E-Commerce

Vorkasse wird oft falsch eingeschätzt

Bild 16

Es ist ein Trugschluss, dass die Vorkasse das für Online-Händler kostengünstigste Bezahlverfahren ist, so die Autoren. Denn die indirekten Kosten werden oft unterschätzt. Aufholpotenzial sehen Holger Seidenschwarz und Stefan Weinfurtner deshalb sowohl für Giropay als auch für die bei Banken eher unbeliebte Sofortüberweisung. Beide schneiden in puncto Kosten oft besser ab, es mangelt ihnen jedoch noch an Kundenakzeptanz. Red.

Die Umsätze, die im E-Commerce erzielt werden, wachsen seit vielen Jahren mit zweistelligen Raten an und betrugen 2015 bereits netto rund 40 Milliarden Euro.1) Damit beläuft sich der Anteil der auf digitalem Weg erzielten Umsätze mit Waren - bezogen auf die gesamten Einzelhandelsumsätze, die 2015 472,4 Milliarden Euro betrugen - auf rund 8,5 Prozent.2) Diese Umsätze gilt es effizient zu vereinnahmen. Online-Händlern steht dazu eine Vielzahl an unterschiedlichen Zahlungsverfahren für die Einbindung in ihre Shops zur Verfügung. Nicht immer ist es für die Händler aber offenkundig, welche der Verfahren sie einsetzen wollen und sollen. Aus guten Gründen bieten die Händler ihren Kunden üblicherweise nicht nur ein einziges Zahlungsverfahren an, sondern eine Auswahl an Bezahlmöglichkeiten. Denn die Kunden haben Gewohnheiten beim Einkaufen im Internet entwickelt; jeder Kunde hat ein Bezahlverfahren, das er bevorzugt. Wird ihm dieses vom Shop nicht angeboten, bricht er unter Umständen sogar den Einkauf ab.

Kundenakzeptanz, Sicherheit und Kosten im Spannungsfeld

Welches Portfolio Händler nun aber im konkreten Einzelfall anbieten sollen, ist für sie oft nicht unmittelbar ersichtlich. Die Entscheidung darüber stellt daher häufig eine Herausforderung dar. Drei Aspekte müssen bei dieser Entscheidung berücksichtigt werden.

- Erstens ist die Akzeptanz des Zahlungsverfahrens bei den Kunden wichtig.3) Kann ein Kunde nicht mit seinem bevorzugten Verfahren bezahlen, wird er häufig den Shop verlassen und bei der Konkurrenz einkaufen.4)

- Einen zweiten wichtigen Aspekt stellt die Sicherheit der eingehenden Zahlungen dar. Während der Händler bei der Zahlung auf offene Rechnung das volle Ausfallrisiko trägt, hat er bei anderen Verfahren wenig bis gar kein Ausfallrisiko.

- Beim dritten wesentlichen Aspekt handelt es sich schließlich um die Kosten des Bezahlverfahrens.

Zwischen den drei Aspekten Kundenakzeptanz, Sicherheitsgrad und Kosten besteht bei jedem Verfahren ein Spannungsverhältnis. Es gibt derzeit jedoch kein Zahlungsverfahren, das alle drei Anforderungskriterien für die Händler in befriedigendem Ausmaß erfüllt.

Zu den von Händlern am häufigsten angebotenen Verfahren zählen neben der Kreditkarte, Paypal, dem Kauf auf Rechnung und der Lastschrift zwei weitere Arten von Zahlverfahren: einerseits die "klassische" Vorkassezahlung per Überweisung, andererseits Direktüberweisungsverfahren wie Giropay oder Sofortüberweisung.

Vorkasse: Nachteile für Händler und Kunden

Betrachtet man zunächst die bei Händlern sehr beliebte Vorkassezahlung per Überweisung, fällt auf, dass drei Viertel der Händler dieses Zahlungsverfahren anbieten, vorrangig deshalb, weil sie vor Zahlungsausfällen und Warenverlust geschützt sind. Dagegen trägt der Kunde bei dieser Zahlungsform das Risiko, dass die Ware nicht beziehungsweise unvollständig oder fehlerhaft geliefert wird. Nachteilig ist zudem, dass der Händler die Bestellung in der Regel erst dann weiterbearbeiten und versenden wird, wenn die Überweisung des Kunden auf seinem Kontoauszug erscheint. Die Lieferung erfolgt dementsprechend erst einige Tage verspätet.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass viele Kunden davor zurückscheuen, im Internet per Vorkasse zu zahlen und "nur" 30 Prozent der Kunden in den letzten zwölf Monaten damit bezahlt haben. Die Studie "Erfolgsfaktor Payment" zeigt, dass 88 Prozent der Kunden den Kauf abbrechen, wenn ausschließlich die Zahlung per Vorkasse angeboten wird.4) Zudem ist die Zahlung per Vorkasse für die Kunden gegebenenfalls relativ umständlich, da sie hierzu zum Beispiel erst das Online-Banking ihrer Bank aufrufen und die angegebenen Kontodaten des Händlers sowie den Verwendungszweck in das Formular übertragen müssen.

Zu beachten ist außerdem, dass die Vorkasse für den Händler nicht kostenlos ist, sondern ebenso wie bei der Rechnung zum Beispiel für den Abgleich des Zahlungseingangs mit den offenen Posten oder für Rückfragen bei Unstimmigkeiten Kosten anfallen können. Diese Kosten können durchaus mehrere Euro je Bestellung betragen. Die bei Vorkassezahlungen auftretenden Verzögerungen können durch den Einsatz von Direktüberweisungsverfahren wie Giropay oder Sofortüberweisung vermieden werden.5)

Giropay ist ein Zahlungsverfahren, das von Teilen der deutschen Kreditwirtschaft entwickelt wurde und von einer Vielzahl von Online-Banking-Kunden genutzt werden kann. Wenn der Kunde nach Abschluss der Bestellung in einem Online-Shop dieses Zahlungsverfahren wählt, wird er zum Online-Banking seiner Bank weitergeleitet. Der Kunde loggt sich dort mit seinem Benutzernamen und seiner PIN in den geschützten Bereich ein. An schließend wird ihm ein bereits mit den Zahlungsdaten und einem passenden Verwendungszweck vorausgefüllter Überweisungsauftrag bereitgestellt, der zum Beispiel noch mit einer TAN zu bestätigen ist. Das Kreditinstitut übermittelt daraufhin eine Zahlungsgarantie an den Händler und leitet den Kunden zurück in den Web-Shop. Der Händler kann daraufhin sofort die Ware versenden.

Sofortüberweisung als weiteres Direktüberweisungsverfahren arbeitet ähnlich, jedoch verläuft hier die Kommunikation des Kunden ausschließlich mit Sofortüberweisung und dem Händler. Dem Kunden wird hierbei nicht direkt - im Unterschied zu Giropay - die Online-Banking-Website seiner Bank angezeigt.

Für den Händler nicht das kostengünstigste Verfahren

Aufgrund der unterschiedlichen Vorzüge der Vorkassezahlung und den Direktüberweisungsverfahren, die sich trotzdem im Grunde ähneln, hat Ibi Research an der Universität Regensburg im Rahmen einer Online-Befragung von über 1 000 Privatpersonen und Online-Händlern erhoben, wie Konsumenten und Online-Händler diesen Zahlungsverfahren gegenüberstehen.6) Dabei wurde unter anderem ermittelt, was die konkreten Gründe für die Nutzung beziehungsweise. Nicht-Nutzung der Verfahren sind. Die Ergebnisse werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Händler bieten vor allem deshalb die Bezahlung per Vorkasse an, da sie das Zahlungsausfallrisiko ausschließen wollen und Vorkasse grundsätzlich von allen Kunden - auch international - genutzt werden kann. Was dabei allerdings übersehen wird: Der Schutz vor Zahlungsausfall wird teuer erkauft. Denn die Ware wird vom Händler in der Regel erst dann verschickt, wenn der Zahlungseingang vorliegt. Bis dahin muss die Ware reserviert und gelagert werden, was Kosten verursacht. Auch der Abgleich der Zahlungseingänge mit den offenen Posten und die Zuordnung von Zahlung und Bestellvorgang verursachen zusätzliche Kosten. Hat der Kunde beispielsweise bei der Überweisung einen Zahlendreher im Verwendungszweck, wird häufig der automatisierte Abgleich scheitern. Eine manuelle Zuordnung der Zahlung zur offenen Position verursacht aber hohe Prozesskosten. Noch ärgerlicher ist es für den Händler, wenn die Zahlung ganz ausbleibt und die reservierte Ware wieder in den Online-Shop eingestellt werden muss, mit dem Risiko, darauf sitzen zu bleiben.

Die bei den Händlern vielfach verbreitete Annahme, Vorkasse sei das kostengünstigste aller Bezahlverfahren, ist ein Trugschluss. Es werden nämlich häufig die mit der Vorkasse verbundenen indirekten Kosten übersehen. Denn es greift zu kurz, nur auf die direkten Kosten eines Verfahrens abzustellen. Dadurch werden wesentliche Bestandteile der Kosten vernachlässigt und es können falsche Entscheidungen getroffen werden. Das bessere Entscheidungskriterium sind die gesamten den Zahlungsverfahren zuzurechnenden Kosten, also unter Einbezug der vor- und nachgelagerten indirekten Kosten (siehe hierzu5) ).

Von vielen Händlern incentiviert

Auch für den Kunden ist die Bezahlung per Vorkasse vergleichsweise umständlich und aufwendig: Er muss nach dem Kauf selbst seine Online-Banking-Seite öffnen und die Überweisungsdaten manuell eingeben, und die Lieferung wird in der Regel wie beschrieben auch erst nach dem Zahlungseingang beim Händler angestoßen.

Es bleibt die Frage, warum die Vorkasse trotzdem relativ häufig von Online-Käufern genutzt wird. Der Grund ist: Viele Online-Händler bieten auf die Bezahlung per Vorkasse Vergünstigungen an. Das heißt, die Nutzung von alternativen Bezahlverfahren ist mit zusätzlichen Kosten verbunden, was die Zahlung mit Vorkasse für den Kunden zur preiswertesten Zahlungsoption macht, oder es wird vom Händler ein Rabatt bei der Zahlung mit Vorkasse gewährt. Genutzt wird die Zahlung per Vorkasse auch dann, wenn der Händler keine alternativen Verfahren anbietet - allerdings brechen viele Kunden den Einkauf in diesem Fall ab.

Giropay und Sofortüberweisung sind kostengünstiger

Auch Giropay und Sofortüberweisung stellen aus Sicht des Kunden eine Bezahlung vor Lieferung und somit ein Vorkasseverfahren dar. Allerdings bieten diese beiden Direktüberweisungsverfahren sowohl Händlern als auch Kunden einige Vorteile gegenüber der Vorkassezahlung. Deswegen ist es verwunderlich, dass der Kauf auf Vorkasse von drei Viertel der Händler angeboten wird - die Direktüberweisungsverfahren Giropay und Sofortüberweisung aber von deutlich weniger. Denn von den drei wichtigsten Anforderungen an ein Zahlungsverfahren - Kundenakzeptanz, Kosten und Schutz vor Zahlungsausfall - werden vor allem die beiden letzten bei den Direktüberweisungsverfahren sehr gut erfüllt. Wenn man die Kosten betrachtet, schneiden diese oft sogar besser ab als die Vorkassezahlung selbst.5)

Händler sollten daher - um Kosten zu minimieren - auch versuchen, den Anteil von Zahlungsverfahren mit geringeren Gesamtkosten zu erhöhen. Das könnte etwa über die Gewährung von Anreizen gelingen, die Kunden zur Wahl bestimmter, kostengünstiger Zahlungsverfahren bewegen sollen.

Solche Anreize könnten in Form von Rabatten oder Versandkostennachlässen bestehen. Sie sollten deswegen nicht (wie vielfach angewandt und oben beschrieben) auf die Vorkassezahlung gewährt werden, sondern auf die Nutzung von Direktüberweisungsverfahren. Allerdings mangelt es bei Direktüberweisungsverfahren zum Teil noch an der Kundenakzeptanz - obwohl Giropay-Nutzer die Vertrauenswürdigkeit, Sicherheit und die Schnelligkeit der Zahlung per Direktüberweisungsverfahren schätzen. Dies liegt häufig daran, dass Online-Händler diese Verfahren nicht anbieten oder - wie bei Giropay - dass dieses Zahlungsverfahren von manchen Kreditinstituten nicht unterstützt wird. Dies führt dazu, dass der Kunde das Verfahren nicht nutzen kann.

Potenzial für Direktüberweisungsverfahren

Die Befragungsergebnisse zeigen also ein durchaus beträchtliches Potenzial für die Direktüberweisungsverfahren, gegenüber der Vorkassezahlung aufzuholen und ihre Vorteile auszuspielen. Wichtig für Online-Händler ist es aber auch, die Entscheidung über den Einsatz von Zahlungsverfahren nicht auf einen einzigen Aspekt - wie Kosten oder Kundenakzeptanz - zu verkürzen. Andere Faktoren sind ebenfalls entscheidungsrelevant: die Akzeptanz bei den Kunden, der Sicherheitsgrad der Zahlungen oder die internationale Einsetzbarkeit beim Verkauf ins Ausland.

Fußnoten:

1) Bundesverband E-Commerce und Versandhandel: Interaktiver Handel in Deutschland 2015, Berlin 2016. S.133.

2) Handelsverband Deutschland: Der deutsche Einzelhandel. Stand: April 2016, Berlin 2016. S.7.

3) ibi research: Payment-Barometer - Fokusthema: Kontaktloses Bezahlen (April 2015), Regensburg 2015. S.26.

4) ibi research: Erfolgsfaktor Payment. Der Einfluss der Zahlungsverfahren auf Ihren Umsatz, Regensburg 2013.

5) siehe Ibi Research: Gesamtkosten von Zahlungsverfahren - Was kostet das Bezahlen im Internet wirklich? Regensburg 2014.

6) ibi research: Vorkassezahlung im Internet: Quo vadis? Regensburg 2016.

Zu den Autoren

Holger Seidenschwarz, und Stefan Weinfurtner, beide ibi research an der Universität Regensburg GmbH

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X