Zum Erfolg verdammt

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag

Die Bemühungen der Paymentbranche um Standardisierung haben seit jeher ein bisschen den Charakter von "Hinterzimmerdiplomatie". Dafür mag es gute Gründe geben. Die Erwartungen, im kleinen Kreis mehr zu erreichen als im Licht der Öffentlichkeit, haben sich bisher gleichwohl nicht erfüllt - zumindest, soweit es die Entwicklung eines europäischen Paymentsystems betrifft, nach dem die Politik immer lauter ruft und das auch der europäischen Paymentbranche selbst immer wünschenswerter erscheint.

Wenn so viele es wollen, könnte man meinen, dann muss das Ziel doch auch schnell erreicht werden. Doch so einfach ist es leider nicht - schließlich soll das europäische Zahlungssystem beinahe so etwas sein wie die sprichwörtliche "Eier-legende Wollmilchsau", soll also eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen, die teilweise nur schwer in Einklang zu bringen sind. Für den Nutzer soll es bequem und doch datensparsam sein, dabei aber selbstverständlich mit einem Höchstmaß an Sicherheit ausgestattet. Um Händler von der Akzeptanz überzeugen zu können, muss es kostengünstig und möglichst risikofrei sein, dabei jedoch nach Möglichkeit etwas mehr als kostendeckend für die Banken. Es soll die teilweise sehr unterschiedlichen bisherigen Zahlungsgewohnheiten in den einzelnen europäischen Ländern berücksichtigen, europaweit akzeptiert und genutzt werden, um so den internationalen Kartensystemen, mehr aber noch den Paymentlösungen der außereuropäischen Internet- und Technologiegiganten etwas entgegensetzen - das alles selbstverständlich unter der Maßgabe, dass das neue Payment Scheme nicht Gefahr laufen darf, eine marktbeherrschende Position einzunehmen und den Wettbewerb zu behindern. Allein diese Aufzählung zeigt schon, weshalb früheren Initiativen wie Monnet kein Erfolg beschieden war.

Die European Payment Initiative, die am 2. Juli ihre Existenz offiziell gemacht hat, hat also eine schwere Aufgabe. Und doch sind die Erfolgsaussichten vielleicht günstiger als je zuvor. Zum einen haben sich Rahmenbedingungen und Wettbewerbsdruck massiv verändert. Während etwa bei Monnet wenigstens zu Beginn teilweise noch die vage Hoffnung mitschwang, der Regulator möge ein europäisches Payment Scheme mit einem gewissen Profitabilitätsbonus unterstützen, ist diesmal von Anfang an klar, dass die Margen tendenziell eher weiter sinken als steigen werden. Ein K.-o.-Argument für die Bemühungen der beteiligten Banken dürfte das allerdings heute nicht mehr sein. Denn mittlerweile ist der Wettbewerbsdruck - vor allem durch den Einstieg der Bigtechs in den Zahlungsverkehr - so weit gestiegen, dass die europäische Lösung kaum noch verzichtbar scheint, wenn die Bankenbranche ihre Position im Zahlungsverkehr längerfristig sichern will. Mit nationalen Systemen allein - so gut die auch sein mögen und so stark ihre Position im jeweiligen Heimatmarkt auch ist - wird es langfristig schwer, den globalen US-amerikanischen Wettbewerbern oder in Zukunft auch den Chinesen das Wasser zu reichen. Dabei geht es um weit mehr als nur um die Profitabilität des Zahlungsverkehrs. Es geht vor allem um die Kundenschnittstelle und um Datenschutz, der in Europa nun einmal eine besondere Aufmerksamkeit genießt, und mit ihm um das Kundenvertrauen.

Verändert hat sich allerdings auch die Position von Regulatoren und Wettbewerbshütern. Auch sie haben mittlerweile realisiert: Ein Mehr an Wettbewerb lässt sich nicht einfach dadurch erreichen, dass man die Banken kleinhält. Sondern Wettbewerbsbeschränkungen kommen auch von anderer Stelle und ganz ohne Kooperationen kann die Bankenbranche in diesem neuen Wettbewerbsumfeld nicht bestehen. Auf deutscher Ebene lässt sich die Haltung des Bundeskartellamts zu Kwitt als Beispiel für diese Erkenntnis anführen, auf europäischer Ebene der Versuch, die Behinderung des Wettbewerbs durch Apple Pay zu unterbinden.

Unter dem Strich scheint heute angesichts veränderter Rahmenbedingungen somit die Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten gestiegen zu sein. Denn die Politik weiß so gut wie die Bankenbranche: Die Bemühungen um ein europäisches Payment Scheme sind zum Erfolg verdammt - und der sollte möglichst bald kommen. Bisher hat die European Payment Initiative erst die Implementierungsphase gestartet, ein operatives Unternehmen soll 2022 starten - dann mit hoffentlich mehr als den bislang 16 Teilnehmern aus 5 Ländern. Nur gut, dass sich unter diesen auch europäische Player befinden.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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