Bargeldtransfer

"Es geht heute nicht mehr nur um die Schnelligkeit des Geldversandes" - Ewald Judt im Gespräch mit Hikmet Ersek

Hikmet Ersek

1851 als Telegrafengesellschaft gegründet, bietet Western Union einen raschen Geldtransfer von nahezu allen Ländern in nahezu alle Länder an. In diesem Marktsegment ist das Unternehmen Marktführer. Dabei sieht es sich eher als Kooperationspartner denn als Wettbewerber von Banken. Wichtigste Kundengruppe sind Migranten - Grund genug für Hikmet Ersek, die weiteren Wachstumsperspektiven positiv einzuschätzen. Zunehmend werden die Dienstleistungen aber auch von Hilfsorganisationen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen genutzt. Red.

Western Union ist heute der weltweit größte Anbieter von Bargeldtransfers. Oder? Wer sind die größten Mitbewerber?

Western Union ist einer der führenden Anbieter im internationalen Geld- und Zahlungsverkehr. Der Markt an sich ist sehr divers: Es gibt einige wenige globale Mitbewerber, viele Nischenplayer sowie eine zunehmende Zahl neuer Teilnehmer, die in den Markt drängen.

Wie viele Kunden wickeln Bargeldtransfers über Western Union ab? Wie viele Transaktionen sind das pro Jahr?

Western Union wickelt 30 Transaktionen pro Sekunde ab. Das entspricht pro Jahr 262 Millionen Transaktionen zwischen Konsumenten, die sich auf ein gesamtes transferiertes Bargeldvolumen von 82 Milliarden US-Dollar belaufen. Außerdem werden jährlich rund 508 Millionen im B2B- und B2C-Bereich abgewickelt.

Ist Western Union eher Wettbewerber oder Kooperationspartner von Banken?

Western Union ist spezialisiert auf den internationalen, sprich grenzüberschreitenden, Geldtransfer. Rückgrat war und ist das globale Netzwerk mit über 500000 Vertriebsstandorten in 200 Ländern, ergänzt um 100 000 Bankomaten und Kioske sowie der Möglichkeit, Transfers direkt von und auf eine Milliarde Bankkonten weltweit oder eine Mobile Wallet vorzunehmen. Dieses Angebot unterstützt Banken dabei, ihren Kunden einen besseren internationalen Service anzubieten. Wir verstehen uns als Anbieter eines komplementären Services zum klassischen Kerngeschäft von Banken und vertrauen auf diese als starke Partner in der Bereitstellung des Services.

Einer der ersten Western Union-Werbeslogans lautete "The fastest way to send money worldwide." Ist Western Union auch heute noch der Anbieter des schnellsten Bargeldtransfers?

Es geht heute nicht mehr nur um die Schnelligkeit des Geldversandes, sondern auch darum, den Kunden Wahlmöglichkeiten zu bieten, wie sie Geld senden und empfangen möchten: in bar an einem von 500 000 Vertriebsstandorten, von und auf eine Milliarde Bankkonten, online, via Mobiltelefon/Mobile Wallet oder zum Beispiel auf der Plattform eines sozialen Netzwerkes. Je nach gewähltem Produkt kann der Empfänger weltweit meistens innerhalb von Minuten über den Betrag verfügen.

Wer kommt als Western-Union-Agentur infrage? Wie viele Agenturen gibt es?

Etwa 9 000 der weltweit über 500 000 Vertriebsstellen befinden sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Partner sind Banken, Postorganisationen, Handelsketten und auch kleinere Geschäfte wie zum Beispiel der kleine Lebensmittelhändler an der Ecke. Viele Vertriebsstellen befinden sich in den entlegensten Regionen der Welt, wo es sonst kaum Infrastruktur und ein teils schlecht ausgebautes Bankennetz gibt - das ist besonders für die Empfänger von Geldtransfers relevant. Fast alle Vertriebsstandorte können Geldtransaktionen initiieren als auch ausbezahlen.

Insbesondere Migranten transferieren via Western Union Bargeld an ihre Angehörigen in den Herkunftsländern. Welchen Anteil machen diese Migranten-Bargeldtransfers aus? Welche anderen Kundengruppen nutzen am häufigsten den Bargeldtransferservice?

Migranten sind eine Kernkundengruppe. Sie ziehen in fremde Länder, um Arbeit zu finden und ihren Familien daheim mit diesem Einkommen ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber nicht nur Migranten nutzen Western Union. Der Bedarf nach sicherem, schnellen und internationalen Geldtransfer in mehr als 130 Währungen war nie größer als in der heutigen globalisierten Welt.

Zu den Kunden zählen ebenso Expatriates oder KMUs, die ihre Finanzen grenzüberschreitend managen müssen, wie auch internationale Konzerne, die maßgeschneiderte Lösungen zur Abwicklung ihres internationalen Zahlungsverkehrs und die Expertise im Fremdwährungsmanagement nutzen. Auch Non-Profit-Organisationen sind Kunden von Western Union. 2012 wurde zum Beispiel NGO Global-Pay, ein Produkt maßgeschneidert für deren Zwecke, entwickelt. In den letzten beiden Jahren wurde dieses Produkt von mehr als 700 Organisationen zum Transfer von 2,3 Milliarden US-Dollar in Krisengebiete in die entlegensten Winkeln der Welt genutzt.

Welche Maßnahmen werden getroffen, um Missbrauch beim Bargeldtransfer vorzubeugen?

Mit Geschäftstätigkeit in mehr als 200 Ländern agiert Western Union in einem hoch komplexen gesetzlichen Umfeld von strengen Regulierungen der Finanztransaktionen im Allgemeinen bis zu länderspezifischen Bestimmungen zu Datenschutz oder Geldwäsche. Nur wenige Unternehmen haben dieses globale Knowhow - Western Union hat es zu einer seiner Kernkompetenzen gemacht. Fast 25 Prozent der Mitarbeiter sind im Anti-Money-Laundering-Bereich tätig. Kontinuierlich wird in Compliance-Technologie und -Prozesse investiert, um sogenanntes "Bad Money" zu identifizieren und nicht in den Systemen abzuwickeln. Für die Kunden heißt das in manchen Fällen (zum Beispiel, wenn gewisse Geldbetragsschwellen erreicht werden), zusätzliche Fragen zu beantworten oder entsprechende Dokumentation zur Verfügung zu stellen. Es ist wichtig den Kunden zu vermitteln, dass dies primär ihrem eigenen Schutz dient.

Der Bargeldtransfer ist auch online möglich. Wie unterscheidet sich das von der Abwicklung über die Agentur?

Die Nutzung des Online-Services www.wu.com ist derzeit in 35 Ländern möglich und wird stetig weiter ausgebaut. Der Kunde legt online ein Profil an, gibt Name und Adresse des Empfängers an und wählt das gewünschte Geldtransfer-Produkt sowie das bevorzugte Zahlungsmittel aus. Abschließend erhält er eine E-Mail zur Bestätigung sowie die Transaktionsnummer (MTCN). Letztere teilt der Kunde dem Empfänger mit, der diese für die Behebung des Geldbetrages benötigt.

Der Preis für den Bargeldtransfer steht in der Kritik. Wie hoch ist das Entgelt, das für einen Geldtransfer zu zahlen ist und wovon hängt es ab?

Bedenkt man die Komplexität der Produkte und die starken Mitbewerber am Markt, so bieten wir den Kunden einen fairen Preis an. Der jeweilige Preis eines Geldtransfers hängt im Wesentlichen von den Präferenzen des Kunden - dem gewählten Produkt und der gewünschten Auszahlungswährung - sowie der Destination des Transfers ab. Er setzt sich aus einer Transaktionsgebühr sowie dem Spread (Differenz zwischen dem Umrechnungskurs, der dem Kunden gewährt wird und dem Umrechnungskurs, den Western Union selbst erhält) zusammen.

Dieser Spread wird oft als versteckter Preis gesehen, da er den vom Empfänger zu erhaltenden Betrag reduziert ...

Es ist immer transparent, welcher Wechselkurs im Zug der Transaktion zur Anwendung kommt. Kunden können den Auszahlungskurs in den Vertriebsstellen oder über den Online-Gebührenrechner in Erfahrung bringen. Überdies wird der Sender im Zuge der Transaktion gleich informiert, welcher exakte Betrag dem Empfänger ausbezahlt wird, und der Auszahlungskurs wird auf der Transaktionsbestätigung angedruckt.

Ein weiteres Geldtransferprodukt bietet Western Union in einigen Ländern an, in denen M-Payments bereits weit verbreitet sind. Welche Länder sind das und wie funktioniert es?

Western Union bietet Geldtransfers von und zu Mobiltelefonen via Apps und Mobile Wallets an. Auch diese Geldtransfers können klassisch über das Vertriebsnetz oder über die Website initiiert werden. Der Empfänger erhält den Überweisungsbetrag Minuten später, gebührenfrei in seiner Mobile Wallet. Die Kernmärkte für diesen Service sind mehrheitlich in Afrika (zum Beispiel Nigeria und Kenia), aber auch vereinzelt in Asien (Philippinen) oder Mittelamerika (El Salvador). Dazu bestehen Verträge mit lokalen Telekommunikationsanbietern. In den USA und in Großbritannien können Kunden darüber hinaus bereits die mobile Western-Union- App nutzen. Mit ihr lassen sich Geldtransfers initiieren oder Rechnungen zum Beispiel mit Energieversorgern begleichen. Die App wird weiter ausgerollt und demnächst auch in Zielmärkten in Europa verfügbar sein.

Welche anderen Dienstleistungen sind noch im Produktportfolio?

Abgesehen von internationalem Geldtransfer für Konsumenten und Unternehmen umfasst die Angebotspalette maßgeschneiderte Lösungen für verschiedene Branchen. Sie ermöglichen Bildungseinrichtungen, einfach und kostengünstig die grenzüberschreitende Einhebung von Studiengebühren, NGOs nutzen das NGO-Global-Pay-Produkt, um Hilfsgelder schnell in Krisengebiete zu transferieren, und auch Gehaltszahlungen von Konzernen an ihre internationalen Mitarbeiter werden durchgeführt. Unternehmen, die die Dienstleistungen für ihre internationalen Geldtransaktionen nutzen, haben darüber hinaus Zugriff auf Beratung durch Währungsmanagement-Experten.

Welche Produktinnovationen haben Sie in der Pipeline?

Wir sind ständig am Ausbau unseres Produktportfolios. Anfang Februar wurde zum Beispiel eine Kooperation mit einem großen Mobile-Messaging-Dienstleister - Viber - vereinbart. Diese Kooperation wird es den 664 Millionen Viber-Nutzern noch 2016 ermöglichen, weltweit Geld zu versenden, ohne die Messaging-App zu verlassen. Im Hintergrund wickelt die globale Plattform von Western Union diese Transaktionen ab.

Wie lange sehen Sie noch Wachstum? Wovon hängt dieses ab?

Die fortschreitende Globalisierung bleibt auch in den nächsten Jahren noch ein treibender Faktor für Migration. Die Weltbank prognostiziert bis 2018 ein jährliches Wachstum von rund 4 Prozent bei globalen Geldüberweisungen. Neue Migrationsmuster werden neue Kundensegmente entstehen lassen, wie zum Beispiel gut ausgebildete Fachkräfte aus China, Indien oder auch der EU, die wirtschaftlichen Chancen ins Ausland folgen.

Eine andere Form des Wachstums wird von kleinen und mittelgroßen Unternehmen kommen, die ihre Produkte und Leistungen zunehmend international beschaffen und absetzen. Sie alle haben gemein den Bedarf nach sicherem, schnellem und grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, der von traditionellen Finanzdienstleistern oft nicht hinreichend befriedigt werden kann. Darüber hinaus trägt das wachsende Vertrauen in E-Commerce und Online-Dienste zu einer vermehrten Nachfrage nach digitalen Zahlungsmöglichkeiten in einer breiteren Bevölkerungsschicht bei. Auch hier bietet sich dem Unternehmen ein Zukunftsmarkt.

Wo sehen Sie das Unternehmen in zehn Jahren?

Ziel ist es, Western Union als bevorzugten Anbieter im internationalen Geld- und Zahlungsverkehr für Konsumenten und Unternehmen zu positionieren. Wir differenzieren uns schon heute durch die globale Plattform sowie das Omnikanal-Netzwerk, welches Kunden größtmögliche Flexibilität gibt, wie sie ihre Geldtransfers initiieren. Dieses Netzwerk lässt sich durch Investitionen in neue Technologien, eine enge Partnerschaft mit dem bestehenden Vertriebsnetzwerk, mit neuen Kooperationen mit globalen digitalen Playern wie sozialen Netzwerken sowie durch eine Vorreiterrolle im Bereich Compliance noch weiter ausbauen.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien

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