Handeln statt blockieren

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag

Die Meinungen zur geplanten Digitalwährung Libra gehen auseinander. Das Pro und Contra beleuchtet ein im Oktober veröffentlichter Bericht einer G7-Arbeitsgruppe über Stable Coins. Dort heißt es: Durch das Verknüpfen mit realen Währungen könnten Stable Coins eher als Kryptowährungen in der Lage sein, als Bezahlmittel und Wertaufbewahrung zu dienen. Und sie könnten zur Entwicklung globaler Payment-Arrangements beitragen, die schneller, preiswerter und inklusiver sind als die bisherigen. Unter dem Strich werden sie als eine von vielen Initiativen bewertet, die sich den Herausforderungen des Payment-Marktes stellen, als gerade erst entstehende Technologie allerdings noch weitgehend ungetestet. Die möglichen Vorteile können dem Report zufolge freilich nur dann realisiert werden, wenn signifikante Risiken adressiert werden. Dazu gehören zum Beispiel die Governance, einschließlich der Investmentregeln des Stabilitätsmechanismus, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Sicherheit, Effizienz und Integrität des Bezahlsystems, Cybersicherheit, Daten- und Verbraucherschutz, Steuerfragen sowie mögliche Risiken für Geldpolitik, Finanzstabilität, das internationale Geldsys tem sowie fairen Wettbewerb. Allein diese Aufzählung zeigt: Kritikloses Bejubeln ist nicht angesagt, und die Regulatoren und Aufseher haben mancherlei zu bedenken.

Dass sich vor allem die US-Politik vergleichsweise vehement gegen Libra positioniert hat, scheint nicht allein mit dem Konzept der Digitalwährung zusammenzuhängen, sondern zu einem guten Teil auch damit, dass der Internetkonzern Facebook hinter der Initiative steht. So schrieb beispielsweise Senator Sherrod Brown auf Twitter, Facebook sei bereits viel zu groß und habe seine Macht, Kundendaten zu nutzen, ohne Rücksicht auf Datenschutz genutzt. Deshalb könne man Facebook nicht erlauben, ohne Aufsicht eine riskante neue Kryptowährung über ein Schweizer Bankkonto zu betreiben. So oder ähnlich auch der Tenor vieler weiterer Äußerungen aus der US-amerikanischen Politik.

Dass sich die Schwergewichte unter den ursprünglich als Partner genannten Unternehmen - Paypal, Mastercard und Visa sowie Stripe - inzwischen von Libra distanziert haben, wird in der Öffentlichkeit dem politischen Druck zugeschrieben. Ob das stimmt, sei einmal dahingestellt. Sollte es der Fall sein, wäre dieser "Erfolg" aber nicht uneingeschränkt zu bejubeln. Wie das am 15. Oktober von 21 Gründungsmitgliedern unterzeichnete Gründungsdokument der Libra Association beweist, ist das Projekt damit keineswegs gestoppt worden. Erreicht hätte die Intervention vonseiten der Politik somit nichts - eher im Gegenteil. Gerade wenn man sich Sorgen über den Aufbau eines möglichen Schattenbanksystems, über Datenschutz, Geldwäscheprävention und dergleichen macht, dann ist es fraglich, ob diese Risiken geringer werden, wenn seriöse Player wie die globalen Payment-Anbieter nicht mehr dabei sind, die im Umgang mit Risiken rund um das Bezahlen und mit der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften reichlich Knowhow besitzen und darüber hinaus einen Ruf zu verlieren haben.

Wichtiger als der Versuch, Libra ausbremsen zu wollen, ist deshalb vermutlich etwas anderes: Zum einen müssen sich Regulatoren, Zentralbanken und Aufsichtsbehörden darüber klar werden, was sie wie regulieren wollen, und gegebenenfalls den aufsichtsrechtlichen Rahmen anpassen, an dem sich auch Libra wird orientieren müssen. Eine enge Zusammenarbeit mit dem jetzt gebildeten Libra Council und dessen gewähltem Vorstand wäre dabei vermutlich hilfreich.

Zum anderen wird man sich auch an die eigene Nase fassen und sich die Frage stellen müssen, inwieweit Währungssysteme der Weiterentwicklung bedürfen. Denn wer einräumt, dass kryptografisches, digitales Geld das Potenzial hat, manche Herausforderungen im Zahlungsverkehr zu lösen, der muss auch über die Digitalisierung der von den Zentralbanken gesteuerten Währungen nachdenken, wie es etwa die schwedische Reichsbank mit ihren Überlegungen zur "E-Krone" schon eine ganze Weile tut. Bankenpräsident Hans-Walter Peters hat das in seiner Rede anlässlich der Jahrestagung von IWF und Weltbank so formuliert: "Wir brauchen in Europa ... einen digitalen Euro, der höchsten Regulierungsstandards gerecht wird, europaweit einsetzbar ist, über das Bankensystem bereitgestellt wird und mit dem alle Vorteile programmierbaren digitalen Geldes genutzt werden können." Gäbe es den E-Euro oder den E-Dollar, dann würde Libra vermutlich ein gutes Stück an Schrecken verlieren.

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