Eine große Chance

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag

Als vor 20 Jahren, zum 1. Januar 2002, das Euro-Bargeld eingeführt wurde, war das Thema Zahlungsverkehr naturgemäß in aller Munde - schließlich betraf der Wechsel von DM-Scheinen und Münzen zu Euro und Cent so gut wie jeden. Nach der reibungslosen Umstellung schwand das Interesse am Payment allerdings schnell wieder. Gefühlt horchte der Durchschnittsbürger nur dann auf, wenn irgendwelche Schreckensmeldungen über echte oder vermeintliche Sicherheitsmängel des bargeldlosen Bezahlens verbreitet wurden. Daran etwas zu ändern, hat die Payment-Branche wenig beigetragen - Kommunikation war nicht ihre starke Seite. So manche Chance, Innovationen angemessen zu positionieren, wurde vertan. Dann kam Covid-19. Und seitdem genießt das Thema Payment eine Aufmerksamkeit wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die anfangs verbreitete Furcht, sich beim Bezahlvorgang mit dem Virus zu infizieren, stärkte Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die technischen Möglichkeiten beim bargeldlosen Bezahlen und die Bereitschaft zum Ausprobieren, nicht nur bei den digitalen Vor reitern, sondern bei der breiten Masse auf Händler- wie auch auf Kundenseite.

Für die Payment-Branche ist das eine riesige Chance. So ging die gefürchtete Umstellung auf die Zwei-Faktor-Authentifizierung relativ schmerzfrei über die Bühne. Eine Abkehr vom Online-Shopping, weil es zu umständlich wird - in der Pandemie undenkbar. Auch um das Thema des heimlichen Auslesens kontaktloser Karten durch Kriminelle, das sich so lange in den Medien halten konnte, ist es still geworden. Das liegt natürlich teilweise daran, dass die Busse und Bahnen, in denen die bösen Buben sich nahe an ihre Opfer herandrängen sollten, um ihre Kartendaten auszulesen, vielfach gar nicht mehr voll genug sind, um dies unbemerkt tun zu können. Die Hauptursache dürfte jedoch in der konkreten Erfahrung vieler Menschen mit der NFC-Technologie zu suchen sein. Immer wieder ist an der Kasse zu beobachten, wie Kunden versuchen, einfach ihren Geldbeutel ans Terminal zu halten, ohne die Karte hervorzuholen - und dann feststellen, dass der Kontaktlos-Chip so gar nicht gelesen werden kann. Regelmäßig entspinnt sich dann ein kurzer Dialog mit dem Kassenpersonal mit dem Tenor: "Ist doch eigentlich viel sicherer so!" Hier widerlegt das eigene Erleben die wirren Gerüchte viel nachhaltiger, als es die Beteuerungen der Anbieterseite je tun konnten. Zugleich tut sich eine Chance auf, dem mobilen Bezahlen zum Durchbruch zu verhelfen. Denn wem es zu umständlich erscheint, für das kontaktlose Bezahlen seine Karte herauszuholen, der ist bereit für die nächste technologische Stufe - das Bezahlen per Smartphone.

Mit der gestiegenen Aufmerksamkeit für das Payment wachsen indessen auch die Anforderungen an die Kommunikation. Denn natürlich nimmt eine Kundenklientel, die sich an die Vorteile des bargeldlosen Bezahlens gewöhnt hat, Nachrichten über anstehende Änderungen an den rege genutzten Möglichkeiten beim bargeldlosen Bezahlen ganz anders wahr als ein Volk von Barzahlern, das am liebsten nur im Ausland zur Karte greift. Das erleichtert es einerseits den Issuern, Innovationen am Markt zu positionieren. Es bedeutet allerdings auch, dass die klassische Produkt-Kundenkommunikation nicht mehr ausreicht. Wenn Menschen jetzt im Radio, in der Tageszeitung oder in den sozialen Medien hören und lesen, dass die Bankkarte demnächst ohne Magnetstreifen und ohne Maestro-Zeichen quasi "blank" dastehen wird - Meldungen, die es früher vermutlich gar nicht in der Breite in die Medien geschafft hätten - dann wäre das der Moment gewesen, Flagge zu zeigen und die Botschaft zu vermitteln, dass die Funktionalität der Debitkarte der eigenen Hausbank durch Weiterentwicklung oder ein neues Co-Badging eher zu- als abnehmen wird - Stichwort E-Commerce etwa. Diese Chance hat die deutsche Kreditwirtschaft wieder einmal verpasst und stand öffentlichkeitswirksam eher als Verlierer da.

Es geht aber noch um viel mehr: Payment muss viel stärker als bisher Teil der Bemühungen um die Finanzbildung werden. Wenn Menschen sich zum Beispiel fragen, ob sie jetzt Bitcoins oder andere Kryptowährungen kaufen müssen, um künftig noch im E-Commerce bezahlen zu können, ob es Euro und Cent künftig nur noch in digitaler Form geben wird und wie das Bezahlen damit dann funktionieren soll, dann schießen die Gerüchte schnell ins Kraut. Hier seriöse Antworten zu liefern, sollte es sich die Payment-Branche angelegen sein lassen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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