Visa - ein neuer Anlauf auf den deutschen Debitmarkt

Swantje Benkelberg

Seit jeher war und ist Deutschland ein Debitland - wobei "Debit" fast ausschließlich Girocard bedeutet. Auch die Tatsache, dass die Kreditkarte im Zahlungsmix seit Einführung der Interchange-Regulierung leicht an Marktanteilen gewonnen hat, ändert daran nichts. Das hat die jüngste EHI-Erhebung wieder einmal bestätigt: 30,1 Prozent Girocard-Anteil am Umsatz des stationären Einzelhandels stehen demnach gerade einmal 6,9 Prozent Kreditkartenanteil gegenüber. Für die Debitkarten der internationalen Karten-Schemes sieht es noch düsterer aus: Maestro, Mastercard Debit und V-Pay kamen 2018 zusammen gerade einmal auf einen Umsatzanteil von 1,0 Prozent. Trotz einer leichten Steigerung gegenüber 2017 (0,9 Prozent) ist das aus Sicht von Mastercard und Visa keinesfalls befriedigend.

Über das Co-Badging kaum Marktanteile zu gewinnen

Die geringe Relevanz am PoS erklärt sich vor allem daraus, dass Maestro oder V-Pay auf deutschen Debitkarten üblicherweise die "Zweitmarke" darstellen. Karteninhaber hätten zwar im Zuge der Anwendungswahl am PoS die Möglichkeit, Transaktionen statt über Girocard über Maestro oder V-Pay abzuwickeln. Offenbar sehen sie dafür jedoch in den meisten Fällen keinen Bedarf. Dass vielen Verbrauchern gar nicht wirklich bewusst ist, welche Logos ihre Karte eigentlich trägt, kommt erschwerend hinzu. Über das Co-Badging lassen sich somit (im Inland) kaum Marktanteile gewinnen - die internationale Marke stellt zumeist nur die Einsetzbarkeit der Karte im Ausland sicher. Reine Maestro- oder V-Pay-Karten sind im deutschen Markt allerdings die Ausnahme.

Aus diesem Grund hat Mastercard die Debit Mastercard als eigenständiges Produkt in den Markt gebracht. Die Dominanz der Girocard wird sich auch damit kaum brechen lassen - zumindest nicht, solange die beiden kreditwirtschaftlichen Verbünde an ihr festhalten. Der Blick in die EHI-Statistik zeigt jedoch: Die Debit Mastercard konnte 2018 gemessen am Umsatz des stationären Einzelhandels um 0,13 Prozentpunkte an Marktanteil zulegen und ist damit stärker gewachsen als die Debitkarten der internationalen Schemes insgesamt.

V-Pay wird ersetzt

Wettbewerber Visa hat nun den gleichen Weg eingeschlagen und will im kommenden Jahr mit den ersten Banken Visa Debit in Deutschland einführen. Weltweit, so sagt es Albrecht Kiel, Regional Managing Director für Zentraleuropa, sei Visa mit 2,2 Milliarden Debitkarten der größte Debitkartenanbieter. Daran will man nun auch in Deutschland anschließen.

Es ist im Grunde der dritte Versuch von Visa, im deutschen Debitmarkt Fuß zu fassen. Nachdem man es zunächst mit der Marke Electron versucht hatte, folgte 2006 V-Pay als europäische Debitmarke ohne Magnetstreifen, sondern ausschließlich auf Basis von EMV-Chip und PIN. Auch V-Pay blieb - zumindest in Deutschland - jedoch der große Durchbruch versagt. Nach dem Ende der Selbstständigkeit von Visa Europe entfiel ein weiteres Argument für eine eigenständige europäische Debitmarke.

Deshalb will Visa V-Pay zugunsten von Visa Debit in Abstimmung mit den Emittenten "sinnvoll auslaufen lassen", wie Albrecht Kiel es formuliert. Einen "Big Bang" wird es also nicht geben, sondern vermutlich wird das Auslaufen im Rahmen der normalen Austauschzyklen erfolgen. Die Akzeptanz noch im Markt befindlicher V-Pay-Karten soll dadurch sichergestellt werden, dass überall dort, wo Visa Debit akzeptiert wird, auch V-Pay-Transaktionen funktionieren.

Angesprochen auf den immer noch verschwindend geringen Anteil von Maestro, Mastercard Debit und V-Pay am Umsatz des deutschen Präsenzhandels verweist Kiel auf die eine Schwäche des Girocard-Systems: die fehlende Einsetzbarkeit im Online-Handel. Hier brauchen Online-Shopper, die nicht allein auf Online-Bezahlverfahren setzen wollen, eine Alternative zur Girocard - und die soll die Visa Debitkarte bieten. Natürlich soll Visa Debit nicht als Karte nur für den Online-Einsatz positioniert werden, sondern als Karte, die alles kann: stationär und online, In- und (auch außereuropäisches) Ausland.

Kannibalisierung des Kreditkartengeschäfts?

Dieses Potenzial entfalten kann die Karte freilich nur dann, wenn Emittenten dafür auf die Girocard verzichten. Nach Angaben von Visa gibt es Interesse aus allen kreditwirtschaftlichen Säulen in Deutschland. Die Ablösung der Girocard durch die Visa-Debitkarte (oder auch die von Mastercard) hätte aus Emittentensicht jedoch einen Haken: Eine Debitkarte für alle Einsatzbereiche könnte aus Sicht vieler Kunden die Nutzung einer Kreditkarte überflüssig machen - damit würden Banken und Sparkassen einen Teil ihres Kreditkartengeschäfts kannibalisieren. Auch wenn dieses nach der Interchange-Regulierung nur noch wenig ertragreicher ist als Debitkartentransaktionen, wird das nicht alle Emittenten überzeugen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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