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Paydirekt versus Paypal - noch Luft nach oben

Quelle: pixabay.com

Nur zwei Prozent der Online-Nutzer verwenden neben Paypal auch Paydirekt, hat eine Studie ergeben. Das liegt nicht zuletzt an wichtigen Lücken im Händlernetz, die sich kaum werden schließen lassen, ohne in nennenswertem Umfang Geld in die Hand zu nehmen. Auch für die Steigerung der Attraktivität für die Nutzer wird es neuer Mehrwerte über den guten Datenschutz hinaus bedürfen. Sonst stehen die Chancen nicht allzu gut.

Ursprünglich ist Paydirekt mit dem Anspruch angetreten, dem Bezahldienstgiganten Paypal Paroli zu bieten. Auch wenn davon heute kaum noch gesprochen wird - das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit ist dazu allzu offensichtlich -, wäre es doch interessant zu erfahren, in welchem Ausmaß es Paydirekt mittlerweile tatsächlich geschafft hat, Paypal Marktanteile abzunehmen.

Nur jeder Zehnte Online-Banking-Nutzer bei Paydirekt registriert

Genau das hat die Unternehmensberatung mm1 in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Marktforschungsinstitut Splendid Research untersucht und dazu 500 Kunden im Alter von 17 bis 35 Jahren befragt.* Bewusst hat man sich dabei auf aktive Online-Banking-Nutzer konzentriert, weil diese die Kernzielgruppe der Online-Bezahldienste darstellen.

Wenig überraschend stellte sich dabei heraus, dass Paypal bei allen Befragten bekannt ist und fast alle (96 Prozent) auch ein Paypal-Konto haben. Demgegenüber erfreut sich Paydirekt zweieinhalb Jahre nach dem Marktstart einer Bekanntheit von gerade einmal 42 Prozent. Lediglich 11 Prozent sind bei Paydirekt registriert. Die Ergebnisse sind aufgrund der eng gefassten Stichprobe zwar nicht unbedingt repräsentativ. Sie geben aber doch einen guten Hinweis darauf, wo es bei Paydirekt hapert.

Auf die Frage nach der Nutzung der beiden Verfahren gaben 85 Prozent der Befragten an, nur Paypal zu nutzen, 11 Prozent nutzen beide Verfahren. Reine Paydirekt-Nutzer, die zugunsten des Bezahlverfahrens der deutschen Kreditwirtschaft auf Paypal verzichten, gab es in der Stichprobe nicht.

Bei der Aufgliederung jener 11 Prozent, die zumindest bei Paydirekt registriert sind wird das Bild für das kreditwirtschaftliche System noch düsterer:

- Mehr als ein Drittel der Registrierten sind sogenannte "Karteileichen", die trotz ihrer Registrierung bei Paydirekt ausschließlich die Wettbewerbslösung Paypal nutzen.

- Rund 46 Prozent der beiden registrierten Systeme nutzen meistens Paypal.

- Und lediglich neun Prozent von ihnen nutzen meistens Paydirekt.

Marktanteil etwa zwei Prozent

Bezogen auf die Gesamtstichprobe bedeutet dies: Lediglich zwei Prozent der Nutzer verwenden das kreditwirtschaftliche System zumindest genauso stark wie Paypal. Davon, dass Paydirekt dem großen Wettbewerber Marktanteile abgenommen hätte, kann also keine Rede sein.

Diesen Schluss lässt auch die Ibi-Research-Studie Einkaufsverhalten im digitalen Zeitalter von 2017 zu, die ganz ähnliche Ergebnisse zutage förderte: Auf die Frage nach den in den letzten zwölf Monaten beim Online-Einkauf genutzten Bezahlverfahren nannten dort 73 Prozent aller 1 009 befragten Online-Shopper Paypal (unter den unter 30-Jährigen 74 Prozent), während Paydirekt sowohl in der Gesamtstichprobe als auch unter den Jüngeren nur auf drei Prozent kam.

Ohne Amazon geht es nicht

Natürlich liegt das in allererster Linie daran, dass es mit dem Aufbau des Händlernetzes so langsam vorangeht. Bestes Indiz dafür ist die Tatsache, dass in der Stichprobe keiner der Befragten allein Paydirekt nutzt und offenbar ohne Paypal auskommt. Das wird vermutlich so lange nicht der Fall sein, wie die beiden größten E-Commerce-Anbieter in Deutschland, Amazon und Zalando nicht an Bord sind. Allein Amazon hatte 2016 laut EHI einen Marktanteil von 30,5 Prozent am gesamten deutschen E-Commerce. Und dieser Anteil steigt von Jahr zu Jahr, wie denn überhaupt die Marktkonzentration im Online-Handel steigt.

Obwohl mit Otto, Alternate und - ganz neu - notebooksbillger.de inzwischen drei der laut EHI zehn größten Online-Shops Paydirekt akzeptieren, hat es den Anschein, als könne der echte Durchbruch ohne Amazon im Grunde gar nicht gelingen. Sondern das Verfahren bleibt selbst für überzeugte Nutzer immer nur eine Option, die von Fall zu Fall gezogen wird.

Es wird Geld fließen müssen

Wie aber soll man den Branchenriesen überzeugen? Ausschlaggebend für ein Unternehmen wie Amazon kann im Grunde nur zweierlei sein: eine hohe Kundennachfrage, von der man angesichts von gerade einmal 1,8 Millionen registrierten Paydirekt-Nutzern eher nicht ausgehen darf, und/ oder besonders günstige Konditionen.

Schon bei Otto und notebooksbillger.de wurde über Werbekostenzuschüsse in beträchtlicher Höhe spekuliert, die an die Händler geflossen sein sollen. Und der Platzhirsch der Branche wird wohl ungleich höhere Erwartungen haben. Ohne entsprechende Investitionen an dieser (und anderen) Stelle wird sich das kreditwirtschaftliche Verfahren aber wohl kaum in Schwung bringen - oder möglicherweise sogar retten - lassen.

Keine Chance mehr?

Denn die Erwartungen für die Zukunft von Paydirekt sind in der Payment-Branche gering: Auf die direkte Frage danach halten sich die meisten Marktteilnehmer zwar vornehm zurück. Auch das darf jedoch als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Aussichten alles andere als positiv eingeschätzt werden. Wer wirklich von einer Sache überzeugt ist, der sagt das meistens auch.

Rainer Lindenau und Lena Scholp von mm1 beantworten die Frage, ob es für Paydirekt überhaupt eine Chance gibt, sogar mit einem klaren Nein. "Paydirekt ist zu spät dran und hat mit dem heutigen Produkt keine Chance. Der erhoffte Mehrwert über Datensicherheit made in Germany zieht bei Privatkunden nicht. Eine Differenzierung über mehr Händler als Paypal ist praktisch unmöglich", lautet ihr vernichtendes Fazit.

Sie begründen das mit dem "The Winner Takes It All"-Effekt in der digitalen Welt: Auf der einen Seite ist es immer einfacher geworden, neue Produkte zu entwickeln. Der unternehmerische Erfolg ist aber immer schwieriger zu erreichen, weil sich der Erfolg auf immer weniger Anbieter konzentriert. Beispiele sind der Suchmaschinenmarkt mit der Dominanz von Google, Messagingdienste mit der starken Position von Whatsapp oder die private Übernachtungsvermittlung, wo Airbnb die einzige relevante Plattform ist.

Services, denen es gelungen ist, eine führende Position in der digitalen Welt zu erreichen, sind in der Praxis schwer von ihrer dominanten Position zu verdrängen. Denn kontinuierliche Verbesserungen, Netzwerkeffekte, hohe Kundenzufriedenheit und vor allem Gewohnheiten der Kunden machen es neuen Wettbewerbern sehr schwer, Marktanteile zu gewinnen.

Welche große Rolle Nutzergewohnheiten dabei spielen, sieht man vielleicht am deutlichsten an Facebook: Fast jeder regt sich über mangelnden Datenschutz auf beziehungsweise mangelnde Transparenz darüber, wer welche Daten wozu nutzt. Doch während Werbekunden allmählich zurückhaltender werden, zeigen alle Umfragen der letzten Zeit, dass Facebook- Nutzer ihr Nutzerverhalten bestenfalls wenig verändern.

Für Paydirekt macht das die Sache noch aussichtsloser: Denn die dicken Negativschlagzeilen über Paypal, die einen Sinneswandel bei den Nutzern auslösen könnten, gibt es nicht.

Den Kunden über Anreizsysteme locken

Mit anderen Worten: Ändern ließe sich das Kundenverhalten nur dann, wenn es aus Kundensicht einen echten Mehrwert gäbe, der für Paydirekt spricht. Dass das im Wettbewerbsvergleich gute Datenschutzniveau bei Paydirekt, das die "Marktwächter Finanzen" bei der Verbraucherzentrale Brandenburg dem Bezahldienst der deutschen Kreditwirtschaft Ende 2017 bescheinigt hat, aus Verbrauchersicht keinen ausreichenden Mehrwert darstellt, scheint offenkundig zu sein. Eine Marketingstrategie, die allein darauf abzielt, reicht also zumindest nicht aus.

Locken kann man den deutschen Verbraucher - und das ist Investitionsfeld Nummer zwei - mit seiner immer noch sehr ausgeprägten "Geizistgeil"-Mentalität nach wie vor primär über das Geld. Das hat auch Mastercard erkannt und will Kunden über ein eigenes Loyalitätsprogramm dazu animieren, am PoS-Terminal häufiger Maes tro als Bezahlverfahren auszuwählen als die Transaktion standardmäßig über die Girocard laufen zu lassen.

Bei Paydirekt gibt es dergleichen (noch) nicht. Ein Bonussystem in Form eines Kick-Back beim Bezahlen mit Paydirekt könnte aber der letzte Ausweg sein. Dass der Handel dafür die Kosten trägt, ist illusorisch.

Die Budgets müssen erheblich sein

Unter dem Strich bleibt somit die nüchterne Erkenntnis: Die deutsche Kreditwirtschaft muss gleich an mehreren Stellen Geld in die Hand nehmen, wenn sie Paydirekt zum Laufen bringen und nicht in der Nische verkümmern lassen will. Dazu gehört

- Geld für die Gewinnung der Topplayer des E-Commerce einschließlich des Platzhirschen Amazon,

- Geld für Anreizsysteme, die die Nutzung seitens der Kunden steigern und

- Geld für Werbung (einschließlich TV, das auch heute noch die größte Breitenwirkung hat).

Damit die Effekte nicht verpuffen, muss das obendrein alles gleichzeitig erfolgen. Die nötigen Budgets dürften erheblich sein.

Erfolg ist nicht garantiert

Ob die Branche so viel Geld in ein eigenes Online-Bezahlverfahren investieren will und sollte, ist eine ganz andere Frage. Schon an den Beispielen Geldkarte und Girogo hat sich gezeigt, dass sich mit Eigenentwicklungen im Payment-Bereich erhebliche Mittel versenken lassen, ohne dass sich dadurch der erhoffte Erfolg einstellt.

Der Vergleich mag insofern hinken, als Paydirekt - anders als die Geldkarte und Girogo - nicht fundamental am Kundenbedürfnis vorbeigeht. Einen echten Bedarf für das Verfahren gibt es allerdings auch nicht. Dafür kam Paydirekt schlicht zu spät. Immer häufiger wird von Marktteilnehmern auch die Einsicht geäußert, dass nationale Bezahlverfahren es in einer digitalen Welt immer schwerer haben werden. Da bildet Paydirekt keine Ausnahme. Ob das die Banken und Sparkassen animieren wird, größere Summen in eine Eigenentwicklung zu investieren, von der immer zweifelhafter wird, dass sie die erhoffte Wirkung entfalten wird, darf bezweifelt werden.

Denkbar wäre natürlich noch etwas anderes: Wenn sich ein Investor fände, könnte man Paydirekt auch verkaufen. Mit Verkäufen im Payment-Bereich hat die deutsche Kreditwirtschaft ja Erfahrung. Man würde dann natürlich wieder ein Stück Hoheit aufgeben, auch was den Datenschutz angeht. Denn im Grunde würde Paydirekt dann zum normalen Zahlungsauslösedienst mutieren. Ein Grundübel, das von Anfang an das Händlergeschäft erschwert hat, könnte damit jedoch beseitigt werden: die bilateralen Entgeltverhandlungen. Bilaterale Vereinbarungen bräuchte es dann nur noch zwischen Paydirekt und den Banken.

*Siehe Kasten auf Seite 14

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