MOBILE PAYMENT

"Das Modell hat Potenzial - über den deutschen Markt hinaus" / Interview mit Krishna Chandran und Thomas Keller

Krishna Chandran, Foto: MaxThrellfall Photo

Seit Oktober 2020 ist Samsung Pay in Deutschland am Start. Aufgrund des fragmentierten deutschen Bankenmarkts hat man sich - anders als in den übrigen Märkten - für eine Exklusivpartnerschaft mit der Solarisbank entschieden, die für die Nutzer eine virtuelle Kreditkarte emittiert. Das gibt nicht nur jedem Smartphone-Nutzer die Möglichkeit, mobil zu bezahlen, sondern damit geht im Vergleich zu Wallets wie Apple Pay oder Google Pay auch ein Mehr an Datenschutz einher, sind sich Krishna Chandran und Thomas Keller einig. Red.

Herr Chandran, in der Plattformökonomie sind es derzeit die Big techs, die die größte Rolle spielen. Wie schafft man es, als Bank hier in eine strategische Kooperation mit einem dieser großen Player zu kommen?

Krishna Chandran: Die Solarisbank ist ein Technologieunternehmen mit Banklizenz. Die Hälfte unserer Mitarbeiter sind Entwickler oder Digital-Produkt-Experten. Als Banking-as-a-Service-Plattform ermöglichen wir es jedem Unternehmen, Finanzdienstleistungen anzubieten. Dabei ist unsere Neutralität gegenüber dem Endkunden ein Schlüsselfaktor. Wir bieten unseren Partnern eine Plattform an, auf der sie unter ihrer eigenen Marke agieren können. Das ist ein wesentlicher Aspekt, mit dem wir uns am stärksten von anderen Marktakteuren unterscheiden. Als eines der größten Technologieunternehmen der Welt ist Samsung für uns natürlich ein großartiger Partner.

Wie skalierbar ist das Geschäftsmodell der Solarisbank. Kann es passieren, dass ein potenzieller Partner schlicht zu groß ist?

Krishna Chandran: Vor fünf Jahren sind wir eher klein gestartet, dann folgten Challenger-Banken und jetzt kommen Bigtechs wie Samsung oder andere große Unternehmen wir Otto oder Amex an Bord. Als Plattformanbieter wachsen wir mit unseren Partnern. Wir sind übrigens die erste deutsche Bank, die alle ihre Kernbankensysteme, digitalen Produkte und Datenbanken in die AWS Cloud von Amazon migriert hat. Diese Migration wurde innerhalb eines Jahres vollzogen und unterstützt uns, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Skalierung und Automatisierung zu schaffen, um dem wachsenden Kundenstamm unserer Partner gerecht zu werden.

Außerdem haben wir Teile unseres Kernbankensystems selbst entwickelt, um mögliche Probleme vor allem im Zahlungsverkehr schnell und effizient lösen zu können. Auch auf Produktebene haben wir Lösungen entwickelt, die quasi unbegrenzt skalierbar sind. Eine solche Lösung, die wir mit Samsung entwickelt haben, ist zum Beispiel Bankident. Deshalb sehe ich bei der Skalierbarkeit keine Limits.

Wie läuft es ab, wenn Bigtechs wie Samsung nach einem Bankpartner suchen?

Thomas Keller: In Deutschland sind wir bei Samsung mit der strategischen Produktvision gestartet, dass wir jedem Besitzer eines Samsung-Smartphones die Möglichkeit geben wollen, mobil zu bezahlen. Wir haben uns den Markt sehr genau angeschaut und festgestellt, dass wir mit dem herkömmlichen Ansatz, den Samsung Pay in anderen Märkten verfolgt, nämlich mit jeder lokalen Bank Einzelverträge abzuschließen, in Deutschland aufgrund der fragmentierten Struktur im deutschen Bankwesen nicht weit kommen würden. So kamen wir zu dem Schluss, dass wir unsere Kunden am ehesten erreichen, indem wir selbst Karten ausgeben, sodass wir letztlich einen Bankpartner gesucht haben.

Dazu haben wir mit verschiedenen Issuing-Banken gesprochen. Es gab einen Anforderungskatalog und Technologiebewertungen. So haben wir uns letztlich aufgrund der Agilität bei technologischen Themen für die Solarisbank entschieden.

Ist dieser Ansatz eine Spezialität für den deutschen Markt? Oder gibt es eine vergleichbare Vorgehensweise auch in anderen Märkten?

Thomas Keller: In dieser Form ist das in Deutschland bisher einzigartig. Der Ansatz ist aber natürlich auch zukunftsweisend. Denn er bringt Samsung in die Position, allen Kunden das gleiche Bezahl- und Nutzungserlebnis bieten zu können. Das haben wir nicht in jedem Markt.

Insofern kann das für Deutschland entwickelte Modell eine strategische Perspektive über Deutschland hinaus sein. Der Bedarf, eine eine kundenzentrische und disruptive Lösung zu entwickeln, war hierzulande groß. Deshalb war Deutschland der erste Markt, in dem Samsung Pay mit einer solchen Lösung gestartet ist. In Europa ist Samsung Pay mit dem herkömmlichen Modell in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Italien, Schweden und Spanien vertreten. Insgesamt ist Samsung Pay in 26 Märkten verfügbar.

Planen Sie die Partnerschaft mit der Solarisbank auch auf weitere Märkte auszudehnen?

Thomas Keller: Samsung versteht sich als strategischer Partner der Solarisbank. Das gemeinsam entwickelte Modell hat meiner Meinung nach echtes Potenzial - auch über den deutschen Markt hinaus.

In Europa ist Samsung Pay seit Oktober 2020 verfügbar - rund zwei Jahre später als Apple Pay oder Google Pay. Lag das an der schwierigeren Ausganglage?

Thomas Keller: Für den Launch von Samsung Pay in einem Markt gibt es viele Kriterien. Die Marktsituation spielt eine wichtige Rolle. Andere Aspekte sind das Bezahlverhalten, die lokale Struktur an Bezahlverfahren und die generelle Affinität der Verbraucher für kontaktloses und mobiles Bezahlen. Hier liegt Deutschland noch ein Stück hinter anderen Märkten zurück. Deshalb haben wir in Deutschland sehr lange beobachtet und gewartet.

Die Entscheidung, Samsung Pay in Deutschland mit einem anderen Konzept zu starten, folgt der Logik, dass das mobile Bezahlen auch in Deutschland immer weiter im Kommen ist und dass wir mit dem disruptiven Konzept, das wir gemeinsam mit der Solarisbank umsetzen, in der Lage sind, die stark fragmentierte Bankenstruktur zu umgehen, um all unseren Kunden Zugang zum mobilen Bezahlen zu geben.

Ist der Zeitverzug zu Apple Pay und Google Pay eine Chance, weil der Marktstart zu einem Zeitpunkt erfolgte, wo der Weg für das mobile Bezahlen schon bereitet war?

Thomas Keller: Absolut. Natürlich haben wir Samsung Pay nicht geplant, um es während der Corona-Pandemie zu starten. Das hat uns sogar ein gutes Stück zurückgeworfen. Unter Corona-Bedingungen waren beispielsweise Tests im deutschen Einzelhandel deutlich schwieriger durchzuführen. Außerdem merken wir natürlich bei Samsung Pay, ob die Menschen einkaufen gehen können oder nicht.

Andererseits hat die gegenwärtige Situation natürlich eine deutliche Auswirkung auf das Bezahlverhalten der Deutschen. Das Bewusstsein für bargeldloses Bezahlen per kontaktloser Karte oder Mobiltelefon ist gestiegen.

Wie war der Markterfolg von Samsung Pay im ersten Halbjahr in Deutschland?

Thomas Keller: Wir sind am 28. Oktober offiziell gestartet. Trotz Lockdown sehen wir einen enorm großen Bedarf der Kunden, Samsung Pay zu nutzen, wenngleich der Großteil der Transaktionen natürlich im Lebensmitteleinzelhandel stattfindet.

Seit wir im März zudem die Unterstützung durch Uhren freigeschaltet haben, sehen wir deutlichen Zuspruch der Kunden. Über die Samsung Watch lässt sich Samsung Pay auch mit Mobiltelefonen anderer Hersteller nutzen.

Konkrete Zahlen zu Transaktionen nenne ich nicht. Sie liegen jedoch trotz der Corona-Maßnahmen deutlich über den Erwartungen.

Die Stiftung Warentest hat im Dezember Samsung Pay wegen mangelnder Datensparsamkeit kritisiert. Die App beanspruche auf dem Smartphone mehr Berechtigungen als erforderlich ...

Thomas Keller: Samsung ist bezüglich der Datennutzung und hinsichtlich der Datensparsamkeit absolut transparent. Die zu Beginn abgefragten Datenberechtigungen dienen der Bereitstellung des Services, die personenbezogenen Daten werden hingegen bei der Solarisbank verarbeitet. Die Verwendung dieser Daten erfolgt ausschließlich im Rahmen der Datenschutzerklärung.

Krishna Chandran: Als deutsche Bank unterliegen wir natürlich der BaFin-Aufsicht und den Regelungen der Datenschutzgrundverordnung. Hinzu kommt unsere erwähnte Neutralität. Kundenbezogene Daten werden ausschließlich zur Durchführung der Transaktionen verwendet. Als Plattformbetreiber im Hintergrund haben wir kein Interesse an Kundendatenanalysen und die Verwendung der Daten zum Zweck des Up-Selling. Es gibt zudem einen weiteren entscheidenden Unterschied zwischen Samsung Pay auf der einen und Apple Pay oder Google Pay auf der anderen Seite. Letztgenannte sind Wallets. Samsung Pay dagegen ist ein umfassender mobiler Zahlungsdienst.

Weder Samsung noch die Solarisbank haben ein datengetriebenes Geschäftsmodell. Ziel ist es nicht, die Nutzerdaten zu verwerten, sondern unserem Partner zu helfen, über attraktive Services das Kerngeschäft zu stärken. Auch das ist ein entscheidender USP im Wettbewerb.

Thomas Keller: Es gibt sicher eine ganze Reihe von Kunden, für die Datenschutz ein ganz wichtiges Kriterium bei der Auswahl der von ihnen genutzten Services ist. Das Wichtigste ist, dass Kunden, denen das Thema Datenschutz wichtig ist, die Informationen so transparent wie möglich finden können. In Deutschland, ist der Anteil derjenigen, die sich dafür interessieren, sehr groß. Deshalb ist es sicher ein Pluspunkt, den wir an den richtigen Stellen herausstellen.

Wie sieht das Geschäftsmodell für die Solarisbank aus?

Krishna Chandran: Wir erzielen Provisionserträge für die ausgegebenen Karten und Zinserträge, wenn der Kunde sich für die Ratenzahlung entscheidet. Aber wir partizipieren natürlich auch an der Interchange.

Denken Sie über eine Erweiterung der Zusammenarbeit nach?

Thomas Keller: Natürlich bringt uns die Zusammenarbeit einen strategischen Vorteil. Wir sprechen einerseits über weitere Märkte, aber darüber hinaus haben wir auch die Möglichkeit, weitere Dinge über Produktfeatures anzugehen. Beispielsweise steht hinter Samsung Pay eine geldwäschekonforme Identität, die durch die Solarisbank erhoben wird. Hier können wir über eine Wiederverwendung solcher digitalen Identitäten an Drittpartner sprechen. Auch das Thema Ratenfinanzierung, das bereits Bestandteil des Produkts ist, lässt sich noch ausbauen. Insofern kann ich die Frage mit "Ja" beantworten. Wir haben eine strategische Roadmap, um den Samsung-Pay-Service entsprechend den Kundenbedürfnissen auszubauen.

Angetrieben hat uns letztlich das Kundenbedürfnis. Gemeinsam haben wir mit Samsung Pay und den eigenen Karten ein disruptives Produkt an den Markt gebracht, das - so hoffen wir - den Markt ein gutes Stück weit in Bewegung setzen wird.

Krishna Chandran, Managing Director Partnerships, Solarisbank AG, Berlin
 
Thomas Keller, Head of Samsung Pay und Business Development Manager, Samsung Deutschland, Schwalbach

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