Vor dem Stichtag

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag

Ein bisschen ähnelt der Stichtag 14. September 2019 dem 1. Januar 2000 - zumindest für die Payment-Branche. Wie damals haben viele Beteiligte intensiv daraufhin gearbeitet - und wie damals wagt niemand zu prognostizieren, was genau zum Stichtag passieren wird. Sicher ist, dass sich mit dem vollständigen Inkrafttreten der PSD2 vieles im Zahlungsverkehr grundlegend verändern wird. Doch wie genau diese Veränderungen im Detail aussehen werden bleibt unklar. Dass dies so ist, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass - anders als bei der Jahrtausendwende - weit mehr Parteien involviert sind.

So war das "Millennium-Problem" von Anfang an klar umrissen. Und so waren es damals nahezu ausschließlich die IT-Experten, denen es überlassen blieb, die möglicherweise fatalen Auswirkungen der 00 in nur zweistelligen Jahresangaben - wie beispielsweise falsche Sortierungen - zu vermeiden. Bei der PSD2 hingegen fingen die Unklarheiten schon mit den technischen Umsetzungsstandards (RTS) an, deren Verabschiedung nicht nur lange dauerte, sondern überdies auch dann noch Fragen offen ließ, die teilweise erst im Sommer dieses Jahres geklärt wurden. Dazu gehörte die Fragestellung, ob die starke Kundenauthentifizierung über Einmalpasswörter wie die SMS-TAN erfolgen darf. Erst im Juni dieses Jahres hat die EBA, die solche One-Time-Passwords noch im vergangenen Jahr ausschließen wollte, hierzu ihre Meinung geändert - vielleicht aus pragmatischen Gründen, da Biometrie zwar auf dem Vormarsch, aber noch keineswegs flächendeckend verbreitet ist. Ein anderes Beispiel ist die Sepa-Lastschrift, bei der bis vor kurzem offen war, ob beziehungsweise wann sie eine Zwei-Faktor-Authentifizierung erfordert oder nicht.

Neben den Regulatoren und Aufsichtsbehörden sind viele weitere Parteien involviert: Payment-Schemes und Payment-Dienstleister, Kreditinstitute und Handel. Der Handel wirft der Kreditwirtschaft und den Acquirern vor, Lösungen für den Datenaustausch bei 3D-Secure 2.0 zu spät fertiggestellt beziehungsweise die technischen Spezifikationen zu spät verabschiedet zu haben. Andererseits hat es den Anschein, als hätten sich auch Teile des Handels bisher nur unzureichend mit der Thematik befasst. So oder so beißen den sprichwörtlich Letzten die Hunde. Und das sind - nicht zum ersten Mal, wenn es um Veränderungen im Zahlungsverkehr geht - die Händler, diesmal speziell im Online-Handel. Ihnen läuft nicht nur die Zeit für die fristgerechte Umsetzung davon, sondern es droht weiteres Ungemach vonseiten der Kunden. Denn selbst wenn - allen Unkenrufen zum Trotz - alle Vorbereitungen für den Stichtag 14. September rechtzeitig abgeschlossen werden und alle Betroffenen fristgerecht " PSD2-fit" werden sollten, kann doch niemand absehen, wie Kunden reagieren werden.

Klar ist: In vielen Fällen wird das Online-Shopping nicht mehr so funktionieren, wie der Kunde es gewohnt ist. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass es umständlicher wird. Doch allein die Umstellung gegenüber dem Gewohnten könnte dazu führen, dass Online-Shopper ihre gefüllten Warenkörbe an der virtuellen Kasse stehen lassen und den Kaufprozess abbrechen. Der Online-Handel befürchtet jedenfalls einen signifikanten Rückgang der Konversionsraten. Der muss (und wird) zwar vermutlich nicht von Dauer sein, hat aber das Zeug dazu, den Wettbewerb weiter zugunsten der Branchenriesen zu verschieben, die die zu erwartenden Umsatzrückgänge vermutlich weitaus besser verkraften können als so mancher kleine Shop - und die überdies von der Möglichkeit zum Whitelisting am stärksten profitieren werden.

Der Unsicherheitsfaktor auf der Kundenseite hätte sich durch Information im Vorfeld ein Stück weit reduzieren lassen. Die ist allerdings bisher weitgehend ausgeblieben. Banken und Sparkassen haben ihre Kunden zwar mit Blick auf den Online-Banking informiert und entsprechende Änderungen - die Abschaffung der i-TAN - teilweise weit eher als nötig umgesetzt. Mit Blick auf den Online-Handel fehlt es allerdings nach wie vor an der großen Aufklärung. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Solange nämlich die Vorbereitungen nicht abgeschlossen sind und noch gar nicht so klar ist, auf was konkret die Kunden sich eigentlich einstellen müssen, ist auch eine Vorabinformation kaum möglich. Da kann es nur heißen: Vollgas geben, damit eine Informationskampagne wenigstens auf den letzten Metern noch möglich wird. Dass im September massenweise Transaktionen abgebrochen werden, kann schließlich ebenso wenig im Interesse von Banken und Payment-Dienstleistern sein wie in dem von Handel und Verbrauchern.

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