Schwerpunkt Non-Performing Loans

Von der "Bad Bank" zum "Unfallchirurgen" in der genossenschaftlichen Finanzgruppe

Das Kreditgeschäft der Volksbanken und Raiffeisenbanken mit über 30 Millionen Firmen- und Privatkunden legte in 2013 um 4,3 Prozent oder 19 Milliarden Euro auf 462 Milliarden Euro zu.1) Genossenschaftsbanken sind - als Teil der Region - damit verlässliche Partner ihrer privaten Kunden und des gewerblichen Mittelstands. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde in die Krise gerät. Wenn irgend möglich, steht die wirtschaftliche Genesung des Kreditnehmers im Vordergrund.

Die Betreuung und Bearbeitung dieser Problemkreditengagements durch die Genossenschaftsbanken erfolgt entweder mit eigenen Einheiten oder wird an einen Spezialisten ausgelagert. Die gemäß einer umfassenden Bestandsanalyse aus Kontodaten, wirtschaftlichen Kundendaten, qualitativen Informationen und Branchenkennziffern als Intensivkunden zugeordneten Engagements werden in der Regel bei der Eigenbearbeitung durch Markteinheiten betreut, während die Problemkredite im engeren Sinne (Sanierung und Abwicklung) ausschließlich in der Marktfolge bearbeitet werden (siehe Abbildung 1).

Die Bearbeitung mit eigenen, speziellen Sanierungs- und Abwicklungsteams erfolgt in Eigenverantwortung, die genossenschaftlichen Verbände bieten jedoch Hilfestellungen bei der Implementierung von angemessenen Bearbeitungsabläufen sowie Musterarbeitsanweisungen an. Zudem bietet die genossenschaftliche Finanzgruppe (GFG) die verbundinterne Übertragung dieser Problemkredite an einen spezialisierten Dienstleister in unterschiedlichen Formen an:

- Bearbeitung im Rahmen des Outsourcings

- Risikoübertragung

- True Sale (Ankauf)

- Konsortialbeteiligung

- Ausgliederung gemäß UmwG

Die Kreditausfälle haben sich in den letzten Jahren in den Genossenschaftsbanken erfreulich reduziert, neue Problemengagements sind rar geworden. Dies ist auch bei der BAG Bankaktiengesellschaft (in der Nachfrage nach Forderungsankauf) spürbar. Die im Jahre 1987 gegründete, damit seit 25 Jahren am Markt etablierte und zu 99,99 Prozent im Eigentum des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) befindliche "Bad Bank" hatte in der Vergangenheit als Spezialist in der genossenschaftlichen Finanzgruppe für Problemkredite ihren Schwerpunkt im Ankauf und der Risikoübernahme von problembehafteten Krediten, Immobilien und Beteiligungen beziehungsweise Fondsanteilen. Ein weiterer Schwerpunkt war die Übernahme und der Betrieb von Spezialimmobilien (Pflegewohnheime, Kliniken, Spaßbädern, Hotels et cetera).

Während die Nachfrage nach Risikoübernahme - trotz Finanzmarktkrise und darauf folgender verschärfter Regulatorik - in der genossenschaftlichen Finanzgruppe deutlich zurückging, wird die Bearbeitung von Non-Performing Loans im Rahmen des Outsourcings vermehrt gesucht. Das Risiko und die Entscheidungshoheit verbleibt hierbei bei der abgebenden Bank. Die veränderten Rahmenbedingungen erhöhen auch bei den Genossenschaftsbanken den Druck nach Prozesseffizienz, optimierter Kapazitätsallokation sowie variablen Kostenstrukturen.

Mehr Outsourcing infolge Effizienzdrucks und neuer Regeln

Wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von internen Optimierungsmaßnahmen auch in den Marktfolgeabteilungen durchgeführt2), so nimmt der Trend nach Auslagerungen im Problemkreditbereich aktuell deutlich zu. Wesentliche Treiber für diese Entwicklung zeigt das aktuelle Arbeitspapier "Konzeptionelle Überlegungen und empirische Befunde zum Outsourcing des Problemkreditgeschäftes in Genossenschaftsbanken und Sparkassen"3) des Finance Center der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Abbildung 2):

Faktoren für ein Outsourcing, also die reine Fremdbearbeitung der Problemkredite, sind demnach die Verbesserung der Kosten-Ertrags-Relation, der Einkauf zusätzlichen Know-hows, die Konzentration auf das Kerngeschäft, Glättung von Spitzenkapazitäten sowie die Flexibilisierung der Kostenstrukturen. Diese Beobachtung wird im Wesentlichen über alle Institutsgruppen der befragten Genossenschaftsbanken und Sparkassen gesehen. Als Faktoren gegen ein Outsourcing im Problemkreditgeschäft werden vor allem der vorhandene Personalbestand sowie Reputationsängste genannt.

Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase und der relativ flachen Zinsstrukturkurve sowie des verschärften Wettbewerbs stellt sich auch den Genossenschaftsbanken, den Volksbanken und Raiffeisenbanken wie den Sparda-Banken und PSD-Banken, die Herausforderung, die Prozesseffizienz zu erhöhen, Wertevernichter zurückzufahren beziehungsweise die Kostenstruktur zu optimieren. In besonderem Maße wirkt auch die Regulatorik als Kostentreiber.4) Dies und die bewusst gesteuerte Reduzierung der eigenen - speziell ausgebildeten - Problemkreditkapazitäten mittels natürlicher Mitarbeiterfluktuation führen zu einer höheren Bereitschaft respektive einem Bedarf, die Betreuung und Bearbeitung der Problemkredite auszulagern. Besonders ausgeprägt ist die Fremdbearbeitung der Inkassofälle, also das Forderungs- und Überwachungsinkasso.

Verbundinterne Lösung

Eine Renaissance des Verkaufs von problembehafteten Engagements zur Entlastung der Bilanz und der Risikoposition und damit eine Abkehr vom Trend einzelne Engagements, Portfolios oder gar das gesamte Volumen zur treuhänderischen Bearbeitung auszulagern, ist aktuell nicht erkennbar.5) Bei Bedarf ist für die genossenschaftlichen Banken hierfür der Weg offen für den verbundinternen Verkauf mittels des transparenten "BAG-Preis-Modells" aus den maßgeblichen Parametern Erlösquoten, Sicherheitenwerte und Verwertungsdauer bereits für kleinere Einzelfälle, aber auch für Portfolios.

Den Genossenschaftsbanken steht durch die BAG - als integraler Bestandteil der genossenschaftlichen Finanzgruppe und auf dem festem Fundament genossenschaftlicher Werte agierend - subsidiär ein umfassendes Leistungsspektrum in dem sensiblen Segment der problembehafteten Engagements zur Verfügung (Abbildung 3). In der Regel erfolgen verbundinterne Auslagerungen von Problemkredite direkt von der Partnerbank zur BAG, möglich ist aber auch der Aufbau eines gemeinsamen Joint Venture (sogenanntes RDZ Regionales Dienstleistungszentrum).

Ein Schwerpunkt der ausgelagerten Bearbeitung für Genossenschaftsbanken bilden derzeit zum Teil komplexe Sanierungsengagements, gewerbliche Kreditnehmer in der Ertrags- beziehungsweise Liquiditätskrise ("single names").

Vor dem Hintergrund der relativ geringen Anzahl der aktuellen Sanierungsengagements in den Häusern der Genossenschaftsbanken fällt in diesem Segment mit Hinblick auf Effizienz und Spezialwissen die Make-or-Buy-Frage oft positiv zugunsten des Servicing aus. Dies verwundert nicht, bedenkt man nicht nur die wirtschaftlichen Risiken, sondern auch die Haftungsrisiken der involvierten Banken bei der Vergabe von Sanierungskrediten respektive während der Sanierungsphase. Schon bei der geforderten Grundsatzentscheidung (Sanierungsbegleitung - Stillhalten - Kündigung) ist dabei ein besonders hohes Maß an Qualifikation zwingend erforderlich.

Regelmäßig gewünscht wird im Verlauf der Bearbeitung die konsortiale Beteiligung an diesen singulären Sanierungskrediten, um den Kreditnehmer auf Basis eines umfassenden Sanierungskonzeptes erfolgreich aus der Krise zu führen. Hier kommt der BAG ihre Vollbanklizenz zugute, wenn es darum geht "fresh money" zu geben, aber auch das geschlossene Frühwarnsystem für die gezielte Rehabilitation des Schuldners.

Die BAG greift in der MaRisk-sicheren Bearbeitung auf diverse Spezialisten der BAG-Gruppe zurück, so auf eigene Wertgutachter (BAG Wert), Terminvertreter (BAG IZV/VR Rechtsberatung), Immobilienmakler (GHG) sowie das eigene Inkassobüro (HFI/GTG). Für spezielle Branchenanforderungen werden eigene Betreibergesellschaften vorgehalten, so beispielsweise die Voyage GmbH für den Betrieb von Hotels. Der Engagement-Manager orchestriert dabei die beteiligten Spezialisten zeit- und aufgabenorientiert im Rahmen eines IT-gestützten Workflow-Prozesses (Abbildung 4).

Das Bearbeitungsziel ist - je nach Segment - entweder die Begleitung der Sanierung, die Wiederherstellung der Kapitaldienstfähigkeit sowie die Überführung in die Normalbetreuung oder die schonende, wertoptimale Verwertung der verfügbaren Sicherheiten auf Basis aktueller Marktwerte sowie die persönliche Vollstreckung. Über die Zielerreichung wird der Auftraggeber regelmäßig mittels sogenannter Meilensteinreportings sowie anlassbezogen, zum Beispiel bei Zielwertabweichungen, informiert. Die Steuerung erfolgt über die barwertige Betrachtung des erwarteten Cashflow im Rahmen fester, zeitlicher Bearbeitungsvorgaben.

Gemeinsame Begleitung in der Bank vor Ort

In regelmäßigen Gesprächen im Rahmen eines systematischen Betreuungskreislaufs werden neue Anforderungen der Gruppe aufgenommen. So wird ab dem zweiten Halbjahr dieses Jahres in der genossenschaftlichen Finanzgruppe eine gemeinsame Begleitung von Problemkrediten dergestalt möglich sein, dass die Betreuung und Bearbeitung weiterhin im Hause der Bank vor Ort erfolgt, der betreffende Mitarbeiter - sofern gewünscht - sich jedoch durch Kapazitäten der BAG beim Aufbau eines Abwicklungskonzeptes beziehungsweise bei der Analyse von Sanierungskonzepten beraten lassen kann.

Auch werden zukünftig neue Schwerpunkte auf das wertschonende Management von als nicht strategisch identifizierten Abbauportfolios sowie die risikoorientierte, mehrperspektivische Betrachtung spezieller Branchen, wie erneuerbare Energien, zu legen sein. Um im Outsourcingverfahren eine möglichst kostengünstige und effiziente Bearbeitung sicherzustellen, wird im Rahmen eines umfassenden IT-Architektur-Projektes der BAG die Integration in das Bankarbeitsverfahren der Partnerbanken angestrebt. Bidirektionale Datenschnittstellen ermöglichen dann einen durchgängigen Geschäftsprozess.

Mit dem effizienten Auslagern der Problemkreditbearbeitung wird mit der Möglichkeit der Fokussierung auf das Kerngeschäft bei nachhaltigen Kostenvorteilen die weitere Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der genossenschaftlichen Banken angestrebt, welche durch die aktuellen BVR-Projekte "Beratungsqualität" und "webErfolg" unterstützt werden soll.6) Damit kommen die Genossenschaftsbanken den Wünschen und Anforderungen ihrer Kunden nach.

Fußnoten:

1) BVR Jahresbericht 2013/Jahrespressekonferenz des BVR am 12. März 2014 in Frankfurt am Main.

2) Vergleiche zu Outsourcingmodellen: Theurl, T.: Outsourcing - Geschäftsmodell der Zukunft, Modeerscheinung oder bewährte Praxis mit Tradition, in: Outsourcing und Finanz-Verbund, Theurl, T./Krawinkel, M. (Hrsg.) Aachen, 2003, zu empirischen Ergebnissen vergleiche Spandau, J.: Interne Prozessoptimierung und Auslagerung in der genossenschaftlichen Finanzgruppe - Erste Ergebnisse einer empirischen Erhebung, Arbeitspapier Nr. 118 des Instituts für Genossenschaftswesen, 2011.

3) Pfingsten, A./Bélorgey, C./Hesse, F.: Konzeptionelle Überlegung und empirische Befunde zum Outsourcing des Problemkreditgeschäftes in Genossenschaftsbanken und Sparkassen, Arbeitspapier des Finance Center Münster, 06/2014.

4) Vergleiche hierzu auch: Hofmann, G.: Europäische Bankenunion: Perspektiven und Handlungsoptionen für die genossenschaftliche Finanzgruppe, Wissenschaft und Praxis im Gespräch, IfG Münster am 26. März 2014.

5) Zu Problemkreditvolumina 2013/14 vergleiche auch BKS e.V. Jahrespublikation 2014.

6) Vergleiche hierzu Baecker, W.: Erfolgs-Rezept "Genossenschaftliche Beratung" - Über Risiken und Nebenwirkungen!, Wissenschaft und Praxis im Gespräch, IfG Münster am 26. März 2014 sowie Mellis, R.: "Will ich als Bank schön sterben?", in: Genossenschaftsblatt 03/2013.

Andreas Zeiselmaier , Vorsitzender des Vorstands , Rheingauer ­Volksbank eG, Geisenheim
Noch keine Bewertungen vorhanden


X