IM GESPRÄCH

"Die Corona-Krise ist ein Katalysator für das digitale Bezahlen" / Interview mit Volker Koppe

Volker Koppe, Foto: Visa

Bargeldloses und vor allem kontaktloses Bezahlen ist während der Corona-Pandemie im Aufwind. Und das gilt auch für das mobile Bezahlen, bei dem der Kunde die Transaktion ausschließlich mit seinem eigenen Gerät abwickelt, so Volker Koppe. Das sich das Limit für kontaktlose Transaktionen ohne PIN-Eingabe europaweit auf 50 Euro einpendelt und einpendeln kann, ist nicht zuletzt den europäischen Regulierern zu verdanken. Auch kontaktlose Geldautomaten sieht Koppe im Kommen. Dort geht es allerdings nicht ohne PIN. Red.

In der Corona-Krise fordert der Handel Kunden flächendeckend dazu auf, nach Möglichkeit bargeldlos und am besten kontaktlos zu bezahlen. Wie hat sich das auf Transaktionszahlen insgesamt, vor allem aber bei den kontaktlosen Transaktionen ausgewirkt?

Die derzeitige Änderung des Bezahlverhaltens in Deutschland wird ohne Zweifel sehr stark von den Händlern getrieben, die ihre Kunden im Einklang mit der Empfehlung der WHO in der Breite bitten, an der Kasse kontaktlos oder mobil zu bezahlen.

Wir beobachten, dass viele Konsumenten diesem Wunsch entsprechen und ihr Bezahlverhalten umgestellt haben. Der praktische Nutzen von bargeldlosen Bezahlangeboten wird für viele Menschen jetzt erst richtig deutlich.

Viele Kunden zahlen jetzt bargeldlos, weil die Angst vor der Krankheit größer ist als die vor Kartenbetrug oder die Angst, durch bargeldloses Bezahlen den Überblick über die eigenen Finanzen zu verlieren. Hat die Corona-Krise dennoch das Zeug dazu, den Trend weg vom Bargeld auch nach der Krise zu beschleunigen? Wird sich der Wandel im Bezahlverhalten, der sich jetzt abzeichnet, auch danach verstetigen?

Die momentane Situation ist ein Katalysator für das digitale Bezahlverhalten der Deutschen: Viele Leute, die vorher augenscheinlich kein großes Interesse an bargeldlosem Bezahlen hatten, nutzen jetzt erstmalig ihre kontaktlose Karte oder ihr Smartphone an der Kasse. Das wird bei vielen von ihnen eine Verhaltensänderung auslösen: Digitale Bezahlangebote werden deshalb auch in Zukunft von immer mehr Menschen in Deutschland genutzt werden. Eine neue Studie der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman verdeutlicht diese Entwicklung noch einmal: Bis 2025 sollen demnach sogar nur noch rund 32 Prozent der Bezahlungen hierzulande in bar erfolgen.

Auch unser "Visa Mobile Payment Monitor" aus dem letzten Jahr hat gezeigt: Wer einmal mobiles Bezahlen ausprobiert hat, bleibt meist dabei. Vier von fünf Mobile-Payment-Nutzern (79 Prozent) haben darin angegeben, dass sie auf das Bezahlen per Smartphone, Smartwatch oder Wearable nicht mehr verzichten wollen.

Die gleiche Entwicklung werden wir auch beim kontaktlosen Bezahlen mit Kredit- oder Debitkarte beobachten können. Denn immer mehr Menschen werden die Vorteile des digitalen Bezahlen aktuell aufgezeigt - beispielsweise wie schnell sie so bezahlen können, dass sie die Karte oder das Smartphone nicht aus der Hand geben müssen und sie alle Umsätze übersichtlich auf ihrem Konto nachverfolgen können. Auch diesen Mehrwert bestätigen in unserem Monitor 41 Prozent der Mobilzahler: Sie sagen, dass sich ihr Überblick über ihre Finanzen verbessert hat - seit sie per Smartphone oder Smartwatch bezahlen.

Im Zuge des Trends zum kontaktlosen Bezahlen zeichnet sich ein einheitliches Limit von 50 Euro für Transaktionen ohne PIN-Eingabe ab. Wird diese einheitliche Obergrenze das kontaktlose Bezahlen noch weiter voranbringen?

In Deutschland war Visa ein Vorreiter: Bereits seit 2017 können kontaktlose Visa Transaktionen hier bis 50 Euro ohne PIN oder Unterschrift abgewickelt werden. Die Banken entscheiden allerdings selbst, ob das Limit bei 25 oder 50 Euro liegen soll.

Derzeit sind über 20 weitere Länder in Europa dabei uns zu folgen und das Limit für kontaktloses Bezahlen mit Visa anzuheben - oder haben dies schon getan. Das begrüßen wir sehr, denn so können noch mehr Verbraucher einfach mit ihrer Karte oder ihrem Smartphone für ihre Einkäufe bezahlen - ohne die Eingabe der PIN. Diese Änderungen können zweifelsohne dazu führen, dass immer mehr Konsumenten nicht nur kleine Beträge, sondern auch ihre Wochen- oder Tageseinkäufe kontaktlos bezahlen werden.

Wo sehen Sie mittelfristig das Limit für Tap-and-go-Transaktionen - bei den jetzigen 50 Euro oder eher noch höher?

Wichtig hierbei ist: Die Umsetzung von Änderungen des Kontaktlos-Limits erfordert die Zusammenarbeit des gesamten Payment-Ökosystems - das heißt von Banken, Händlern, Partnern und Visa. Das Kontaktlos-Limit wird je nach Land unterschiedlich gestaltet: Gerade hat beispielweise die Schweiz bekannt gegeben, das Limit temporär auf 80 Franken zu erhöhen.

Technisch gibt es bei der Erhöhung kein Limit, aber es wird immer eine gemeinsame Marktentscheidung unter Beachtung der Vorgaben der PSD2 bleiben müssen. Wir freuen uns über das schnelle Handeln der nationalen Regierungen in Europa und unserer Industrie, die diese Anpassungen möglich machen. Und wir sind den Finanzinstituten und Partnern für die Umsetzung der erforderlichen technischen Änderungen sehr dankbar.

Wann wird Ihrer Einschätzung nach das kontaktlose Bezahlen das mit Einstecken der Karte bei Transaktionszahlen und Transaktionsvolumina überholt haben? Und wann werden kontaktlose Geldautomaten Standard sein?

Die kontaktlosen Transaktionen in Deutschland haben im Jahresvergleich zwischen 2018 und 2019 120-mal schneller zugenommen als die herkömmlichen, und auch in Deutschland findet die Mehrzahl der Visa-Transaktionen im Handel kontaktlos statt.

Es werden immer mehr Geldautomaten dafür vorbereitet, kontaktlose Abhebungen zu unterstützen - sie sind aber in Deutschland noch nicht live. Das wird kommen - allerdings ist der Schnelligkeitsfaktor nicht ganz so hoch wie beim kontaktlosen Bezahlen an der Ladenkasse, da am Geldautomaten immer die PIN eingegeben werden muss. Es hilft aber dabei, die Kontaktlos-Akzeptanz insgesamt weiter zu erhöhen.

Volker Koppe, Head of Digital, Central Europe, Visa Europe Management Services Limited, Frankfurt am Main

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