MOBILE PAYMENT

In der Pandemie - Smartphone als Alternative zu Bargeld und Karte?

Christian Pirkner, Foto: Blue Code International AG

Die Transformation von der physischen Karte zum Mobile Payment ist nur eine Frage der Zeit, ist sich Christian Pirkner sicher. Damit der durch Covid-19 begünstigte Trend zum kontaktlosen Bezahlen per Karte und - weniger ausgeprägt - auch per Smartphone nachhaltig wird, sieht er allerdings auch noch einige Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Die Beseitigung der Marktfragmentierung und interoperable Lösungen für Europa gehören ebenso dazu, wie Mehrwerte für den Kunden. An dieser Stelle sieht der Autor den Handel gefordert, Payment-Prozesse am Smartphone mit digitalen Bonusprogrammen zu verknüpfen. Red.

Lange wurde es prophezeit, durch Covid-19 ist es Teil der neuen Normalität geworden: Das Zahlen mit Münzen und Scheinen hat in Deutschland und auch im restlichen Europa durch die Corona-Krise drastisch abgenommen. Denn viele Supermärkte, Läden und Lokale empfehlen ihren Kunden nach wie vor, lieber ohne Bargeld zu bezahlen.

Corona begünstigt berührungsloses Mobile Payment

Laut einer vor kurzem veröffentlichten Umfrage der ING Bank, die im Mai 2020 in 13 europäischen Ländern durchgeführt wurde, hat "die Vorliebe für Bargeld in einem Maße abgenommen, für das es sonst wohl eine Generation gebraucht hätte": Demnach gaben etwa 44 Prozent der befragten Deutschen an, sie hätten ihre Bargeldnutzung reduziert. Neben Geschwindigkeit, Einfachheit und Datenschutz sind an der Kasse nun Hygiene und Sicherheit als Schlüsselfaktoren dazu gekommen - und haben im traditionellen Bargeldland Deutschland einen Paradigmenwechsel im Zahlungsverhalten eingeläutet.

Neben NFC-Kartenzahlungen konnte auch Mobile Payment, also das Bezahlen per Smartphone-App, davon profitieren. Gerade auch, weil man dafür keine Bezahlterminals berühren muss und dadurch das Infektionsrisiko mindern kann.

Einen ersten Trend zeigte eine Umfrage des deutschen EHI Retail Institute und des Marktforschungsinstituts POS Pulse bereits im April 2020: Rund 31 Prozent der Befragten präferierten während der Corona-Pandemie die kontaktlosen Bezahlmöglichkeiten und schon mehr als acht Prozent die mobilen Zahlungsvarianten. In der im Oktober veröffentlichten repräsentativen Umfrage von G Data war bereits für ein Viertel der Deutschen die Pandemie ein Grund, Mobile Payment zu nutzen. Ein beachtlicher Wert, wenn man bedenkt, dass Mobile Payment in Deutschland relativ wenig verbreitet ist, und vielen noch nicht bekannt ist, dass ihr Handy oder Wearable-Gerät auch als digitales Portemonnaie dient.

Fragmentierter Payment-Markt als Hemmnis

Rund ein Drittel der von G Data Befragten gab dabei zwei Hauptgründe für Mobile Payment an: zum einen Bequemlichkeit - schließlich ist das Smartphone fast immer mit dabei, zum anderen der Zeitfaktor: Zahlungen mit dem Smartphone sind schnell erledigt.

Die Frage ist nun, wie Mobile-Payment-Anbieter noch viel mehr Kunden von diesen Vorteilen überzeugen können und inwieweit sich die Handy-Zahlung nachhaltig als weit verbreitete Alternative zur Bar- und Kartenzahlung etablieren wird. Aktuell buhlen sehr viele unterschiedliche Lösungen um die Gunst der Kunden: Neben den Mobile-Payment-Angeboten deutscher Banken sind unter anderem auch Lösungen unabhängiger europäischer Fintechs wie Bluecode, US-amerikanische Wallets wie Apple Pay, Google Pay und Paypal sowie asiatische Anbieter wie Samsung Pay am deutschen Markt aktiv.

Nachdem die NFC-basierte Kartenzahlung während der Pandemie sehr einfach in der Breite verfügbar war, hatten Kunden wahrscheinlich dringlichere Angelegenheiten zu erledigen, als sich gleichzeitig um den Umstieg auf eine Mobile-Payment-Lösung zu kümmern. Zudem wurden in der Umfrage von G Data auch Zweifel der Verbraucher an der Sicherheit (rund 16 Prozent) und Bedenken wegen des Datenschutzes (rund 15 Prozent) genannt. Dennoch ist auch beim mobilen Bezahlen ein positiver Trend sichtbar und die Transformation von der physischen Karte zu Mobile Payment nur eine Frage der Zeit.

Eine der größten Herausforderungen ist dabei, die vom Barzahlen gewohnte Sicherheit und Anonymität in die digitale Welt zu übertragen - sprich, keine sensiblen Userdaten auf dem Smartphone zu speichern oder zu übertragen. Europäische Banken und Fintech-Unternehmen sind nun gefordert, den Kunden Mobile-Payment-Lösungen zu bieten, die grenzüberschreitend in ganz Europa unter Einhaltung unserer hohen europäischen Datenschutzstandards funktionieren.

Interoperable Lösungen aus Europa gefordert

Verschiedene europäische Player arbeiten mit Hochdruck daran, den fragmentierten Payment-Markt Europas zu einer gesamteuropäischen Lösung zusammenzuführen. Einer Arbeitsgruppe rund um Bluecode und Vipps, Gründungsmitglieder der European Mobile Payment Systems Association (EMPSA), ist es beispielsweise innerhalb eines Jahres gelungen, die optischen Mobile-Payment-Systeme der mittlerweile elf EMPSA-Mitglieder zu harmonisieren. Ähnlich wie beim SIM-Karten-Roaming der Mobilfunkbetreiber geht es darum, die Systeme untereinander interoperabel zu machen. Vor kurzem wurden erste Pilotversuche grenzüberschreitender mobiler Zahlungen, die auf dem Scannen eines Bar- oder QR-Codes basieren, erfolgreich umgesetzt.

Auch führende Banken Europas haben die Dringlichkeit einer paneuropäischen Zahlungslösung "made in Europe" erkannt. Denn die zweite EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 ermöglicht es außereuropäischen Drittanbietern, noch tiefer in den Zahlungsverkehr einzudringen. Schon heute dominieren US-basierte Debit- und Kreditkartensysteme das Payment-Geschehen in Europa. Insbesondere die Digitalisierung dieser Zahlungskarten in die mobilen Wallets Apple Pay und Google Pay hat enorme Sprengkraft für die Payment-Branche.

Mobiles Bezahlen braucht Mehrwerte

Wer die Kundenreise im Mobile Payment gewinnt, wird den Markt die nächsten Jahrzehnte über dominieren. Daher ist auch die European Payments Initiative (EPI) von 16 großen Finanzinstituten aus Deutschland, Frankreich und weiteren EU-Ländern zu begrüßen, die bis zum Jahr 2022 unter anderem eine einheitliche und europaweit verfügbare digitale Geldbörse für das Bezahlen an der Ladenkasse und im Internet schaffen möchte. Das Vorhaben wird erfreulicherweise auch vom Bundesverband deutscher Banken und der Europäischen Zentralbank unterstützt.

Um wirklich erfolgreich zu sein, muss das mobile Bezahlen mit Smartphone, Smartwacht oder anderen Wearables im Vergleich zur Kartenzahlung künftig aber noch attraktivere Mehrwerte für die Verbraucher und Händler bieten. Erfolgreiche Beispiele aus Asien zeigen, wie man bargeldlose Payment-Prozesse am Smartphone mit digitalen Loyalty-Programmen verbindet. Händler sollten die Möglichkeit nutzen, ihre Kundenkarten und Kundenbindungsprogramme noch stärker ins Handy zu digitalisieren, um sie direkt mit Mobile Payment zu verbinden. Das heißt, dass bei jedem mobilen Bezahlvorgang automatisch der Bonus des jeweiligen Händler-Loyalty-Programms gesammelt beziehungsweise gutgeschrieben wird.

Anstatt Angebote erst nach dem Bezahlen auf den Kassenbon zu drucken, können Händler treue Kunden via Smartphone noch direkter belohnen und die Kundenbindung stärken. Ein weiterer Vorteil gegenüber der Karte: Händler können ihren Kunden gleich auch einen digitalen Kassenbon aufs Handy schicken und so eine Menge Papier sparen.

Für eine breite Akzeptanz sollte mobiles Bezahlen zudem auch an jedem Warenautomaten und in Online-Shops der Händler einsetzbar sein. Erst wenn all diese Hausaufgaben erledigt sind, wird Mobile Payment den Durchbruch schaffen, von dem europäische Banken, Händler und Endkunden gleichermaßen profitieren.

Dr. Christian Pirkner , CEO, Blue Code International AG, Wien

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