Digitales Bezahlen

Wearables und Payments: Schöne neue Welt?

Swantje Benkelberg

Wenn Payment-Experten von der Zukunft des Bezahlens sprechen, kommt die Rede unweigerlich auf zweierlei: Das Internet der Dinge (IoT), also die Anbindung von vielerlei elektronischen Geräten von der Kaffeemaschine bis zum Fahrzeug an das Internet sowie die Integration der Bezahlinformation in immer neue Trägermedien anstelle der Karte. Uhren, Armbänder oder andere Gegenstände, die man am Körper trägt - daher der Name "Wearables" -, können so zum Bezahlmedium werden. Während IoT-Anwendungen noch ganz am Anfang stehen, geht es bei wearablebasierten Payments (außerhalb Deutschlands) bereits kräftig voran. Studien prognostizieren enormes Marktwachstum. Es gibt aber auch noch eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen. Und nicht alles, was dem Potenzial zugesprochen wird, dürfte den deutschen Konsumenten überzeugen. Denn mehr noch als bisher wird Sicherheit zum Thema. Red.

Rund 48 Millionen am Körper tragbarer technischer Geräte, sogenannte Wearables, wurden im Jahr 2016 ausgeliefert. Noch sind das zum größten Teil Fitnessarmbänder, die laut IDC im vergangenen Jahr 85 Prozent des Marktes ausmachten. Doch die Prognose geht dahin, dass bereits 2018 die Hälfte aller Verbraucher in Nordamerika, Japan und Westeuropa eine Kombination aus Smartphone und Wearables zum Bezahlen nutzen werden.

Der größte Teil jener Wearables, mit denen derzeit Zahlungen ausgelöst werden können, sind einem White Paper der Smart Payment Association vom Juli dieses Jahres zufolge Smartwatches und Fitness Tracker mit integrierter kontaktloser Bezahlfunktion. Dazu gehören Geräte von Apple und Samsung (mit Apple Pay beziehungsweise Samsung Pay). Und seit Februar ermöglicht der Rollout von Android Wear - dem Smartwatch-Betriebssystem von Google - auch kontaktlose Zahlungen mit Smartwatches mit NFC-Funktionalität.

Erstmals in den neunziger Jahren

Am Markt verfügbar sind wearablebasierte Payment-Anwendungen schon seit den neunziger Jahren. Damals nur etwas für Spezialanwendungen wie etwa das Bezahlen am Skilift - Skidata war damals einer der Vorreiter -, sind sie mit der Entwicklung und Verbreitung der NFC-Technologie für den Massenmarkt tauglich geworden. Die jüngere Historie reicht somit nur wenige Jahre zurück.

Beispielhaft sei die britische Barclays Bank genannt. 2012 hat Barclays ein Produkt namens "bPay" in den Markt gebracht, das es seit 2015 als Armband, Schlüsselanhänger oder Sticker gibt. Im Juli 2016 wurde mit bPay Loop eine Art Chiphalter eingeführt, der einfach über gewöhnliche Uhrenarmbänder oder Fitnessarmbänder gestreift werden kann, um diese paymenttauglich zu machen. Ende Februar 2017 wurde darüber hinaus eine Partnerschaft mit der DCK Group unterzeichnet, die auch die Implementierung der Bezahlfunktion in Schmuckstücke ermöglichen soll. Damals teilte die Bank mit, dass bereits 1,1 Millionen Transaktionen im Gesamtvolumen von 6,6 Millionen britischen Pfund mit bPay getätigt wurden.

Von geschlossenen Systemen zu offenen Anwendungen

Bisher hat, so das Papier der Smart Payment Association, vor allem der Eventsektor die am weitesten verbreiteten Anwendungsgebiete gezeigt - sei es bei Sport- oder Musikveranstaltungen, Messen oder in Themenparks wie Disneyland. Auch Wirecard hat bereits im Oktober 2015 hier die wichtige Anwendungsgebiete gesehen und die genannten noch um Kreuzfahrtschiffe oder auch Skigebiete ergänzt. Typischerweise handelt es sich dabei um geschlossene Systeme, die sich deshalb vergleichsweise leicht umsetzen lassen.

Im Jahr 2015 standen solche "Closed-Loop-Payments" für 82 Prozent aller wearablebasierten Bezahlvorgänge.

Zu diesen geschlossenen Systemen kommt als nächste Stufe der Transportbereich hinzu. Hier erwartet die Smart Payments Association bis 2020 einen Anstieg der Wearables, mit denen im Vorbeigehen bezahlt werden kann, vom 3,5 Millionen 2015 auf dann 122,6 Millionen.

Aber selbst über solche "Spezialanwendungen" ist der Markt im Grunde längst heraus. Mittlerweile geht der Trend in Richtung offener Anwendungen, die in den unterschiedlichsten Umgebungen ohne Einschränkungen genutzt werden können. Bis 2020 sollen 72 Prozent der ausgelieferten Wearables für solche offenen Anwendungen geeignet sein. Noch steckt der Markt zwar in den Kinderschuhen. Doch das kontaktlose Bezahlen per Karte gilt als Wegbereiter.

Erwartungen nicht zu hoch ansetzen

In dem Papier wird sogar die Erwartung ausgesprochen, dass Wearables das Zeug dazu haben, Bargeld im Kleinbetragsbereich zu ersetzen. Das ist zumindest auf Deutschland übertragen sicher ein wenig zu euphorisch. Und doch gibt es Zielgruppen, die sich begeistern lassen werden.

Tendenziell dürfte das vermutlich eher Jüngere sein, da sie meist weniger Berührungsängste mit technischen Innovationen haben. Als Szenarien, die sich eher an jüngere Zielgruppen richten, werden zum Beispiel der Sport oder der Besuch von Festivals genannt - wenn man am liebsten nichts mitnehmen möchte, was lästig ist oder gestohlen werden könnte, aber dennoch nicht ohne Bezahlmöglichkeit dastehen will.

Überzeugende Argumente lassen sich sicher auch für Senioren finden - ein Armband etwa wird sicher weniger leicht gestohlen als die Handtasche. Zumindest in Deutschland sind die Älteren aber meist überzeugte Barzahler, sodass Marktteilnehmer davon ausgehen, dass hier am meisten Überzeugungsarbeit geleistet werden müsste, um sie vom Bargeld zum Bezahlarmband zu bringen.

Für den Erfolg im Massemmarkt gibt es darüber hinaus eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen.

Schnittstellen und Infrastuktur schaffen

Zum einen gilt es die Systeme für potenzielle Partner zu öffnen, um die nötigen Schnittstellen für offene Anwendungen zur Verfügung zu stellen. Hier sind Mastercard und Visa schon vergleichsweise weit (siehe auch Beitrag Kiel auf Seite 13).

Herausforderung Nummer zwei ist die Akzeptanzinfastruktur in Form kontaktloser EMV-Terminals. Auch dieses Problem sollte nicht unüberwindlich sein, hier ist auch Deutschland auf einem guten Weg.

Auch das Gebot der starken Kundenauthentifizierung in der EU dürfte die Wearables wohl nicht ausbremsen. Überwiegend dürfte das "Bezahlen im Vorbeigehen" mit Bezahluhr, Ring oder Schlüsselanhänger vermutlich ohnehin im Bereich kleinerer Beträge zum Einsatz kommen und damit unter der Grenze von 30 Euro bleiben, die wohl auch künftig ohne PIN-Eingabe oder Authentifikation etwa per Fingerabdruck auskommt.

Sichere Personalisierung der Trägermedien

Schwieriger wird es schon bei der Frage, wie die Bezahlinformationen auf sichere Art und Weise in das jeweilige Trägermedium gebracht werden können - bei der Herstellung, beim Vertrieb, am PoS oder über eine App, die das Wearable über NFC oder Buetooth via Download personalisiert.

Vermutlich werden gerade deutsche Nutzer auch an dieser Stelle die Frage nach der Sicherheit besonders nachdrücklich stellen. Das aber könnte eine Chance für die Kreditwirtschaft sein auch in einem wachsenden Angebot, ihre eigenen Lösungen zu platzieren und auch als Mehrwert zu bepreisen: Einem Bezahlarmband etwa, das von der eigenen Bank oder Sparkasse kommt, wird zumindest der deutsche Kunde vermutlich am ehesten vertrauen, auch wenn andere Angebot möglicherweise günstiger sind. Das allerdings setzt einmal mehr voraus, dass die Kreditwirtschaft schnell mit entsprechenden Angeboten am Markt ist und nicht wartet, bis neue Marktteilnehmer ihr zuvorkommen. Im europäischen Ausland gibt es dafür bereits gute Beispiele, und zwar nicht nur in Großbritannien, so etwa bei den österreichischen Sparkassen. Die deutsche Kreditwirtschaft könnte hier noch etwas mehr Gas geben.

Besonders kompliziert wird die Frage der Personalisierung freilich dann, wenn Verbraucher mehr als eine Karte mit dem jeweiligen Trägermedium verbinden wollen. Je nach Art des Trägermediums stellt sich dann zudem die Frage, wie die Nutzer bei jedem Bezahlvorgang ihre Wahl zwischen den hinterlegten Bezahlinformationen treffen können. Die Anwendungsauswahl am PoS ist schließlich gesetzlich vorgeschrieben.

Der letztgenannte Punkt mag heute noch als Zukunftsmusik zu erscheinen. In dem Maße, in dem sich Verbraucher jedoch daran gewöhnen, dass bargeldloses Bezahlen nicht nur per Karte, sondern ebenso gut per Smartphone, Armband oder Ring erfolgen kann, werden auch in dieser Hinsicht über kurz oder lang die Erwartungen steigen. Der Vorteil für Deutschland: Da die Verbraucher hierzulande typischerweise "late Adopter" sind, kann man an dieser Stelle vermutlich einiges von anderen Märkten lernen.

Regularien weiterentwickeln und neue Standards schaffen

An der Entwicklung neuer Standards und Regularien wird bei einer wachsenden Anzahl von Beteiligten vermutlich ohnehin kein Weg vorbeiführen. Und auch die Frage nach dem Datenschutz wird bei immer offeneren Systemen verstärkt aufs Tapet kommen.

Als mögliches "Killer Feature" sieht die SPA-Studie dauerhafte digitale Identitäten, die die Funktionen von Führerschein, Haus- und Fahrzeugschlüssel und Debit- oder Kreditkarte in einem einzigen Gerät oder Gegenstand vereinen, der am Körper getragen werden kann. Als Vorbild wird das "Magic Band" der Disneyworld genannt, mit dem Besucher Fahrgeschäfte nutzen, für Essen und Getränke bezahlen oder ihr Hotelzimmer betreten können. Bescheidener kennt der deutsche Konsument Ähnliches vielleicht aus dem Schwimmbad, wo der ins Armband integrierte Chip gleichermaßen die Zugangsschranke und den Spint öffnet sowie das Bezahlen am Kiosk im Bad ermöglicht - nur dass hier anschließend noch alles, was über den Eintrittspreis hinausgeht, an der Kasse abgerechnet werden muss.

Schwachstelle Sicherheit

Das alles birgt freilich auch wachsende Sicherheitsrisiken.

- Das reicht von der grundsätzlichen Datenschutzfrage bis hin zu der Erstellung umfänglicher Kundenprofile - dem Schreckgespenst aller Datenschützer.

- Für Cyberkriminelle tun sich mit dieser Entwicklung ganz neue Welten auf - vor allem, wenn gleichzeitig das "Internet der Dinge" im Sinne der Anbindung einer unabsehbaren Vielfalt elektronischer Geräte an das Internet und damit auch immer neuen Bezahlszenarien auftut.

- Und nicht zuletzt könnten auch die Träger der "Universalmedien", die so viele Funktionen in sich vereinen, in Gefahr geraten, warnt das SPA-Papier sicher nicht zu Unrecht. Die wenigsten Kriminellen attackieren einen Menschen, um ihm eine bloße Debit- oder Kreditkarte zu entwenden. Wenn ein Armband aber gleichzeitig das Haus öffnet und das Auto startet, dann könnte die Versuchung schon eine ganz andere sein

Solche Risiken zu minimieren, setzt dann wieder noch ausgeklügeltere Sicherheitsmechanismen voraus, die dafür sorgen, dass ein Krimineller allein mit dem Trägermedium gar nichts anfangen kann - ganz gleich wie viele Funktionen darauf vereint sind. Die schöne, neue "Wearables-Welt" wirft also heute noch sehr viele Fragen auf. Da ist es sicher nicht verkehrt, erst einmal ganz klein anzufangen. Die digitale Girocard in einem Schlüsselanhänger oder Armband könnte so ein Anfang sein.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag

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