Umwege zum E-Commerce

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag

Im Zusammenhang mit den Soforthilfen für Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erklärte Bundesinnenminister Seehofer die Notwendigkeit einer schnellen Hilfe auch damit, dass die Geschädigten, deren Häuser zerstört wurden, weder über Bargeld noch über eine ec-Karte mehr verfügten. Auch wenn der Name wieder einmal falsch war, zeigt dieses Statement doch einmal mehr, welche Bedeutung die Girocard für die Deutschen nach wie vor hat. Die Zahlen des EHI dazu sind eindrucksvoller denn je: 56,3 Prozent des Umsatzes im stationären Einzelhandel wurden im Corona-Jahr 2020 insgesamt per Karte bezahlt, wiederum 40,1 Prozent mit der Girocard. Damit ist der Vorsprung des Bargeldes (40,9 Prozent) auf hauchdünne 0,8 Prozentpunkte zusammengeschmolzen. Es ist also sehr gut möglich, dass die EHI-Erhebung im kommenden Jahr zutage fördert: Die Girocard ist zum stärksten Bezahlinstrument am stationären PoS in Deutschland geworden.

Die enorme Steigerung des (kontaktlosen) Bezahlens per Girocard im vergangenen Jahr ist natürlich primär auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, die den stationären Einzelhandel erstmals veranlasste, an der Kasse offensiv dafür zu werben. Doch auch zuvor war die Girocard eine Erfolgsgeschichte. Nicht ohne Grund wächst die Anzahl der aktiven Terminals am Netz schon seit Jahren regelmäßig um mindestens 20 000 Geräte pro Jahr - mit steigender Tendenz. 2019 kamen 31 000 Geräte hinzu, 2020 waren es 33 000. Insgesamt waren im vergangenen Jahre damit 904 000 Terminals am Markt.

Leider hat diese Erfolgsgeschichte einen nicht unerheblichen Makel: Nach wie vor ist die Girocard nicht online-fähig. In einem Umfeld, in dem immer mehr Käufe ins Internet verlagert werden, ist dies mehr als nur ein kleiner Schönheitsfehler. Denn hier hat die deutsche Kreditwirtschaft dem Wettbewerb schlicht nichts entgegenzusetzen, wenn man einmal von Paydirekt beziehungsweise jetzt Giropay absieht. Von Marktanteilen, wie sie die Girocard im stationären Einzelhandel aufweist, wagen hier jedoch nicht einmal die größten Optimisten zu träumen. Der Traum von einem "deutschen Paypal" ist schon lange ausgeträumt, auch wenn das niemand offiziell aussprechen möchte. Insofern ist es eine Erfolgsmeldung und peinlich zugleich, dass beziehungsweise wie die Sparkassen-Finanzgruppe es jetzt geschafft hat, erstmals das Bezahlen per Girocard im E-Commerce möglich zu machen: nämlich via Apple Pay (Details siehe Marktnotizen).

"Mit der E-Commerce-Fähigkeit der digitalen Girocard in Apple Pay untermauert die Sparkassen-Finanzgruppe einmal mehr ihre Innovationsführerschaft bei Mobile Payment-Produkten", sagt DSGV-Präsident Hartmut Schleweis. Das stimmt insofern, als es die Sparkassen waren, die nicht nachgelassen haben, Apple Pay überhaupt per Girocard möglich zu machen und sie über dieses Vehikel nun auch in den E-Commerce zu bringen. Dass die Kreditwirtschaft dazu auf US-amerikanische Bigtechs angewiesen ist, ist jedoch ein Armutszeugnis. Und natürlich machen Online-Zahlungen via Girocard für Sparkassenkunden mit i-Phones oder i-Pads die große Angebotslücke für all diejenigen, die mobile Endgeräte anderer Hersteller nutzen, nur umso schmerzlicher bewusst.

Natürlich lässt sich auch diese Lücke durch weitere Kooperationen schließen. Doch wären auch diese nicht mehr als Bypässe, um das eigentliche Problem zu beheben. Im Kerngeschäft Zahlungsverkehr ausgerechnet mit denjenigen Unternehmen zusammenarbeiten zu müssen, deren Rolle im Payment (und zunehmend auch bei anderen Bankdienstleistungen) die Branche doch nur zu gerne eindämmen möchte, das kann auf Dauer nur unbefriedigend sein. Mit Blick auf den boomenden E-Commerce ist die deutsche Kreditwirtschaft deshalb gut beraten, mit vereinten Kräften und mit Hochdruck an einer Lösung zu arbeiten, die zeitnah Online-Zahlungen per Girocard für alle analog zur Kreditkartenzahlung ermöglicht, so wenig trivial das auch sein mag. Bleibt zu hoffen, dass die Arbeiten dazu hinter den Kulissen schon weit vorangeschritten sind. Ansonsten bleibt nur die Hoffnung auf die European Payment Initiative EPI, auf deren künftiges Scheme die Girocard vermutlich perspektivisch ohnehin migrieren wird.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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