche, die NFC-fähigen Zahlungskarten auf das Mobiltelefon zu transferieren, haben sich aber aufgrund des Medienbruchs von Plastikkarte zu Mobiltelefon als wenig erfolgreich herausgestellt.

Blue Code setzt bei Händlern auch aus Sicherheitsgründen lieber auf die bereits bestehende Infrastruktur mit Registrierkassen. Investitionen in eigene Bezahlterminals sind nicht erforderlich, weil Blue Code mittels Softwareupdate schnell in die gängigen Kassensysteme integriert werden kann.

Mehr als eine digitale Geldbörse

Die Verbindung mit Drittanbieter-Apps wie Mobile-Pocket zeigt, wie offen Blue Code für Mehrwertfunktionen konzipiert ist. Durch die Verknüpfung mit den digitalen Kundenkarten in Mobile-Pocket reicht beim Bezahlen ein einziger Scanvorgang an der Registrierkasse, um sowohl die Zahlung vom Girokonto einzuleiten als auch die Kundenkartenvorteile zu berücksichtigen.

Die Verknüpfung von Mobile Payment mit Loyalty-Programmen bietet neue Möglichkeiten zur Kundenbindung und Umsatzsteigerung. Blue Code kann beispielsweise ein digitales Rabattsystem über gesammelte Treuepunkte und Vouchers oder digitale Stempelkarten einbinden.

Beim Sportartikelhändler Hervis ist beispielsweise die Lösung bereits in allen Filialen österreichweit im Einsatz. Beim ersten Smartphone-Bezahlvorgang lässt sich die Hervis-Kundenkartennummer digital in der Blue-Code-App hinterlegen. Für die nächsten Einkäufe ist dann nur mehr der einmalige Scan des Blue Codes notwendig, um den Betrag bargeldlos zu bezahlen und gleichzeitig den Kundenkartenbonus zu berücksichtigen.

Die physischen Kundenkarten muss man in Zukunft nicht mehr mitführen, dicke Geldbörsen und der Stapel an Plastikkarten werden bald ausgedient haben.

Wohin die Reise gehen kann, zeigt auch ein Beispiel aus Übersee: Als besonders erfolgreicher Pionier für diese Verzahnung von Mobile Payment mit Treueprogrammen gilt die Kaffeehauskette Starbucks in den USA. Sie sorgt mit ihrer eigenen Kunden-App für rund 90 Prozent des US-amerikanischen Handyzahlungsverkehrs und verzeichnet bei Mobile Payment zweistellige Wachstumsraten. Die restlichen rund zehn Prozent müssen sich große US-Player wie Google, Apple oder Paypal untereinander aufteilen. Das zeigt, wie viel Potenzial in einer gut gemachten Mobile-Payment- und Loyalty-Lösung steckt, wenn man früh genug damit anfängt und den Fokus auf User-Freundlichkeit und größtmöglichen Nutzen für alle Beteiligten legt.

Blue-Code-Transfermodell für Deutschland

Kurz nach der Startphase der Blue-Code-Kooperation für Deutschland wurden 100 Prozent der Girosolution-Aktien Ende März 2015 an den Payment-Hub der Sparkassen-Finanzgruppe, die S Payment GmbH, verkauft. Nach den Anfangserfolgen hat die Girosolution Ende September 2015 ihre Acquirerrolle für den Regelbetrieb an die B+ S Card Service GmbH und das Issuer-Verhandlungsmandat für die Sparkassen-Finanzgruppe an ihren Gesellschafter übertragen. Strategischer Partner für Clearing und Settlement wird die Landesbank Hessen-Thüringen, mit der auch die Crossborder-Anforderungen umgesetzt werden können.

Blue Code ist parallel zum Feldversuch offen für alle Bankengruppen und ihre Dienstleister, die jeweils bilateral mit der Blue Code International AG verhandeln, die die Scheme-Verträge hält.

Komplementäres Bezahlverfahren im Girocard-Kontext

Das Omnichannel-Verfahren Blue Code positioniert sich in Deutschland am Point of Sale im Girocard-Kontext als komplementäres Bezahlverfahren und gibt den Händlern/Verkäufern immer eine hundertprozentige Zahlungsgarantie. Teilnehmende Issuer-Banken erhalten als Blue-Code-Akzeptanzbank eine angemessene Vergütung für die Zahlungsgarantie durch die Realtimebuchung am Girokonto des Zahlers und die Aktivierung von Blue Code im Online-Banking.

Für die Käufer ist Blue Code immer kostenfrei. Sparkassen und Banken, die nicht am Blue-Code-Verfahren teilnehmen, sind für die Käufer nicht ausgeschlossen. Bei der Registrierung gibt der Nutzer seine IBAN einmalig an und unterzeichnet ein Lastschriftmandat. Damit ist die höchste Reichweite bei gleichzeitiger Zahlungsgarantie für Händler gegeben.

Nach der Vorbereitungsphase von ein paar wenigen Monaten konnte im September 2015 die erste Großsparkasse als Issuer-Pilot für Blue Code gewonnen werden, um darauf aufbauend das Netzwerk für einen breiteren Feldversuch in Deutschland zu erweitern. Nach dem positiven internen Kantinentest im April 2016 bei der Sparkasse Köln-Bonn mit Direktzugriff auf die Girokonten über das Sparkassen-Rechenzentrum haben weitere fünf Sparkassen aus den Bundesländern NRW, Sachsen und Hessen Interesse an einer Teilnahme am Feldversuch signalisiert.

Nun ging es darum, Händlerakzeptanzen, aber auch Verkaufsstellen mit einer mobilaffinen Käufer- beziehungsweise Nutzerzielgruppe zu gewinnen. So wurde mit dem regionalen Filialisten "Konsum" in Dresden in Kooperation mit der Ostsächsischen Sparkasse im September bereits gestartet und zum Erkenntnisgewinn der Nutzerakzeptanz wurden die Studentenwerke in Siegen über die Sparkassen Siegen und in Frankfurt über die Frankfurter und die Nassauische Sparkasse für den Feldversuch ab dem Wintersemester 2015 gewonnen.

"Blue Code ist für die Kunden ein toller Mehrwert am Girokonto. Das Bezahlen mit dem Handy an den Kassen des Studierendenwerks funktioniert schnell, einfach und sicher. Der Kunde bezahlt mit Blue Code erst dann, wenn er einen Einkauf tätigen möchte, und hat durch die unmittelbare Buchung am Girokonto totale Kostenkontrolle. Für uns eine attraktive und innovative Lösung, die unser Ankerprodukt Girokonto stärkt und komplizierte Pre-Paid-Lösungen obsolet macht", sagt Wilfried Groos, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Siegen. Ein Pilottest in einem Bundesligastadion beim letzten Heimspiel lief im Juni 2016 ebenfalls problemlos und erfolgreich.

Einziges Mobile-Payment-System auf dem Oktoberfest 2017

Die Ergebnisse waren und sind insgesamt sehr positiv und die Resonanz aus den weiteren Akquisegesprächen vielversprechend.

Im laufenden Feldversuch werden noch 2017 zwei große Leuchtturmprojekte aufgesetzt.

- Ein Bundesland will mit allen angeschlossenen Sparkassen voraussichtlich im August 2017 mit einem Top-10-Filialisten zunächst in einen Family & Friends-Test starten und gegebenenfalls bereits noch 2017 alle Filialen in einem Bundesland ausstatten. Der bundesweite Rollout ist dann für 2018 geplant.

- 2017 wird Blue Code als einziges Mobile-Payment-System auf dem Münchner Oktoberfest verfügbar sein. Man darf gespannt sein, wie das System als Alternative zu leer geräumten Geldautomaten und zum umständlichen Bargeld-Handling in den Festzelten und bei den Standbetreibern angenommen wird. Dies ist der Auftakt für einen Blue-Code-Schwerpunkt in Deutschland im Event- und Festbereich, der bei Großveranstaltungen im Jahr bis zu 220 Millionen Besucher mit einem Umsatz von über 200 Millionen Euro erreicht.

Unabhängig von den Ergebnissen der Leuchtturmprojekte startet der Regelbetrieb in Deutschland im vierten Quartal 2017.

Blue Code expandiert in Europa

Auch international konnte Blue Code bereits Aufsehen bei Events und Pitches der Finanz- und Handelsbranche erregen und zahlreiche Auszeichnungen gewinnen. Die Blue-Code-Lösung wird gerade in den Temenos Marketplace, eine Art App-Store für Banken, aufgenommen und steht damit für eine schnelle Integration in die Kernbankensysteme von rund 2000 Finanzdienstleistern zur Verfügung.

Dank starker Handelspartner wie dem Rewe-Konzern oder der Spar-Gruppe und großer Bankenpartner wie Raiffeisen wird auch das Netz an Akzeptanzstellen stetig ausgebaut. In Österreich zum Beispiel, ist es händlerübergreifend auf über 18 000 Kassen bei Lebensmittelmärkten, Drogerien, Elektronikhändlern, Kinos, Tankstellen, Parkautomaten und Trafiken gewachsen. Im Lebensmitteleinzelhandel werden beispielsweise bereits 85 Prozent abgedeckt. Ob der gewählte Weg tatsächlich zum Blue-Code-Erfolg in Deutschland führt, wird und muss sich erst noch zeigen. Die Reichweite von über 100 Millionen Inhabern einer Domestic-Karte wie der Girocard in Deutschland ist in Europa einmalig. Dies erfordert auch ungewöhnliche Kooperations- und Transfermodelle.

Kooperativer Ansatz von Blue Code und Girocard ist möglich

Ein kooperativer Ansatz von Blue Code und Girocard ist technisch möglich, wenn es von den Sparkassen und Banken gewollt ist. NFC als Übertragungsweg für Blue Code und damit die Nutzung der vorhandenen Terminalinfrastruktur am Point of Sale wird derzeit in einem Parallelprojekt bereits validiert und könnte nicht nur politische Brücken bauen. Blue Code ist technologieagnostisch und funktioniert heute schon mit iOS beziehungsweise Apple und Android-Geräten.

Die Vision ist es, dass Blue Code den "GAFA´s" (Google, Apple, Facebook, Amazon) und der Asien-Power Alipay, WeChat & Co eine europäische Payment-Alternative entgegensetzen will, was eine Kooperation mit diesen Global Playern nicht ausschließt.

Fußnoten

1) www.youtube.com

2) www.youtube.com

Zu den Autoren Dr. Christian Pirkner, Vorstand, Blue Code International AG, Innsbruck, Herrmann Stengele, Geschäftsführender Gesellschafter, Spice Management GmbH, Frickingen
Dr. Christian Pirkner , CEO, Blue Code International AG, Wien

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