Keine uneinnehmbare Festung

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

"Apple öffnet NFC-Schnittstelle". Diese Schlagzeile im April hätte das Zeug zur Sensation - wäre besagte Öffnung nicht so klein angelegt. Tatsächlich geht es nämlich nur um eine einzige Anwendung - und auch dies nur zeitlich befristet. Den Anlass bietet der Brexit. Unter dem Namen "EU Exit: ID Document Check" hat das britische Innenministerium eine eigene App entwickelt, mit der sich die rund 3,5 Millionen EU-Bürger in Großbritannien nach dem EU-Austritt für den "Settled Status" eintragen können. Mit der App können sie ihre Identität bestätigen, indem sie ein Porträt-Foto hochladen und ihren Pass einscannen. Wird ein NFC-fähiges Smartphone auf den Pass gelegt, liest die App automatisch alle nötigen Informationen aus dem Chip des Dokuments ein. Das funktionierte bisher - mangels Freigabe der NFC-Schnittstelle für Drittanbieter seitens Apple - nur für Android-Smartphones. Seit über einem Jahr soll das britische Innenministerium deshalb mit Apple verhandelt haben. Seit April ist nun klar: Voraussichtlich Ende 2019 soll es auch eine iOS-Version der Brexit-App geben, die dann - abhängig von den Modalitäten des Brexit - bis maximal 2021 zur Verfügung stehen soll.

So klein dieser Durchbruch auch sein mag - er lässt dennoch aufhorchen: Apple ist zu Kompromissen bereit, wenn staatliche Stellen sich einschalten und/oder wenn das strikte Beharren auf der Hoheit über die NFC-Schnittstelle zur Benachteiligung der eigenen Kunden führen würde. Letzteres wäre im Fall der Brexit-App der Fall gewesen - und für das britische Innenministerium ebenso wenig akzeptabel wie vermutlich für die europäischen i-Phone-Nutzer in Großbritannien.

In Sachen Payment ist die Ausgangslage ein wenig anders. Während es zu der offiziellen Brexit-App keine vergleichbare, Apple-eigene Alternative gibt, kann der Technologiekonzern beim kontaktlosen Bezahlen auf das eigene Verfahren Apple Pay verweisen. Kann ein Nutzer von i-Phone oder i-Watch dieses Verfahren nicht nutzen, weil seine Bank keinen entsprechenden Vertrag mit Apple geschlossen hat, dann kann der Technologieriese den Schwarzen Peter an die Bank weiterreichen, die die Apple-Nutzer unter ihren Kunden im Regen stehen lässt. Bald schon wird es für diese Kunden vermutlich auch in Europa eine eigene Apple Card geben. Wozu also sollte der Konzern sich hier kompromissbereit zeigen? Dass auch die beiden kreditwirtschaftlichen Verbünde mit Apple über die Bedingungen verhandeln, unter denen auch sie ihren Kunden Apple Pay anbieten können, spricht dafür, wie hoch die Notwendigkeit eingeschätzt wird, hier gegenüber dem Wettbewerb nachziehen zu können. Zu Recht sieht sich der US-Konzern hier in einer Position der Stärke - was dem Vernehmen nach auch in der Art und Weise der Verhandlungsführung zum Ausdruck kommt.

Das muss aber nicht ewig so bleiben - wenn es denn Schützenhilfe vonseiten des Regulators gäbe. Die Forderung der Kreditwirtschaft lautet hier: Gleiches Recht für alle. Wenn Banken und Sparkassen die Schnittstellen zum Konto für Dritte öffnen müssen, dann muss die Öffnung der Schnittstellen im Sinne des Wettbewerbs in gleicher Weise für Technologieanbieter gelten. Diese Forderung hat der europäische Regulator zwar noch nicht in der Weise erhört, dass entsprechende Regulierungsverfahren in die Wege geleitet worden wären. Das muss aber nicht ewig so bleiben. Vielleicht wird eine neue Kommission nach der Europawahl sich auch dieser Thematik annehmen. Generell haben die europäischen Wettbewerbshüter den Kampf mit den Technologiegiganten ja inzwischen aufgenommen - wenn auch noch nicht in Sachen Payment.

Die Argumentation für die Interchange-Regulierung könnte in der Auseinandersetzung mit Apple zum Vorbild dienen. Wenn man dort mit der Marktmacht der Karten-Schemes argumentierte, die es Händlern kaum möglich macht, auf Kartenakzeptanz zu verzichten, sodass sie das Diktat der festgelegten Konditionen akzeptieren müssen, dann gilt das in gleicher Weise für Apple. Auch hier ist es für Kreditinstitute schwierig, sich zu verweigern. Entsprechend einseitig sind die "Verhandlungen" über die Konditionen. Ein bloßer Zwang zur Öffnung der Schnittstelle würde daran nichts ändern - vermutlich bräuchte es auch hier einen Konditionendeckel. Diesen Kampf sollte die EU aufnehmen. Das Beispiel der Brexit-App zeigt, dass Apple keine uneinnehmbare Festung ist.

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