Neue Kapitalmarktprodukte

Immobilienderivate - bereit für eine neue Wachstumsgeschichte?

Das derzeit beliebteste "Zauberwort" der Kapitalmärkte heißt Derivate, weil sich mit Swaps und Optionen, mit Futures und Quantos Risiken so "einfach" abschirmen - neudeutsch: hedgen - lassen. Da mittlerweile in Immobilien fast nur noch Cash-Flow-orientiert investiert und die Assetklasse dabei zunehmend mobilisiert wird, entwickeln sich auch hierfür derivative Instrumente. Damit diese richtig wirken, braucht es repräsentative Indizes, an denen es nach Meinung der Autoren bisher aber noch weitgehend mangelt. Trotzdem schätzen sie das Potenzial für deutsche Immobilienderivate auf 25 Milliarden Euro. (Red.)Immobilien sind das Paradebeispiel für reale Investitionen, und daher verbinden viele Anleger mit dem Immobilieninvestment geringes Risiko und eine stetige Wertentwicklung. Dies ist jedoch kein Naturgesetz. Tatsächlich lassen sich Immobilieninvestitionen eher durch ihre spezifischen als durch ihre geringen Risiken kennzeichnen. So sind Immobilien viel stärker einem Standortrisiko ausgesetzt als Aktien oder Anleihen. Direkte Immobilienanlagen mit hohem Liquiditätsrisiko Darüber hinaus kann sich eine Immobilientransaktion häufig über Wochen, teilweise über Monate hinziehen. Einige Objekte lassen sich gar nicht mehr vermarkten. Es gibt also ein nennenswertes Liquiditätsrisiko. Und selbst wenn ein zügiger Deal gelingt, sind erhebliche Transaktionskosten in Kauf zu nehmen: je nach Objekt und Land zwischen fünf und 15 Prozent des Kaufpreises. Die Frage ist also, wie lassen sich die spezifischen Vorteile einer Immobilieninvestition realisieren, und gleichzeitig die Kosten und Risiken dieses Exposures senken? Eine moderne Antwort auf diese Frage lautet: durch Immobilienderivate. Denn bei Derivaten auf Immobilienindizes werden keine Immobilien gehandelt, sondern es werden Zahlungsströme getauscht, und das ist im Grunde unkompliziert. Ein Immobilieninvestor erhält beispielsweise für einen vereinbarten Zeitraum von seinem Vertragspartner einen festen Zinssatz und zahlt im Gegenzug die jährliche Gesamtrendite eines zuvor gewählten Immobilienindex. Dadurch kann er sein allgemeines Immobilienmarktrisiko hedgen. Gleichzeitig sichert sich die Vertragsgegenseite ein reines Immobilienengagement. Gerade weil lediglich der Austausch von Zahlungsströmen vereinbart wird, lassen sich sehr flexible, kostengünstige Vehikel entwickeln, die zudem eine schnelle Marktreaktion erlauben. Die Vorteile der "schönen neuen Immobilienderivatewelt" werden bereits seit über 15 Jahren in der wissenschaftlichen Literatur propagiert, seit drei Jahren etablieren sich nun auch funktionierende Märkte. Dabei ist London (wieder einmal) der Schrittmacher der Entwicklung: Im ersten Quartal 2007 erreichte der kumulierte Nominalbetrag der Derivate auf den IPD-Index für UK ein Volumen von 7,6 Milliarden Britische Pfund. Innerhalb eines Jahres hat sich das Volumen damit versechsfacht. Die starke Preisdynamik gerade auf den Londoner Immobilienmärkten dürfte hier als zusätzlicher Katalysator wirken. Tendenz zu komplexeren Strukturen bei Derivaten Überwiegend werden noch einfache Total-Return-Swaps auf den Gesamtindex vereinbart. Doch die Bedeutung von Optionen sowie von Quantos zur Reduktion des Wechselkursrisikos nimmt rapide zu. Das Bedürfnis nach maßgeschneiderten Lösungen lässt darüber hinaus neue und komplexere Strukturen entstehen. Hierbei spielen der Risikoaustausch zwischen regionalen Immobilienmärkten in Europa (und der Welt) sowie der Austausch von Sektorrisiken eine wachsende Rolle. Ein Immobilieninvestor kann durch solche Vehikel sein Exposure zum Beispiel auf dem Markt für britische Einzelhandelsimmobilien reduzieren, ohne sich tatsächlich von den Objekten trennen zu müssen. Märkte für Immobilienderivate entwickeln sich Großbritannien eilt zwar voraus, eine Vielzahl anderer Märkte folgt jedoch bereits. In den USA wächst der Markt für Immobilienderivate mittlerweile ebenfalls rasant, und auch hier dürfte die Sorge vor Preisrückgängen ein wichtiges Argument für die Marktentdeckung gewesen sein. In Asien und Australien fasst das neue Instrument ebenso Fuß; sowohl in Hongkong als auch Australien wurden im Laufe dieses Jahres erste Immobilienswaps vereinbart. Sogar in Deutschland belebt sich der Markt. Gerade hier lohnt jedoch noch die Verbesserung der bisher zugrunde liegenden Indizes, da diese erst ein spezifisches Marktsegment abbilden. Der Investor kann dementsprechend auch nur dieses spezifische Teilrisiko absichern - nicht jedoch das gesamte Marktrisiko. Das bedeutet dann freilich implizit auch, dass alle Marktteilnehmer, deren Portfolio besonders stark mit diesem Marktsegment korreliert, auch ein großes Interesse an einer Absicherung durch ein Derivat auf solch einem Index haben dürften (zum Beispiel Offene Fonds, die einen Anlageschwerpunkt in Deutschland haben durch ein Derivat auf den Dix, den Gesamtrenditeindex der Analysefirma IPD für den deutschen Markt). Steht in Großbritannien die Absicherung von Risiken im Vordergrund der Marktdynamik, ist es in Deutschland gerade auch die Möglichkeit, mit einem Derivat ein Engagement in dem begehrten deutschen Immobilienmarkt zu erhalten, ohne eine langwierige Due Diligence durchlaufen zu müssen. Das gilt vor allem auch, weil der deutsche Immobilieninvestmentmarkt noch nicht die Tiefe erreicht hat, wie es für die größte Volkswirtschaft Europas angemessen wäre. Deutlich sinkende Mietrenditen zeigen, dass aktuell mehr Kapital deutsche Immobilien sucht, als der Investmentmarkt zu bieten scheint. Derivate bieten dieser Liquidität neue immobiliennahe Kapitalmarktprodukte. Erwartetes Marktvolumen von 25 Milliarden Euro Für die nächsten Jahre ist mit anhaltend starkem Marktwachstum sowohl in UK als auch in Kontinentaleuropa, USA und Asien zu rechnen. Der britische Markt könnte bis Ende 2010 auf 100 Milliarden Britische Pfund anschwellen. Für Deutschland ist zum selben Zeitpunkt ein Marktvolumen von rund 25 Milliarden Euro zu erwarten. Diese Prognose für den deutschen Markt beruht freilich auf der Annahme, dass es der Branche gelingt, ein breiteres Angebot an aussagefähigen Immobilienindizes zu entwickeln. Wichtiger als das rein quantitative Wachstum dürfte in den nächsten Jahren allerdings die qualitative Entwicklung zu einem breiter aufgefächerten und damit zielgenaueren Produktangebot sein. Sektorspezifische und regionale Chancen, auch grenzüberschreitend, lassen sich schneller und zu geringen Transaktionskosten nutzen und Risiken effektiv mindern. Diese Vorteile werden auf die realen Investmentmärkte ausstrahlen, denn die Daten, die in Derivatepreisen enthalten sind, bieten allen Marktteilnehmern wichtige Informationen.

Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg
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