Von der Schweiz lernen

Swantje Benkelberg

Aus der Schweiz kommen gute Nachrichten für die etablierten Player: Twint - und nicht etwa das in der Alpenrepublik deutlich früher als in Deutschland eingeführte Apple Pay - ist das meistgenutzte Mobile-Payment-Verfahren. Das allein will noch nicht viel heißen. Aber zwei Millionen Nutzer sind bei einer Gesamtzahl von rund 8,5 Millionen Eidgenossen schon sehr ordentlich. Rund jeder vierte Schweizer - Babys und Greise eingerechnet - bezahlt demnach per Twint, in den relevanten Zielgruppen muss der Anteil also noch höher sein. Bei den für 2020 angestrebten 100 Millionen Transaktionen ergäbe sich - wiederum auf die Gesamtbevölkerung umgerechnet - ein Schnitt von 11,7 Transaktionen pro Kopf. Gigantisch sind diese Zahlen zwar nicht, und ob das alles für die Banken profitabel ist, sei einmal dahingestellt. Doch die Zahlen zeigen: Wenn Banken und Handel an einem Strang ziehen, dann haben sie eine realistische Chance, neuen Wettbewerbern wie den Bigtechs Paroli zu bieten.

Nun ist die Schweiz nicht mit Deutschland oder gar Europa zu vergleichen. In einem so überschaubaren Markt fällt es sicher leichter, sich zusammenzusetzen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln als in Deutschland oder der gesamten EU beziehungsweise der Eurozone. Als Vorbild taugt die Schweiz aber allemal. Richtig gemacht hat man dort beispielsweise, dass das Konzept von Twint dem Handel nicht als fertige Lösung der Banken präsentiert wurde, sondern dass zumindest die großen Handelsunternehmen von Anfang an mit beteiligt waren und Twint deshalb auch vom Start weg unterstützt haben. Marketingzuschüsse - die deutsche Kreditwirtschaft kann ein Lied davon singen - kann man sich dann sparen. Die eine Seite der Henne-Ei-Problematik, mit der sich neue Payment-Angebote immer herumschlagen müssen, ist von Anfang an gelöst.

Richtig gemacht wurde bei Twint zudem, dass das Bezahlverfahren auch von den Banken von Anfang an als Gemeinschaftsprodukt betrachtet wurde und praktisch flächen deckend unterstützt wird. So geht man die zweite Hälfte des Marktes an und sorgt für eine Kundenreichweite, die für die dauerhafte Akzeptanz beim Handel wichtig ist. Hier geht es nicht um Wettbewerb, sondern um ein konsistentes Angebot, um das bargeldlose/mobile Zahlen voranzubringen. Dass jede Bank die App in ihrem eigenen Design an den Mann und die Frau bringt - unbenommen. Wichtig sind die einheitliche Marke und Funktionsweise sowie die Akzeptanz.

Noch immer ist Twint weit davon entfernt, sich auf den Weg zum europäischen Bezahlverfahren zu machen. Ob das jemals gelingen kann, ist fraglich und wird nicht zuletzt davon abhängen, wie es im übrigen Europa weitergeht - in Deutschland mit "Xpay", aber auch mit dem europäischen Payment-Scheme Pepsi. Wann diese Lösungen marktreif sein werden, wie sie aussehen und was sie beinhalten, davon dürfte es abhängen, was aus Lösungen wie Twint oder dem italienischen Jiffy wird - ob sie sich als interoperable nationale Sonderwege halten, in einer neuen Payment-Landschaft aufgehen oder auch schlicht verdrängt werden.

Lernen können Europas Banken von den Eidgenossen dennoch. Dass es bei allem Wettbewerb mehr Gemeinsamkeiten braucht, um die angestammte Position im Zahlungsverkehr und damit an der Kundenschnittstelle nicht zu verlieren, und dass dafür die eine starke Marke anstelle eines Bauchladens an Lösungen erforderlich ist, das haben sie - spät zwar, aber immerhin - erkannt. An der Einbindung des Handels scheint es jedoch immer noch zu fehlen. Die Idee, ein europäisches Payment-Scheme zu schaffen, gefällt dem Handel prinzipiell gut. Schließlich lassen sich dadurch Strukturen vereinfachen und Kosten senken. Bisher jedoch hat es den Anschein, als würde bei Xpay oder Pepsi auf europäischer Ebene der gleiche Fehler wiederholt, den die Kreditwirtschaft schon häufig bei der Entwicklung bargeldloser Bezahlverfahren gemacht hat: Der Handel klagt jedenfalls darüber, in die Beratungen über die neuen Konzepte nicht eingebunden zu sein. Das lässt sich damit begründen, dass es umso schwieriger wird, eine Einigung zu erzielen, je mehr Parteien mit divergierenden Interessen mit am Tisch sitzen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass man am Handel nicht vorbeikommt. Werden dessen Interessen nicht in der Konzeptionsphase berücksichtigt, dann kann sich das später rächen - zum Beispiel in schleppenden Fortschritten bei der Akzeptanz oder - Beispiel Interchange - in gerichtlichen Auseinandersetzungen und letztlich dem Eingreifen des Regulators. Dabei wollen doch beide Seiten das gleiche: weniger Bargeld.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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