INSTANT PAYMENT

Treasury im Zeitalter von Instant Payments

Oliver Schwarz, Foto: PPI AG

Die Gewährleistung der untertägigen Liquidität wird durch die Etablierung von Instant Payments nicht leichter, warnen die Autoren. Durch Massenzahlungen in Echtzeit wird der Pufferbedarf höher - die Kosten für die Vorhaltung liquider Mittel können aus dem Ruder laufen. Dies droht erst recht bei einer Zinswende im Euroraum. Eine Lösung in dieser Situation kann die Einrichtung eines Intraday-Geldhandels sein. Red.

Geldtransaktionen nahezu in Echtzeit an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr - das versprechen Instant Payments. Geschäfts- und Privatkunden können mit der neuen Technik Geld anweisen und nach Sekunden ist der Betrag bereits auf dem Zielkonto. Bankfeiertage oder Wochenenden verursachen keine Zahlungsverzögerungen mehr. Und ist das Geld nach maximal zehn Sekunden auf dem Zielkonto, kann es - anders als etwa bei Paypal - auch sofort abgehoben werden.

Praktisch für Kunden, schwierig für Banken

Die neue Technologie ist gewissermaßen eine Autobahn für Zahlungen fast ohne Geschwindigkeitsbegrenzungen. Daher steht die Attraktivität des Services für Kunden der Geldinstitute außer Frage. Vorteilhaft gerade für Unternehmen: Die Liquidität steht dem Empfänger einen oder mehrere Tage früher zur Verfügung. Das reduziert einerseits den Liquiditätsbedarf und schafft zum anderen neue Möglichkeiten für das Cash Management. Insofern werden Unternehmen sicher den Trend hin zu Instant Payments stützen. Zumal die neue Technologie auch die Abwicklungsrisiken für den Kunden minimiert.

Grundlage der Technik, die die Europäische Zentralbank (EZB) schon Ende 2017 in 34 Sepa-Ländern einführte, sind echtzeitbasierte Massenzahlungen auf Einzeltransaktionsbasis durch EBA Clearing sowie über Target Instant Payments Settlement (TIPS). Im Vergleich zum derzeit gängigen Lastschriftverfahren sind Instant Payments final, also nicht rückholbar.

Die schöne neue Welt für die Kunden schafft allerdings für Geldinstitute Probleme. Denn perspektivisch stark steigende Volumina bei Instant Payments schaffen neue Herausforderungen für die Liquiditätssteuerung. Erzeugen sie doch ein untertägiges Zahlungsunfähigkeitsrisiko. "Sofort" für Kunden heißt eben auch, unverzügliche Zahlungen aus Instant-Payment-Transaktionen für die Banken. Damit hat der Valutatag als kleinste zeitliche Einheit ausgedient. Und zugleich die bisher angewandten Instrumentarien zur Liquiditätssteuerung, die auf diese Einheit abgestellt sind.

Änderungen in der Organisation nötig

- Jederzeit Zahlungsein- und -ausgänge abwickeln zu können - also auch außerhalb der bisherigen Handelszeiten - sorgt für mannigfaltige technologische und prozessuale Herausforderungen.

- Regel-Autorisierungsprozesse müssen durchgängig zur Verfügung stehen.

- Außerordentliche Eskalationskanäle sind nötig, wenn sich Liquiditätsengpässe abzeichnen.

- Datenverarbeitungssysteme müssen in der Lage sein, auch den untertägigen Zeitpunkt eines Zahlungsein- beziehungsweise -ausgangs zu erfassen. Bisher erfolgte die Wertstellung von Buchungen nur einmal am Tag.

- Für Altverträge müssen entsprechende zeitliche Festlegungen erfolgen.- Für unvorhergesehene Zahlungsverpflichtungen muss sich das Institut unmittelbar mit Liquidität eindecken können oder eine hinreichende Reserve vorhalten.

Gefahr der untertägigen Zahlungsunfähigkeit

Gerade der letzte Punkt dürfte zu den wohl größten Herausforderungen beim Thema Instant Payments gehören. Bei der Unvorhersehbarkeit der Wertstellungen scheiden Repomärkte mit ihren derzeit nicht durchgängigen Handelszeiten als Refinanzierungsquellen aus. Die Stellung von Sicherheiten ist aktuell nicht in Echtzeit möglich.

Liquiditätszuflüsse am Ende eines Handelstages können im noch vorherrschenden System Unterdeckungen im Tagesablauf ausgleichen. Das ist in der Instant-Payment-Welt nicht mehr möglich. Künftig können die permanenten Schwankungen der Salden auf Echtzeit-Zahlungsverkehrskonten eine untertägige Zahlungsunfähigkeit verursachen. Die sofortige Valutierung der Transaktionen erlaubt weder den Ausgleich über einen Tagesendsaldo wie bisher noch kann eine verlässliche Aussage über die Zeitpunkte von eingehenden Zahlungsaufträgen getroffen werden.

Die Prognose von Auslastungsspitzen der Zahlungsverkehrssalden lässt beispielsweise Aussagen wie die folgende basierend auf historischen Beobachtungen zu: Saldo x wird in einem bestimmten Zeitfenster T mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit p nicht unterschritten (Konfidenzniveau). Zusammen mit hoher Datenqualität relevanter Echtzeitsalden bildet dies eine solide Basis des Intraday-Liquiditätsrisikocontrollings. Die Liquiditätssteuerung ist aber aktuell nicht auf den Ernstfall eingerichtet: Überschreiten die Zahlungsausgänge zu einem beliebigen Zeitpunkt die freien hochliquiden Reserven zuzüglich des EZB-Saldos, so tritt die Zahlungsunfähigkeit ein.

Instant Payments können Ertrag belasten

Mit dem untertägigen Zahlungsunfähigkeitsrisiko ist die Aufgabenagenda für Banken jedoch noch nicht gefüllt. Auch Ertragsrisiken beanspruchen Aufmerksamkeit. Womit das Thema Liquiditätspuffer angeschnitten ist. Die Puffer bleiben für den Ausgleich von Spitzenbedarfen nicht nur unerlässlich. Vielmehr können Instant Payments zu einer vermehrten Bereitstellung hochliquider, renditearmer Sicherheiten führen. Das wirkt nachteilig auf die Kosten. Eine sich mittelfristig normalisierende Zinslandschaft - diese Annahme ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen - wird die Refinanzierungskosten zudem noch steigen lassen. Dieses Gefüge macht für Kreditinstitute eine Teilnahme an Instant Payments unter Kostengesichtspunkten aus heutiger Sicht unattraktiv. Allerdings haben Kreditinstitute keine Wahl.

Instant Payments sind auf einem gutem Weg, ein Marktstandard von Morgen zu werden. Und das Morgen beginnt schon fast heute. Inzwischen sind nicht nur einige Privatbanken auf den Zug aufgesprungen. Auch die Sparkassen sind dabei. Diese zunehmende Verbreitung ist wichtig. Denn Instant-Payments-Transaktionen funktionieren nur, wenn - ähnlich wie etwa bei Messengern - beide Seiten, hier also das Institut des Zahlers und des Zahlungsempfängers, die Technologie unterstützen. Will eine Bank ihren Kundenstamm halten, wird sie sich der Einführung von Echtzeittransaktionen kaum verschließen können.

Modell Real-Time-Interbankenausgleich

Überlegenswert scheint ein leistungsfähiger Intraday-Geldhandel zwischen den Kreditinstituten, um das Treasury-Instrumentarium grundsätzlich zu erweitern und fit für Instant Payments zu werden. Dieses Model kann unter Aspekten der Risiko- und Ertragssteuerung funktionieren. Das geht, weil die Intraday-Cash-Salden zwischen Banken in der Regel antikorreliert sind. Das bedeutet, dass die Überschüsse und Bedarfe an Liquidität jeweils im Wesentlichen spiegelbildlich verlaufen. Somit ist ein Interbankenausgleich hier theoretisch möglich. Es wäre also durchaus effizient, würden Kreditinstitute mit zum Beispiel unterschiedlichem Kundenfokus diese Antikorrelation ausnutzen und einen gemeinsamen Interbankenmarktplatz für untertägige Liquidität gründen.

Für die Refinanzierung öffnet das Modell mehrere Optionen. So können Institute die vorzuhaltende Barreserve sowie Sicherheitenwerte im Pfanddepot bei der Zentralbank verringern. Die dadurch freiwerdenden Mittel eignen sich für Investments in renditestärkere Anlageformen, theoretisch auch ohne dabei nachteilige Effekte auf die regulatorischen Mindestanforderungen hervorzurufen (Liquiditätsreserven nach Ma-Risk, Liquidity Coverage Ratio). Das wiederum verschafft den beteiligten Banken Kostenvorteile. Diese lassen sich beispielsweise in Form attraktiver Konditionen bei Intraday-Liquiditätslimiten an Bankkunden weiterreichen. Bei einem steigenden Marktzinsniveau erhöht sich zudem der negative Spread zwischen den Refinanzierungskosten sowie den Erlösen aus der Pufferhaltung. Das hebt die Attraktivität dieses Modells gegenüber der Barmittelvorhaltung.

Lohnend trotz hoher Implementierungskosten

Um diese Vorteile zu realisieren, müssen die Akteure die Mittelaufnahme über das Instrument eines Interbanken-Intraday-Geldhandel frei von Sicherheitenstellung ausgestalten. In der Folge sind Bedingungen zu definieren, etwa für die Abwicklungssicherheit und die Transparenz. Daher müssen die beteiligten Institute verbindliche Teilnahmeregeln festlegen. Für die objektive Beurteilung des Kreditvergaberisikos an die jeweiligen Handelspartner dürfte sich die Etablierung einer zentralen Gegenpartei als Prüfinstanz anbieten. Diese checkt fortlaufend und unabhängig, ob die zuvor vereinbarten Mindeststandards für eine verlässliche Zahlungsfähigkeit erfüllt sind. Im Falle eines Zahlungsverzugs könnte dann ein Pfändungsmechanismus die vollständige Tilgung offener Posten gewährleisten.

Als Fazit lässt sich festhalten: Finanzakteure kommen nicht um Instant Payments herum. Prozessuale Nachteile wie zusätzliche Zahlungsunfähigkeitsrisiken und erhöhte Puffer müssen aufgefangen werden. Nur so lassen sich signifikant steigende Kosten verhindern. Dies ist wichtig, gerade auch vor dem Szenario steigender Spreads. Die Vermittlung untertägiger Liquidität durch einen Interbankenhandel stellt hierfür ein alternatives, risikoorientiertes und kosteneffizientes Steuerungsinstrument dar. Zwar sind dabei komplexe Aufgaben zu lösen. Die zu erwartenden Kosteneinsparungen und die verbesserte Steuerung durch die Einführung von hierauf zugeschnittenen Intraday-Geldhandelsinstrumenten werden den Aufwand jedoch langfristig rechtfertigen.

Eine weitergehende Darstellung dieses Themas bietet das Whitepaper "Payment & Liquidity go instant. Antworten der Liquiditätssteuerung auf neue Herausforderungen durch die Reformierung des Zahlungsverkehrs", das Ihnen unter www.ppi.de/wp-goinstant zum kostenfreien Download zur Verfügung steht.

Oliver Schwarz, Managing Director, PPI AG, Hamburg und Dr. Hannu Wichterich, Managing Consultant, PPI AG, Hamburg

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