Bewertungsfragen

Sachwertrichtlinie und NHK 2010 im Kontext der Beleihungswertermittlung

Im Oktober 2012 ist die Sachwertrichtlinie in Kraft getreten. Sie gibt Hinweise für die Ermittlung des Sachwerts nach den Regelungen der Immobilienwertermittlungsverordnung - ImmoWertV. Ihre Anwendung soll die Ermittlung des Sach- beziehungsweise Verkehrswerts von Grundstücken nach einheitlichen und marktgerechten Grundsätzen sicherstellen. Ihr Hauptanwendungszweck ist also die Verkehrs- respektive Marktwertermittlung.

Aber auch in der Kreditwirtschaft wird zur Ermittlung des Beleihungswerts in vielen Fällen der Sachwert der Immobilie ermittelt. So sind nach den Regelungen der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) zur Ermittlung des Beleihungswerts grundsätzlich der Ertragswert und der Sachwert des Beleihungsobjekts getrennt nach dem sogenannten Zwei-Säulen-Prinzip zu ermitteln. Nur in wenigen Fällen kann eine Ermittlung des Sachwerts entfallen. Besondere Bedeutung hat das Sachwertverfahren in der Beleihungswertermittlung bei der Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern. Denn hier entfällt in der Regel eine Ermittlung des Ertragswerts und der Beleihungswert orientiert sich ausschließlich an dem Sachwert.

Zudem darf der Beleihungswert nach den Regelungen des Pfandbriefgesetzes einen auf transparente Weise und nach einem anerkannten Bewertungsverfahren ermittelten Marktwert nicht übersteigen. Das bedeutet, dass bei jeder Beleihungswertermittlung parallel zum Beleihungswert auch ein Marktwert zu ermitteln ist. Hierbei ist grundsätzlich bei in Deutschland gelegenen Immobilien auf die Regelungen der ImmoWertV und ergänzend der Sachwertrichtlinie abzustellen. Es stellt sich also die Frage, inwieweit die neuen Regelungen der Sachwertrichtlinie im Rahmen der Beleihungswertermittlung Beachtung finden sollten.

Verbindlichkeit und Verfahren

Wie eingangs bereits erwähnt, gibt die Sachwertrichtlinie nur Hinweise für die Ermittlung des Sachwerts nach den Regelungen der ImmoWertV. Sie ist somit grundsätzlich weder für die Verkehrswertermittlung noch für die Beleihungswertermittlung verbindlich. Für die Beleihungswertermittlung enthält die Richtlinie auch nur insofern Hinweise, wie die Regelungen der Beleihungsvorschriften (zum Beispiel der BelWertV) den Regelungen der ImmoWertV entsprechen.

Die Abbildung zeigt den in der Sachwertrichtlinie geregelten Verfahrensgang in einem Ablaufschema. Der dargestellte Prozess entspricht den Vorgaben der ImmoWertV. Hiernach setzt sich der vorläufige Sachwert des Wertermittlungsobjekts aus dem Bodenwert und den Sachwerten der baulichen Anlagen und der Außenanlagen zusammen. Die Sachwerte der baulichen Anlagen sind ausgehend von den Herstellungskosten unter Berücksichtigung der Alterswertminderung zu ermitteln. Dies entspricht im Wesentlichen den Regelungen der BelWertV.

Es gibt jedoch auch wesentliche Unterschiede in den Verfahrensabläufen. So sind in der Beleihungswertermittlung nach BelWertV die Sachwerte der baulichen Anlagen und Außenanlagen noch um einen Sicherheitsabschlag von mindestens zehn Prozent zu kürzen. Einen solchen Abschlag sieht die Sachwertrichtlinie nicht vor. Allerdings ist der vorläufige Sachwert im Rahmen der Marktwertermittlung gemäß Sachwertrichtlinie mit einem geeigneten Sachwertfaktor an die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt anzupassen. Einen solchen Sachwertfaktor kennt die BelWertV grundsätzlich nicht.

Auch die Behandlung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale ist im Verfahrensablauf unterschiedlich geregelt. Diese sind gemäß Sachwertrichtlinie regelmäßig nach der Marktanpassung zum Beispiel mit marktgerechten Zu- und Abschlägen am marktangepassten vorläufigen Sachwert zu berücksichtigen. Die Bel-WertV unterscheidet hier zwischen "sonstigen wertbeeinflussenden Umständen" (ins besondere eine wirtschaftliche Überalterung, ein über- oder unterdurchschnittlicher Erhaltungszustand und ein erhebliches Abweichen der tatsächlichen von der vorgesehenen Nutzung) und Instandhaltungsrückstau sowie Baumängel und Bauschäden. Die sonstigen wertbeeinflussenden Umstände sind gemäß BelWertV durch Zu- und Abschläge oder in anderer geeigneter Weise am Sachwert der baulichen Anlagen und Außenanlagen zu berücksichtigen. Die Wertabschläge für Instandhaltungsrückstau sowie Baumängel und Bauschäden setzen hingegen am Beleihungswert an. Also - sofern sich der Beleihungswert am Sachwert orientiert - an der Summe aus Bodenwert und den Sachwerten der baulichen Anlagen und Außenanlagen.

Herstellungskosten, Baunebenkosten

Gemäß Sachwertrichtlinie sollen zur Ermittlung der Herstellungskosten eines Gebäudes vorrangig die in Anlage 1 der Richtlinie tabellierten Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010) zugrunde gelegt werden. Die BelWertV verwendet den Begriff der Normalherstellungskosten nicht; nimmt dafür Bezug auf Erfahrungssätze. Da es sich bei den Normalherstellungskosten um Erfahrungssätze im Sinne der BelWertV handelt, können diese grundsätzlich auch bei der Beleihungswertermittlung herangezogen werden.

Die in der Sachwertrichtlinie tabellierten NHK 2010 enthalten bereits die Baunebenkosten. In der Beleihungswertermittlung ist der Ansatz der Baunebenkosten in der Regel auf 20 Prozent der Herstellungskosten beschränkt. Die Höhe der in die NHK eingerechneten Baunebenkosten wird in den Tabellenwerken gesondert ausgewiesen. So betragen diese zum Beispiel bei Ein- und Zweifamilienhäusern 17 Prozent. Es gibt jedoch auch Gebäudearten, wie beispielsweise gemischt genutzte Wohnhäuser sowie Banken und Geschäftshäuser, bei denen der Grenzwert von 20 Prozent überschritten wird. Streng genommen, sind diese NHK für Beleihungszwecke entsprechend zu reduzieren, was jedoch wegen der Geringfügigkeit der Wertauswirkung als wenig sinnvoll erachtet wird.

Die Sachwertrichtlinie verzichtet ganz bewusst auf eine Regionalisierung der NHK 2010. Diese erfolgt im Rahmen der Marktanpassung mittels Sachwertfaktoren. Die BelWertV sieht jedoch vor, dass die angesetzten Herstellungskosten regional angemessen sein müssen. Wird in der Beleihungswertermittlung auf eine Marktanpassung mittels der Sachwertfaktoren verzichtet, so sind demnach die NHK 2010 abweichend von den Regelungen der Sachwertrichtlinie an die örtlichen Baupreisverhältnisse anzupassen. Hierzu kann zum Beispiel auf die vom Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern - BKI herausgegebenen und jährlich aktualisierten Regionalfaktoren zurückgegriffen werden. Anders als bei den bislang gebräuchlichen NHK 2000 werden die NHK 2010 nicht mehr nach Gebäudebaujahrsklassen unterschieden. Die Berücksichtigung des Baujahres erfolgt nun ausschließlich im Rahmen der Alterswertminderung.

Vergleicht man die NHK 2010 mit den bislang gebräuchlichen NHK 2000, so stellt man zumindest für die Gebäudeart Ein- und Zweifamilienhäuser fest, dass die neuen NHK zum Teil deutlich niedriger sind (im Durchschnitt 20 Prozent) als die alten NHK. In der Marktwertermittlung wird dies durch erhöhte Sachwertfaktoren ausgeglichen. Im Durchschnitt hat dies also keine Auswirkung auf den marktangepassten vorläufigen Sachwert. Dies gilt ebenso für die Beleihungswertermittlung, wenn auch hier eine entsprechende modellkonforme Marktanpassung erfolgt. In den Fällen, in denen auf eine solche Marktanpassung verzichtet wird, führen die niedrigeren Normalherstellungskosten in letzter Konsequenz auch zu reduzierten Beleihungswerten.

Die NHK 2010 zeichnen sich gegenüber den NHK 2000 insbesondere durch differenziertere und aktuellere Ansätze aus. Auch die Relationen der einzelnen Werte untereinander sind gegenüber der WertR-Fassung der NHK 2000 plausibler. Ihre Anwendung ist deshalb grundsätzlich auch in der Beleihungswertermittlung empfehlenswert.

Alterswertminderung, Gesamt- und Restnutzungsdauer

Die auf der Grundlage der NHK 2010 mit Hilfe des Baupreisindexes auf den Wertermittlungsstichtag bezogenen Herstellungskosten sind gemäß der Sachwertrichtlinie unter Berücksichtigung des Verhältnisses der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes zu mindern (Alterswertminderung). Dies entspricht den diesbezüglichen Vorgaben der Bel-WertV.

Darüber hinaus regelt aber die Sachwertrichtlinie, dass die Alterswertminderung linear zu erfolgen hat. Eine solche Festlegung trifft die BelWertV zwar nicht. Bei Anwendung der NHK 2010 in der Beleihungswertermittlung ist jedoch wegen der fehlenden Baujahresanpassung der Herstellungskosten eine lineare Alterswertminderung dringend zu empfehlen.

Bei der Gesamtnutzungsdauer handelt es sich um eine Modellgröße (so auch die Sachwertrichtlinie). Die Anlage 3 der Richtlinie enthält hierzu Orientierungswerte für die unterschiedlichen Gebäudearten. Für Wohnhäuser wird die in Anlage 2 der BelWertV tabellierte Höchstgrenze von 80 Jahren nun auch für die Marktwertermittlung in der Sachwertrichtlinie als maximale Gesamtnutzungsdauer festgelegt. Insofern erfolgt eine Harmonisierung der Orientierungswerte für die übliche Gesamtnutzungsdauer in der Marktwertermittlung mit den für die Beleihungswertermittlung geltenden Erfahrungssätzen. Für nahezu alle anderen Gebäudearten lässt die Sachwertrichtlinie jedoch höhere Gesamtnutzungsdauern als die BelWertV zu. Im Rahmen der Beleihungswertermittlung nach BelWertV können somit die oberen Grenzwerte der Sachwertrichtlinie nur bei Wohnhäusern angehalten werden.

Punktrastermethode für Eigenheimbewertung geeignet

Ist die bei ordnungsgemäßem Gebrauch übliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen durch Instandsetzungen oder Modernisierungen verlängert worden oder haben unterlassene Instandhaltungen zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer geführt, so soll gemäß den BelWertV-Regelungen in der Beleihungswertermittlung der Bestimmung der Alterswertminderung die geänderte Restnutzungsdauer und die für die bauliche Anlage übliche Gesamtnutzungsdauer zugrunde gelegt werden. Eine entsprechende Regelung findet sich auch in der Sachwertrichtlinie.

Allerdings geht auch hier die Richtlinie einen Schritt weiter und normiert in Anlage 4 die Bestimmung der Restnutzungsdauer modernisierter Gebäude mit Hilfe der sogenannten "Punktrastermethode". Dieses Verfahren eignet sich insbesondere, um die Bewertungsprozesse bei der Bewertung wohnwirtschaftlich genutzter Immobilien im Kleindarlehensbereich zu vereinfachen und zu standardisieren. Es wird deshalb empfohlen, diese auch bei der Beleihungswertermittlung von Wohnhäusern grundsätzlich zu verwenden.

Marktanpassung, Sachwertfaktoren

Zur Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt einschließlich der regionalen Baupreisverhältnisse ist gemäß Sachwertrichtlinie der im Wesentlichen nur kostenorientiert ermittelte vorläufige Sachwert in der Marktwertermittlung an die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem örtlichen Grundstücksmarkt anzupassen. Hierzu ist der vorläufige Sachwert mit dem zutreffenden Sachwertfaktor zu multiplizieren, der aus dem Verhältnis geeigneter Kaufpreise zu entsprechenden vorläufigen Sachwerten ermittelt wird.

Der Beleihungswertermittlung ist eine solche Marktanpassung bislang weitgehend fremd. Entsprechend sieht die Bel-WertV eine Marktanpassung nicht ausdrücklich vor. In den letzten Jahren hat sich jedoch bei einigen Kreditinstituten die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Marktanpassung auch in der Beleihungswertermittlung aus verschiedenen Gründen unverzichtbar ist.

Sprengnetter hat schon kurz nach dem Inkrafttreten der Sachwertrichtlinie für das neue NHK-2010-Modell passende Sachwertfaktoren ermittelt und bereitgestellt. Die Gutachterausschüsse haben 2013 intensiv Kaufpreise ausgewertet und darauf basierend in dem neuen Modell Sachwertfaktoren abgeleitet, die voraussichtlich überwiegend im Laufe des Jahres 2014 erstmals veröffentlicht werden. Im Vergleich zu den Sachwertfaktoren des NHK-2000-Modells ergeben sich deutlich geringere Marktanpassungsabschläge (beziehungsweise höhere Faktoren).

Insbesondere bei hohen Bodenwertniveaus und auch bei niedrigen Substanzwerten ergeben sich häufiger als bislang keine Abschläge, sondern Zuschläge. Die Sachwertfaktoren sind also oft größer als 1. Die Anwendung solcher Zuschläge ist in der Beleihungswertermittlung umstritten. Zum Teil wird die Meinung vertreten, dass Marktanpassungszuschläge in der Beleihungswertermittlung dem Vorsichtsprinzip und dem Aspekt der Nachhaltigkeit der Wertansätze widersprechen würden und deshalb nicht zulässig seien. Aus fachlicher Sicht ist dies jedoch nicht sachgemäß. Wie in diesem Beitrag schon an verschiedenen Stellen dargestellt, handelt es sich bei den NHK 2010 um Modellgrößen, die nur dann zu sinnvollen Ergebnissen führen, wenn eine modellkonforme Marktanpassung vorgenommen wird.

Wie so oft, so gilt auch hier: Wer A sagt, der muss auch B sagen. Will man sich die Vorteile der NHK 2010 (plausiblere, differenziertere und aktuellere Wertansätze) auch in der Beleihungswertermittlung zu Nutze machen, so kommt man nicht umhin, den Grundsatz der Modellkonformität auch in der Beleihungswertermittlung zu befolgen. Das Ergebnis des Sachwertverfahrens führt nämlich nur dann zu einem marktgerechten Wert und einem Beleihungswert, der den Anforderungen des Pfandbriefgesetzes genügt, wenn die wichtigste Anforderung an marktkonforme Wertermittlungsverfahren berücksichtigt wird. Diese von Dr. Hans Otto Sprengnetter bereits 1978 aufgestellte Modellanforderung lautet: Die in den Verfahren verwendeten Daten müssen in demselben Modell aus Kaufpreisen abgeleitet werden, mit dem auch bewertet wird. Oder umgekehrt: Es muss in dem Modell bewertet werden, in dem die Daten abgeleitet wurden.

Grundsatz der Modellkonformität

In der Sachwertrichtlinie wurde versucht, diesen Grundsatz konsequent umzusetzen. Was bedeutet das für die Beleihungswertermittlung? Die Modellgrößen sind nicht beliebig. Sie können immer nur gemeinsam als fester Bestandteil eines bestimmten Modells sachgemäß angewendet werden. Es ist also nicht zielführend, Parameter unterschiedlicher Modelle zu vermischen; zum Beispiel die NHK 2010 unter Beibehaltung der Ross'schen Alterswertminderung in der Beleihungswertermittlung einzuführen.

Spätestens dann, wenn die meisten Gutachterausschüsse und Geodatenanbieter Sachwertfaktoren anbieten, die im Modell der Sachwertrichtlinie abgeleitet wurden, ist eine marktkonforme Wertermittlung nur noch im NHK-2010-Modell möglich. Denn dann wird es nur noch zu diesem Modell aktuelle Marktdaten (Sachwertfaktoren) geben. Dieser Umstellungsprozess wird in den meisten Bundesländern spätestens 2015 abgeschlossen sein. Das heißt, in der Marktwertermittlung muss im Laufe dieses Jahres auf das neue Modell umgestellt werden.

Auch in der Beleihungswertermittlung sollten dann die Vorteile der NHK 2010 genutzt werden. Hierzu ist jedoch auch in der Beleihungswertermittlung der Grundsatz der Modellkonformität zu beachten. Um eine Marktanpassung im Sachwertverfahren kommt man zumindest bei der Beleihungswertermittlung von Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken und bei Verwendung der NHK 2010 in Zukunft nicht umhin.

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