BEZAHLSTRATEGIEN

"Wir brauchen eine Incentivierung des bargeldlosen Bezahlens" Interview mit Kevin Hackl

Kevin Hackl, Foto: Bitkom

Wenn der Bitkom für Verbraucher ein Recht auf bargeldloses Bezahlen fordert, meint er damit keine Verpflichtung des Handels zur Kartenakzeptanz, sagt Kevin Hackl. Vielmehr erhofft sich der Digitalverband von der Politik eine Incentivierung des digitalen Bezahlens. Generell sollten bei der staatlich gewollten Förderung der Digitalisierung innovative Bezahllösungen mitgedacht werden. Dazu zählt Hackl auch den digitalen Euro. Eine weitere Deckelung der Interchange ist aus Bitkom-Sicht übrigens kein Weg, das digitale Bezahlen zu fördern. Red.

Vor der Bundestagswahl hat sich der Bitkom mit Umfrageergebnissen noch einmal mit der Forderung nach einem Recht auf bargeldloses Bezahlen positioniert. Heißt das, das Bargeld sollte als gesetzliches Zahlungsmittel fallen?

Nein. Viele Menschen zahlen noch immer gern in bar und das Bargeld hat in manchen Bereichen immer noch seine Berechtigung, etwa um Kindern etwas zuzustecken, Bedürftige wie Obdachlose unkompliziert zu unterstützen oder Trinkgeld zu geben, bei dem man sicher ist, dass es auch tatsächlich beim Kellner oder bei der Kellnerin ankommt.

Bitkom setzt sich nicht für die Abschaffung des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel ein, sondern für echte Wahlfreiheit beim Bezahlen: Der Verbraucher soll jeweils so bezahlen können, wie er es gerade möchte. Und das ist eben immer häufiger bargeldlos. Da sprechen die Zahlen klar für sich. So ärgern sich drei Viertel aller Bürger, nicht überall digital bezahlen zu können.

Durch Corona hat das bargeldlose Bezahlen enorm zugenommen. Erstmals hat sogar der Handel aktiv dafür geworben. Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass der Markt sich in die richtige Richtung bewegt?

Es stimmt, dass viele Händler auf die steigende Nachfrage nach bargeldlosen Bezahlmöglichkeiten reagiert haben. Aber es gibt immer noch viele Bereiche, in denen Bargeld die einzige Bezahloption ist. Ein Beispiel sind Bäckereien, die immer wieder gern als Beispiel angeführt werden, die sich für das kontaktlose Bezahlen geöffnet haben. Ja, es gibt die Bäckerei, in der die Brötchen kontaktlos bezahlt werden können. Aber in der Breite ist das noch längst nicht überall der Fall. Hier gibt es noch enorm viel Nachholbedarf, denn im internationalen Vergleich hinkt Deutschland hinterher.

Wird das nicht der Markt richten - nach dem Motto: Der Kunde will es, der Handel bietet es an?

Nein, das glaube ich eher nicht. Dafür sind die Lücken im Netz des bargeldlosen Bezahlens einfach noch zu groß. Mag sein, dass wir auf diesem Weg irgendwann tatsächlich zu echter Wahlfreiheit beim Bezahlen kommen. Aber das dauert viele zu lange.

Muss also die Karte als gesetzliches Zahlungsmittel neben das Bargeld treten oder müssen Handel und Dienstleister anderweitig zur Kartenakzeptanz verpflichtet werden?

Uns geht es um die verpflichtende Akzeptanz mindestens einer europaweit nutzbaren Bezahloption, um echte Wahlfreiheit für Verbraucher und internationale Gäste zu schaffen. Die Frage nach dem gesetzlichen Zahlungsmittel ist hier nicht zentral: Giralgeld beispielsweise ist ja auch "nur" eine Forderung gegenüber meiner Bank aber kein gesetzliches Zahlungsmittel.

Was genau erhoffen Sie sich hier von der neuen Bundesregierung?

Wenn es das politische Ziel ist, die Digitalisierung zu fördern, dann müssen innovative, digitale Bezahllösungen stets mitgedacht werden. Denn sie ermöglichen die weitere Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen, Stichwort: Shared Economy oder machine-to-machine payments.

Mit der Wahlfreiheit beim Bezahlen muss hierfür die Basis geschaffen werden, und zwar durch Incentivierung zum Beispiel in Form von Zuschüssen bei der Anschaffung von Terminals oder mit Steuerfreibeträgen, ähnlich, wie der Staat zum Beispiel den Einbau von Solaranlagen auf dem Dach oder den Kauf von Elektrofahrzeugen unterstützt, um die Entwicklung voranzutreiben.

Eines ist gewiss: Am Ende des Tages werden wir nicht mit Bargeld die technologischen Herausforderungen dieser Zeit lösen. Innovative Bezahllösungen jedoch werden eine wesentliche Rolle spielen. Dies gilt es anzuerkennen, indem die Regierung die richtigen Schritte und Signale setzt. Neben der verpflichtenden Akzeptanz von digitalen Bezahllösungen zählt hierzu unter anderem auch die Unterstützung bei der Erarbeitung und hoffentlich Einführung eines Digitalen Euros der EZB.

Wie realistisch ist eine Förderung des digitalen Bezahlens in Zeiten Corona-bedingt leerer öffentlicher Kassen?

Es mag auf den ersten Blick so scheinen, als würden solche Investitionen Kosten verursachen. Das ist allerdings etwas kurzfristig gedacht. Denn letztlich hat mehr bargeldloser Zahlungsverkehr für den Staat auch echte finanzielle Vorteile, weil durch die Transparenz der Zahlungsprozesse die Steuerhinterziehung sehr viel schwerer wird und der Schattenwirtschaft erfolgreich entgegengearbeitet würde.

Das bedeutet: Erst einmal müssen die Mittel für die Incentivierung aufgebracht werden. Die Kosten kommen allerdings auf dem Wege der Steuer wieder herein und werden langfristig überkompensiert. Alle Beteiligten würden also profitieren. Dafür braucht es ein stärkeres politisches Bewusstsein.

Plädieren Sie auch für eine weitergehende Interchange-Deckelung, um die Kartenakzeptanz noch attraktiver für Händler zu machen?

Diese Frage kann mit einem klaren "Nein" beantwortet werden: Im globalen Vergleich sind die Akzeptanzkosten innerhalb Europas in Summe relativ gering. Gebührendeckelung sind nur ein Faktor unter vielen, welche die Akzeptanz vorantreiben kann - die Covid-19-Pandemie unterstreicht dies.

Dem gegenüber stehen wichtige Investitionen in Sicherheit, Infrastruktur und Innovationskraft des digitalen Zahlungsverkehrs, die essenziell sind, um europäische Player nachhaltig zu Konkurrenzfähigkeit zu halten. Davon profitiert am Ende nicht zuletzt der Handel sowie seine Kunden. Insgesamt sollte man im Sinne einer ganzheitlichen Diskussion nicht vergessen, dass auch das Bargeldmanagement Kosten verursacht.

Unserer Ansicht nach sollte es also in keinem Fall zu einer weiteren Deckelung von Interbankenentgelten kommen, um den Innovations- und Sicherheitsgrad des europäischen Zahlungsverkehrs nicht ungewollt zu gefährden.

Am 17. September hat der Bundesrat dem Regierungsvorschlag zur geänderten Ladesäulenverordnung zugestimmt, wonach künftig alle neuen E-Ladesäulen mit Kartenlesern ausgestattet werden müssen. Geht das aus Ihrer Sicht in die richtige Richtung? Oder stimmen Sie Kritikern zu, die den Einbau von Kartenlesern als Investition in eine veraltete Technik bezeichnen?

Die Girocard ist das in Deutschland meistgenutzte bargeldlose Bezahlverfahren. Aus Konsumentensicht scheint es daher sinnvoll, den Einsatz eben dieser Karte auch beim Laden von Elektrofahrzeugen zu akzeptieren. Zeitgleich werden auch andere Bezahlmöglichkeiten, wie mobiles Bezahlen mit dem Smartphone möglichgemacht. Am Ende steht hier für uns Transparenz und ein Level-Playing-Field unter den Marktteilnehmern im Zentrum solcher Entscheidungen.

Kevin Hackl , Referent Digital Banking & Financial Services , Bitkom e. V., Berlin

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