IM GESPRÄCH

"Mobile Payment ist die Weiterentwicklung des mobilen Bezahlens" / Interview mit Carlos Gómez-Sáez

Carlos Gómez-Sáez, Foto: VR Payment GmbH

Obwohl die Konsolidierungswelle bei dem Payment-Dienstleistern immer weiter rollt, ist VR Payment nicht auf der Suche nach dem einen großen strategischen Partner, um damit Effizienzvorteile zu generieren. Sondern mit einer Vielzahl von Partnern werden Innovationen umgesetzt. Bei neuen Angebotsbündeln geht es zudem darum, Komplexität für kleinere Händler zu reduzieren, bei denen die genossenschaftliche Finanzgruppe ihren Schwerpunkt hat. In dieser Klientel sieht Carlos Gómez noch reichlich Wachstumspotenzial, zumal durch die Corona-Krise das Interesse am bargeldlosen Zahlen wächst. Red.

Die Konsolidierungswelle bei den Payment-Dienstleistern rollt immer weiter. Gegenüber den großen Anbietern, die sich da bilden, wirkt VR Payment ein bisschen wie die Manufaktur im Vergleich zu großen Fabriken. Täuscht dieser Eindruck?

Das kommt darauf an, wie man es versteht: Die VR Payment ist der Payment-Spezialist der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Wir sind also in einem großen Finanzverbund integriert und bespielen alle Payment-Themen dieses Verbunds. Diese Rolle haben wir in den letzten Jahren signifikant entwickelt. Wenn Sie also mit Manufaktur das Adjektiv klein verbinden, dann ist es falsch. Wenn Sie es mit Qualität und konsequenter Nutzerorientierung verbinden, dann kann ich mich darin wiederfinden.

Sie sind auch nicht auf der Suche nach einem strategischen Partner, wie es die Sparkassen mit Ingenico gelöst haben?

In der Art, wie es die Sparkassen getan haben, suchen wir keinen Partner. Wir folgen einer anderen Geschäftslogik. Die Entscheidung, die Fragen des Payments aus der Finanzgruppe heraus selbst bestimmen zu können, ist eine strategische. Die genossenschaftliche Finanzgruppe betrachtet den Zahlungsverkehr, das Payment und in dieser Perspektive die Schnittstelle zum Retail- und Dienstleistungskunden als sehr wertvoll. Als VR Payment sind wir Teil des Ökosystems dieser Gruppe und haben eine klar definierte Rolle. Aus dieser heraus schauen wir immer, wo wir mit Partnern kooperieren können, um die Leistungen aus diesem Ökosystem an den Point of Sale bringen zu können. So platzieren wir beispielsweise gerade gemeinsam mit der Teambank den Ratenkauf am PoS.

Wir sind bei der Zusammenarbeit mit interessanten Partnern auch nicht auf die genossenschaftliche Finanzgruppe beschränkt, sondern arbeiten in einem offenen System. Insofern hat VR Payment eine Vielzahl von Partnern - aber eben nicht den einen Mengenpartner. Das ist der entscheidende Unterschied.

Sind die VR-Banken die einzigen Kreditinstitute, die heute noch im Payment mitentscheiden dürfen?

Aus der kreditwirtschaftlichen Perspektive ist das so. Die genossenschaftliche Finanzgruppe ist die einzige, die noch einen singulären Partner im Payment hat. Wie gesagt: Sie erachtet das Thema Zahlungsverkehr - und dazu zählt der kartengestützte Zahlungsverkehr sowohl auf der kartenemittierenden als auch auf der kartenakzeptierenden Seite - als strategisch an. Das ist der Grund, warum VR Payment Teil der DZ Bank Gruppe ist.

Zahlungsverkehr ist auch Mengengeschäft. Was heißt das in Zahlen bei VR Payment?

Wir haben etwa 12000 Händlerkunden, auf der Kreditkartenausgebenden Seite haben wir etwa 5 Millionen Kreditkarten. Alles in allem wickeln wir 38 Milliarden Euro an Transaktionsvolumen ab, die wir über unsere Systeme verarbeiten.

Ist das genug, um die nötigen Skaleneffekte zu erzielen und langfristig mit den immer größeren Wettbewerbern mithalten zu können?

Natürlich müssen wir uns der Wettbewerbssituation stellen. Bislang ist uns das sehr gut gelungen. Man darf ja nicht vergessen, dass die technologische Entwicklung dazu führt, dass auch unsere Kosten Degressionseffekten unterliegen. Früher war Speicherkapazität ein teures Gut. Das hat sich stark verändert. Das heißt: Die technologischen Kosten zum Erbringen von Processing-Leistungen sinken kontinuierlich, zumal, wenn man nicht ständig mit der Konsolidierung von heterogenen technischen Infrastrukturen beschäftigt ist.

Aber Wettbewerbsfähigkeit ist nicht nur eine Frage der Kosten - sie ist vor allem auch eine Frage der Leistung. Unser Fokus liegt auf der Kundenbetreuung und der Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen. Aspekte wie die persönliche Betreuung durch einen Bankberater und hochwertige Produkte und Services wissen unsere Kunden zu schätzen.

Von daher machen wir uns über die Konsolidierungsbemühungen in der Branche keine großen Gedanken. Ganz im Gegenteil. Wir glauben, dass darin auch eine Chance für uns und unseren qualitativen Ansatz steckt. Diese Chance wollen wir wahrnehmen, indem wir unsere Kunden noch zielgerichteter bedienen und mit Produkten ausstatten, die ihnen wirklich weiterhelfen. Das funktioniert auch. Die typische Klientel der Volks- und Raiffeisenbanken ist der kleine bis mittelgroße Mittelstand. Und genau dort wachsen wir. Zum Beispiel mit Pauschalpaketen, die die Akzeptanz bargeldloser Zahlungen am PoS oder den Einstieg in den E-Commerce möglichst einfach machen.

Was hat in diesem Zusammenhang die Positionierung als VR Payment gebracht?

Sehr viel. Wir haben erkennbar einen singulären Dienstleister für die Volks- und Raiffeisenbanken positioniert. Die Marke VR Payment unterstreicht einerseits, dass wir Teil der genossenschaftlichen Finanzgruppe sind, und andererseits, mit welchen Themen wir uns beschäftigen, nämlich Payment.

Wir sind voll in die DZ Bank Gruppe und damit in alle Marktaktivitäten der Zentralbank integriert. Wir bündeln unsere Aktivitäten im genossenschaftlichen Ökosystem mit einer Teambank, mit einer VR Smart Finanz und mit einer DZ Bank als Zentralbank. Jeder orchestriert aus seiner Perspektive die Dienstleistungen des Systems und die Marktbearbeitung erfolgt gemeinschaftlich.

Natürlich gibt es noch Schräubchen, an denen wir als VR Payment weiter drehen müssen. Wir sind weiter dabei, den Vertrieb auszubauen und unseren regionalen Zugang zu stärken. Ende letzten Jahres haben wir zum Beispiel unter dem Namen #PaymentPower eine Marktoffensive gestartet, mit der wir die Sichtbarkeit des kartengestützten bargeldlosen Zahlungsverkehrs noch stärker in die Region hineinbringen.

Geht der Trend bei den Angeboten für kleinere Händler in Richtung Rundum-Sorglos-Pakete?

Ein bisschen schon. Denn ein Grund dafür, dass sich viele nicht für den kartengestützten Zahlungsverkehr entschieden haben, war die Komplexität. Viele kleinere Händler sind mit der Frage überfordert, ob sie Diners, JCB oder Alipay brauchen. Deshalb setzen wir darauf, für die verschiedensten Zielgruppe einfache Einstiegspakete zu generieren, beispielweise VR Pay Quick Commerce für Online-Händler.

Wie wichtig ist das Thema Innovation, um sich am Markt zu behaupten?

Qualität und Innovation sind unsere wesentlichen Positionierungselemente. Mein Ziel ist es jedes Jahr eine große Innovation am Markt zu platzieren. Dazu haben wir ein Innovationsmanagement etabliert, in dem wir unter anderem einen Innovationsradar aufsetzen. Dort schauen wir uns regelmäßig an, was sich weltweit an neuen Ideen entwickelt und was man gegebenenfalls für die Bedürfnisse unserer Klientel adaptieren kann. Letztlich gibt es aber viele Impulsgeber. Dazu gehören die Banken, aber auch Anregungen von Messen oder von Kunden.

2019 haben wir mit VR-Pay:Me eine mobile Bezahllösung als Antwort auf Sumup und i-Zettle herausgebracht - mit dem entscheidenden Unterscheidungsmerkmal, dass wir die Girocard mit integriert haben. Das Produkt kam sehr gut an und wird mittlerweile von fast allen VR-Banken angeboten. Die Klientel ist sehr vielfältig und reicht vom Flohmarktbetreiber über den Spargelstand vor einem Supermarkt bis hin zum Friseur. Es ist ein Einstiegsprodukt, um Kartenakzeptanz einfach zu machen.

In diesem Jahr haben wir auf der Euroshop Payfree für das Bezahlen im Vorbeigehen vorgestellt. Das ist eine Weltneuheit in der Art, wie Produkte identifiziert werden und dann in einem "Hands-free-Prozess" der Zahlungsvorgang initiiert wird.

Was ist bei Payfree anders als zum Beispiel bei Amazon go?

Payfree kombiniert zwei Elemente: Das eine ist die Art und Weise, wie RFID im Handel eingesetzt wird, das andere ist die Integration von Bezahlverfahren am Checkout im stationären Point of Sale.

Zum ersten Punkt, RFID: Die Neuheit besteht darin, dass diese RFID-Tags, im dreidimensionalen Raum und somit in der Bewegung ausgelesen werden können. Aus dieser Idee entstand der Gedanke, RFID in der Bewegung mit dem Bezahlen in der Bewegung zu verbinden und damit das Bezahlen im Vorbeigehen zu etablieren. Das heißt, die in « den Warenkorb oder die Einkaufstasche gelegte Ware wird in einer beliebig zu definierenden Zone im Geschäft automatisch erfasst und der eigentliche Checkout im Sinne des Bezahlens erfolgt dann ebenfalls automatisch im Hintergrund.

Das Besondere an unserem Konzept ist, dass wir Sensoren nicht überall im Geschäft, sondern nur in der Checkout-Zone benötigen. Das senkt die Einstiegskosten im Vergleich zum Beispiel zu Amazon go.

In erster Linie eignet sich dieses neuartige Verfahren für Handelsunternehmen, deren Waren herstellerseitig schon heute mit RFID ausgestattet sind. Deshalb ist der Lebensmittelhandel nicht die erste Priorität. Die liegt auf anderen Segmenten wie Drogerien, Schuhgeschäften oder Textilgeschäften.

Wir gehen aber davon aus, dass die RFID-Kosten signifikant sinken werden und damit auch die Nutzung weiter zunehmen wird. Es gibt bereits Länder wie Japan, die entschieden haben, überall im Einzelhandel RFID einzusetzen, auch, um die Logistikprozesse zu optimieren.

Wann wird Payfree in der Praxis zum Einsatz kommen?

Wir sind gerade dabei, mit den ersten Pilotkunden den Einsatz in deren Ladensituation zu evaluieren, um Payfree noch im Lauf des Jahres in den ersten Shops live einzusetzen.

Welche Resonanz hatten Sie bisher?

Die Resonanz war enorm. Offenbar haben wir mit dieser Lösung den Nerv der Zeit getroffen. Über die Optimierung des Checkouts vom Self-Scanning bis Amazon go wird ja schon eine ganze Weile nachgedacht. Es gibt aber bisher keine Lösung, die so einfach die Identifikation der Ware und Checkout skalierbar kombiniert.

Bringen solche Innovationen ordentlich Neugeschäft?

Perspektivisch bringen Innovationen Neugeschäft. Es geht uns aber auch darum, unsere Innovationskraft unter Beweis zu stellen. Aktuell verändert sich der Point of Sale signifikant. Da ist die Verschmelzung des stationären mit dem elektronischen Handel. Diese Entwicklungen weiter zu unterstützen, haben wir uns zum Auftrag gemacht und positionieren uns als Treiber, indem wir gemeinsam mit unseren Händlerkunden die sogenannte Customer Journey kontinuierlich weiterentwickeln.

Wird die klassische Kasse perspektivisch verschwinden?

Ich glaube, wir werden eine Koexistenz von beidem haben - der klassischen Kasse und den Smart Checkout. Es ist nicht unser Anspruch, eine Lösung zu entwickeln, die sich gegen den klassischen Kassenplatz durchsetzen soll. Sondern sie soll für die Klientel, die einen smarten Checkout bevorzugt, eine Lösung bieten.

Hat Payfree das Zeug dazu, das mobile Bezahlen voranzubringen? Oder umgekehrt: Braucht es verstärkte Mobile-Payment-Nutzung, damit das Konzept seinen Nutzen wirklich entfalten kann? Noch ist es damit - zumindest außerhalb der Ballungsräume - ja nicht so weit her.

Wie alles ist das auch ein Prozess. Mobile Payment ist die nächste logische Weiterentwicklung des kontaktlosen Bezahlens. Wir sehen gerade jetzt in der Corona-Krise, dass der Verbraucher verstärkt nach bargeldlosen Bezahlverfahren und insbesondere auch nach mobilen Bezahlmöglichkeiten fragt.

Konsumentenverhalten ist ein gelerntes Verhalten und muss sich über die Zeit entwickeln. Ereignisse, wie wir sie jetzt durchleben, lassen die Lernkurve steiler werden. Kontaktlos entwickelt sich jetzt sehr schnell. Ein weiterer Grund dafür, weshalb sich das Mobile Payment auch außerhalb von Corona-Zeiten schnell weiter entwickeln dürfte ist der Einsatz der Consumer Device Card Verification Methodology. Denn dadurch erspart man sich beim Nutzen des Smartphones und das Nutzen der biometrischen Funktionen des Smartphones das Eingeben der PIN, da die Transaktionsfreigabe über die Verifikationsmöglichkeiten des Handys erfolgt.

Wie beeinflusst die Corona-Krise diese Veränderung des Bezahlverhaltens - weg vom Bargeld hin zu mehr bargeldlosen und vor allem kontaktlosen Transaktionen? Was davon wird sich verstetigen, auch wenn die Krise vorbei ist?

Wie gesagt: Wir sehen derzeit signifikantes Wachstum bei den bargeldlosen und insbesondere kontaktlosen Bezahlverfahren.

Man muss allerdings berücksichtigen, dass sich dieses Wachstum im Wesentlichen im Lebensmittelsegment abspielt, da die meisten anderen Geschäfte geschlossen sind. Dennoch erwarte ich eine nachhaltige Verschiebung der Gewichte zwischen Bargeld und bargeldlosem Bezahlen zugunsten Letzterem auch nach Corona.

Welchen Einfluss hat das Corona-Virus umgekehrt auf die Nachfrage seitens der Händler? Wird der Wunsch nach möglichst wenig Kontakt beim Bezahlen zum Beispiel auch Payfree noch einmal pushen?

Die Handelsunternehmen bevorzugen ebenfalls bargeldlose Zahlvorgänge. Das schützt die Kunden, aber auch das eigene Personal, weil einfach der Kontakt nicht so eng ist. Man darf auch nicht vergessen, dass der Einstieg vieler Händler in den Online-Handel mit seinen per se bargeldlosen Bezahlmöglichkeiten die einzige Möglichkeit ist, überhaupt noch das Geschäft aufrechtzuerhalten. Wir unterstützen diesen Wechsel in den E-Commerce, indem wir den Handelsunternehmen mit unseren VR-Pay-E-Shop Kompakt einen schnellen und unkomplizierten Einstieg ermöglichen - und das aufgrund der besonderen Situation bis einschließlich September kostenlos.

Carlos Gómez-Sáez, Geschäftsführer, VR Payment GmbH, Frankfurt am Main

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