Der letzte Strohhalm

Swantje Benkelberg

sb - Am 6. Juli hat Paydirekt eine neue Funktion gestartet: Das Geld senden von Smartphone zu Smartphone. Eine solche P2P-Anwendung ist heute für ein Online-Bezahlsystem im Grunde schon Standard. Die Paydirekt-Lösung hat dabei den Vorteil, ohne die Einschränkung auszukommen, dass nur an registrierte Nutzer Geld versendet werden kann. Sondern auch ohne Registrierung ist der Empfang möglich. Als Gast erhält der Empfänger eine E-Mail- oder SMS-Benachrichtigung über die Zahlung inklusive eines neunstelligen Geldcodes. Er muss dann die Paydirekt-App herunterladen und eine App-PIN vergeben, um über die Eingabe seines Namens, des Geldcodes und seiner IBAN den Betrag entgegennehmen zu können. Das ist zweifellos umständlich - eröffnet aber vielleicht die Chance, neue Nutzer zu gewinnen. Denn ist die App einmal auf dem Smartphone, dann steigt dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer sich zumindest einmal über Paydirekt informiert. Freigeschaltet wird die Funktion zunächst für die Kunden von Commerzbank, Comdirect, Deutscher Bank und Postbank, der Hypovereinsbank sowie schrittweise der Genossenschaftsbanken. Und die Sparkassen? Fehlanzeige. Die vermarkten ihre eigene Anwendung "Kwitt" und haben offenbar kein Interesse daran, Paydirekt als konkurrierende Lösung hochkommen zu lassen. Damit verstärkt sich der bereits beim verspäteten Mitziehen der Sparkassen bei Paydirekt entstandene Eindruck, dass die Sparkassenorganisation hier nur halbherzig dabei ist. Wenn der Erfolg der neuen Funktionalität ausbleibt, ist die Verantwortung dafür gleichwohl keineswegs nur bei den Sparkassen zu suchen. Denn wieder einmal kommt Paydirekt zu spät. Längst haben andere Anbieter begonnen, sich in diesem Segment zu etablieren: Paypal Me, Lendstar, Kwitt bei den Sparkassen und Geld senden bei den Genossenschaftsbanken, Cringle oder Cashlink heißen die Angebote. "Gebraucht" wird Paydirekt da eigentlich nicht mehr. Die neue Funktionalität hat mehr einen "Me-too-Charakter". So wird es schwer, den Markt aufzurollen.

Dabei hätte Paydirekt den Erfolg mit der P2P-Anwendung dringend nötig. Denn im B2C-Bereich geht es schleppend voran. Seit dem Start des Konzentratormodells gibt es zwar deutliche Fortschritte bei der Akzeptanz in Online-Shops. 1 100 Shops boten im Juli Paydirekt als Bezahlverfahren an. Allerdings befanden sich darunter eigenen Angaben zufolge nur rund 50 "Top-Online-Händler". Und in der Liste fehlten bis vor Kurzem nicht nur die drei Größten im deutschen E-Commerce (Amazon, Otto und Zalando). Sondern von den zehn umsatzstärksten Online-Shops in Deutschland war nur Alternate dabei - nach EHI-Erhebungen die Nummer acht. Und nicht nur das: Erste Händler schalten dem Vernehmen nach Paydirekt wieder ab, so der Möbelhändler Reuter - Begründung: zu geringe Nutzung. Zahlen zur tatsächlichen Paydirektnutzung, anhand derer sich das nachprüfen ließe, gibt es zwar nicht. Aber allein schon die Tatsache, dass Paydirekt nur die Zahl der registrierten Nutzer veröffentlicht (rund 1,2 Millionen waren das im Juli), sich aber zu Transaktionszahlen und -volumina ausschweigt, kann als deutliches Indiz dafür gesehen werden, dass dies keine Erfolgszahlen sind, die man gerne publiziert. Bei der Nutzung schließt sich der Kreis zur Akzeptanz: Die Bezahlvariante Paydirekt begegnet dem Online-Shopper viel zu selten, um echtes Interesse zu wecken.

Das kann sich nun ein Stück weit ändern: Denn bis zum Jahresende testet die Otto Group, die Nummer zwei im deutschen Online-Handel, das Bezahlverfahren der deutschen Kreditwirtschaft auf otto.de. Dass Paydirekt sich das dem Vernehmen nach einiges kosten lässt - geschenkt. Das sind Werbeinvestitionen. Und ohne Werbung ist der Durchbruch kaum zu schaffen. Dass die Integration in die Kommunikation der Banken nicht ausreicht, hat sich schon lange abgezeichnet. Otto ist die Chance, die Paydirekt so dringend braucht. Kann das Verfahren hier bis zum Weihnachtsgeschäft nicht überzeugen, dann ist der Traum vom großen Markterfolg so gut wie ausgeträumt.

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