Kirche und Immobilien

Entwicklungschancen für kirchliches Immobilienvermögen

Wenn heute von der Entwicklung kirchlichen Immobilienvermögens die Rede ist, spricht man über kirchliches Immobilienmanagement. Inwiefern sich das kirchliche Immobilienmanagement vom Umgang mit nichtkirchlichen Gebäuden unterscheidet, soll in diesem Beitrag beantwortet werden. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie mit Gebäuden im kirchlichen Besitz umgegangen werden kann.

Von welchen Gebäuden ist die Rede? Das Gros der Bauten gehört den beiden großen Kirchen in Deutschland: etwa 75 000 Gebäude den Körperschaften der evangelischen Kirche und etwa 60 000 Gebäude der katholischen Kirche. Dazu kommen die Gebäude der Ordensgemeinschaften. Allein in der katholischen Welt der Orden gibt es an die 2 000 klösterliche Niederlassungen. Die beiden Kirchen zählen somit zu den größten Immobilienbesitzern in Deutschland.

Besondere Werte

Die große Anzahl der Immobilien ist jedoch nicht das Besondere. Sehr große Immobilienbesitzer gibt es mehrere in der Bundesrepublik. Das Besondere ist der Wert der Gebäude - nicht der Verkehrswert, sondern der Symbolwert. Dabei spielen die Kirchengebäude die Hauptrolle. Sie wirken nach Außen und nach Innen. Nach Außen als Ort kirchlicher Präsenz. Als Kern der mittelalterlichen Siedlungsstruktur sind sie noch heute häufig zentraler Bestandteil des Ortes. Sie stiften Identität, sind Ankerpunkte auch für Menschen, die sich am kirchlichen Leben nicht beteiligen. Schließlich sind Kirchen Orte von Kunst und Geschichte. Sie sind Denkmäler, die historische und künstlerische Zeugnisse ablegen. Für die Gläubigen geht der Symbolwert der Kirchengebäude noch weiter, hier wirken sie nach Innen. Für Gläubige sind die Kirchen Orte des Heiligen, ein sakraler Raum, in dem bei den vielfältigen Gottesdiensten, im Laufe des Kirchenjahres heilige Handlungen vollzogen werden. Gläubige Menschen nutzen die Kirche, um ihre Frömmigkeit zu leben, zu beten, sich zurückzuziehen. Die Kirchengebäude machen allerdings nur etwa ein Drittel der Gebäude im kirchlichen Besitz aus. Der größere Teil sind Gemeindezentren, Wohngebäude, Verwaltungsgebäude, Kindergärten und Pfarrhäuser.

Von welchen Gebäuden ist also die Rede? Neben den historischen, häufig denkmalgeschützten Gebäuden im Besitz der Kirchen, spielen Gebäude, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, eine wichtige Rolle im derzeitigen kirchlichen Gebäudebestand. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es - vor allem in der Periode wirtschaftlicher Prosperität in Westdeutschland, beginnend in den fünfziger Jahren bis etwa 1990 - rege Bautätigkeit bei kirchlichen Gebäuden. Explosionsartig entstanden Pfarr- und Jugendzentren, Kindergärten und Pfarrhäuser. Oft wurden neue Pfarreien in den rasant wachsenden Siedlungsgebieten gegründet. Die Gebäude wurden flächenmäßig meist sehr großzügig konzeptioniert. Bei den verwendeten Baumaterialien und der Bauweise spielten energetische Aspekte keine oder nur eine untergeordnete Rolle.

Einfluss der gesellschaftlichen Veränderungen

Seit dem Ende des vorherigen Jahrhunderts zeichnet sich nun eine neue Phase ab. Die Megatrends, die zu lang anhaltenden und tief greifenden Veränderungen unserer Gesellschaft führen, beeinflussen auch die Kirche. Da ist zum einen die Veränderung der Werte in der Gesellschaft zu beobachten. Durch Austritte verliert die Kirche zunehmend an Mitgliedern. Dazu kommt eine geringere Teilhabe am kirchlichen Leben, auch von Menschen die der Kirche weiterhin angehören. Der demografische Wandel wirkt ähnlich. So wie die gesamte Gesellschaft schrumpft und die Altersstruktur sich ändert, so geschieht es auch in den Kirchengemeinden. Halten diese Trends an, rechnet die Evangelische Kirche Deutschland mit etwa einem Drittel weniger Kirchenmitglieder im Jahre 2030. Ein weiterer Megatrend ist der Klimawandel mit seinen Auswirkungen. Er stellt neue Ansprüche an den Umgang mit Energie, an die bestehenden Gebäude und an den Neubau. Die hohen Energiepreise belasten die Gemeinden stark.

Was kommt da auf die Kirchen zu? Die kirchlichen Immobilienbesitzer sind nun in mehrfacher Hinsicht gefordert: Der Alterungsprozess von Gebäuden unterliegt einem Zyklus. Die Gebäude erzeugen idealtypisch in regelmäßigen Abständen Investitionsspitzen. Bei Nachkriegsbauten fallen nach etwa 30 bis 40 Jahren stark überdurchschnittliche Instandhaltungskosten an. Abgeleitet von den Boomphasen des Bauens rollt aktuell eine gewaltige Instandhaltungskostenwelle auf die Kirchen zu. Ganz zu schweigen von den zahlreichen historischen und denkmalgeschützten Gebäuden, die die Kirchen vor gewaltige Herausforderungen in Punkto Sanierung und energetische Modernisierung stellen. Schon 2005 beliefen sich die Kosten für den Unterhalt und die Pflege kirchlicher Gebäude und Grundstücke in der Evangelischen Kirche in Deutschland auf knapp 1,1 Milliarden Euro. Das sind fast elf Prozent des Gesamthaushaltes (Kirchenamt der EKD, 2009).

In Zukunft wird sich die Situation verschärfen. Die Joseph-Stiftung kann auf die Erfahrung aus der Erfassung und Bewertung von etwa 10 000 kirchlichen Gebäuden in ganz Deutschland zurückgreifen. Dabei wurde den Gebäuden im Großen und Ganzen ein guter Zustand attestiert. Das überrascht nicht, denn die finanzielle Ausstattung der kirchlichen Besitzer erlaubte bisher eine nachhaltige Instandhaltung. In Zukunft wird sich die Instandhaltung allerdings auf reinen Substanzerhalt, mit unter auch auf die reine Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht beschränken müssen. Das hat zur Folge, dass der Instandhaltungsstau nicht linear, sondern exponentiell wächst, denn kleine Schäden an Gebäuden können größere Schäden verursachen.

Dazu kommt der Modernisierungsstau. Die Gebäude entsprechen häufig weder dem heutigen energetischen Standard, noch genügen sie zeitgemäßen Ansprüchen, wie Barrierefreiheit oder bedarfsgerechtem Grundriss von Gebäuden und Wohnungen. Bei den vorgehaltenen Flächen für die pastorale Arbeit, also Pfarrsäle oder Gruppenräume, gibt es eine Diskrepanz zum Bedarf. Beim Aufmaß der Versammlungsflächen in einem Bistum hat die Joseph-Stiftung eine durchschnittliche Abweichung vom Bedarf von etwa 50 Prozent festgestellt. Die Trendwende hat hier bereits eingesetzt. Das Zusammenlegen von Pfarreien soll sowohl den Personal- als auch den Bauhaushalt entlasten. Werden aber drei Pfarreien zusammengelegt, gibt es zwei Pfarrhäuser zu viel.

Lösungsansätze

Welche Lösungsansätze bieten sich? Den Gebäudebestand reduzieren, die Flächen verdichten und für die Nutzung der Gebäude ein innovatives Konzept entwickeln - das sind die Wege, die es einzuschlagen gilt. Ziel ist die kluge Anpassung der bestehenden Strukturen an veränderte Bedingungen - zusammengefasst unter dem Begriff "Intelligent Shrinking". Doch was lässt sich schrumpfen? Die Joseph-Stiftung hat verschiedene Lösungsansätze entwickelt, um die kirchlichen Gebäudebesitzer zu unterstützen. Ist die Entscheidung den Gebäudebestand neu zu ordnen gefallen, ist eine umfassende Bestandsaufnahme unverzichtbar. Nur ein umfassendes, systematisches Wissen über technische und kaufmännische Gegebenheiten sowie pastorale Aspekte, hilft bei der Beurteilung des Gesamtbestandes der Gebäude.

Die Bestandserfassungen vor Ort, die Darstellung der Daten in Softwarelösungen und schließlich die Auswertung der Ergebnisse liefern wichtige Daten und Prognosen zu den zu erwartenden Kosten. Die Gebäudekosten und der Wertverzehr lassen sich vollständig darstellen. Auf dieser Grundlage können die weiteren notwendigen Entscheidungen getroffen werden: Welche Gebäude sollen gehalten werden? Wann müssen die erforderlichen Mittel zur nötigen Instandhaltung der gehaltenen Gebäude bereitgestellt werden? Das reaktive Verhalten weicht einem aktiven, vorausschauenden Handeln.

Die Portfolioanalyse, modifiziert für kirchliche Immobilien, bietet eine gute Basis, um die kirchlichen Gebäude einzuteilen. Im Gegensatz zum Immobilienmanagement der Wirtschaft, gelten bei kirchlichen Immobilien andere Maßstäbe, insbesondere bei den Immobilien, die unmittelbar der kirchlichen Auftragserfüllung dienen, also Kirchen und Kapellen. Ihr Verkehrswert ist meist gering, ihr Symbolwert dagegen hoch. Hier tut sich die Kirche bei Fragen der Veräußerung oder Umnutzung zu Recht sehr schwer.

Bei den Gebäuden, die der mittelbaren Auftragserfüllung dienen, also Pfarrhäuser, Gemeindezentren oder Kindergärten, sind Nutzung, Lage, Zustand, Betriebskosten, aber auch die pastorale Bedeutung die entscheidenden Dimensionen der Analyse. Folgende Fragen sollten dabei beantwortet werden: Können Flächen gemeinsam genutzt werden? Können Gebäude vermietet, veräußert oder umgenutzt werden? Wo soll investiert werden, wo besser nicht? Bei der dritten Gruppe, den Immobilien des kirchlichen Finanzvermögens (also Wohnungen, Gewerbebauten, Erbbaurechte), sollten eindeutige, betriebswirtschaftliche Ziele verfolgt werden: Ertrag steigern, Kosten senken. Viele Gebäude sind inzwischen auf den Markt gekommen, in den nächsten Jahren werden es noch mehr sein.

Nach der Analyse des Bestandes, fallen Entscheidungen. Die Joseph-Stiftung konnte nach erfolgter Bestandserhebung und Analyse zusammen mit den Gemeinden an einigen Standorten neue Projekte entwickeln. Exemplarisch sei hier ein Projekt herausgegriffen: Die Abbildung zeigt die Situation des gemeindeeigenen Areals nach Projektabschluss. Von den sieben Gebäuden der Gemeinde sind zwei erhalten geblieben: die Kirche und das alte Kloster, beide unter Denkmalschutz. Das restliche Areal wurde von der Joseph-Stiftung neu bebaut. Gebäude zur mittelbaren Auftragserfüllung, die Kindertagesstätte und das Gemeindezentrum, entsprechen den Anforderungen der heutigen Zeit. Auf weiteren Flächen wurden Wohnungen im Geschoßwohnungsbau errichtet. Die Gemeinde erzielt Erträge aus der Erbpacht. Ein Teil der Wohnungen entspricht dem Modell "In der Heimat wohnen - ein Leben lang". Die älteren Bewohner der Anlage können in Verbindung mit den Dienstleistungen der Caritas bis zur höchsten Pflegestufe 3 in ihren Wohnungen wohnen bleiben. Für die Kirchengemeinde liegen die Vorteile auf der Hand: Sie hat nun einen zukunftsfähigen Gebäudebestand, die Flächen und vor allem die Betriebs- und Unterhaltskosten sind reduziert. Die Gemeinde ist gewappnet. Sie hat die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft gefunden - pastoral, sozial, wirtschaftlich und energetisch.

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