INSTITUTIONAL ASSET MANAGEMENT - IMMOBILIEN-SPEZIALFONDS

EINZELHANDELSIMMOBILIEN: WIE DAS NUTZUNGSKONZEPT ÜBER DEN INVESTMENTERFOLG ENTSCHEIDET

Thomas Kuhlmann Quelle: Hahn Gruppe

Immobilien der Nutzungsart Einzelhandel haben in den vergangenen Jahren eine erfreuliche Wertentwicklung erreicht. Vor dem Hintergrund des wachsenden Onlinehandels hinterfragen Investoren allerdings, ob sich diese positive Tendenz fortsetzen wird. Bleibt die Handelsimmobilie ein risikoarmes und renditestarkes Investment oder müssen Investoren zukünftig Abstriche bei ihren Renditezielen machen? Nach Meinung des Autors sind die Aussichten für Handelsimmobilieninvestments weiterhin sehr vielversprechend, sofern eine selektive Investitionsstrategie angewendet wird. Wer als Immobilieninvestor zukunftsorientiert auf die richtigen Objekttypen und Handelsbranchen setzt, investiert in einen stabil wachsenden stationären Einzelhandel und solide Immobilienerträge. Red.

Im Immobilieninvestmentmarkt steigen die Kaufpreise für deutsche Einzelhandelsimmobilien seit rund einem Jahrzehnt kontinuierlich und das Transaktionsvolumen von zuletzt rund 14 Milliarden Euro im Jahr 2017 übertraf den langjährigen Mittelwert deutlich. Das große Interesse der in- und ausländischen Immobilieninvestoren hat dazu geführt, dass die Renditen für alle relevanten Einzelhandelsobjekttypen sukzessive zurückgegangen sind. Gemäß den Erhebungen des Investmentmaklers CBRE führten innerstädtische Geschäftshäuser in 1A-Lagen zum Ende des ersten Quartals 2018 die Statistiken mit Spitzenrenditen von 3,14 Prozent an. Aber auch erstklassige Shoppingcenter und Fachmarktzentren haben mit 3,8 Prozent beziehungsweise 4,5 Prozent einen starken Anstieg der Kaufpreisfaktoren hinter sich.

Gute Performance bei attraktiven Rahmenbedingungen

Sehr günstig wirken sich aktuell die positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland aus: Steigende Realeinkommen, eine hohe Erwerbstätigenquote und ein positives Konsumklima beflügeln die Einzelhandelsumsätze und sind Grundlage für eine stabile Nachfrage nach Handelsflächen. Der deutsche Einzelhandel setzte gemäß Statistischem Bundesamt im Jahr 2017 preisbereinigt 2,3 Prozent mehr um als im Vorjahr. Nominal waren es sogar 4,2 Prozent Umsatzsteigerung, die erreicht wurden. Der Lebensmitteleinzelhandel erhöhte seine Umsätze um real 1,5 Prozent. Bei Nicht-Lebensmitteln legten die Umsätze um real 3,0 Prozent zu. Am stärksten gewachsen ist der Onlinehandel mit einem Umsatzanstieg von 10,0 Prozent, gemäß den Berechnungen des Handelsverbandes HDE. Der Anteil des E-Commerce am gesamten inländischen Einzelhandelsumsatz liegt nunmehr bei 9,5 Prozent.

Die hohe Investorennachfrage und die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spiegeln sich in der Investmentperformance wider: Der Indexanbieter MSCI hat errechnet, dass die durchschnittliche jährliche Gesamtrendite der deutschen Handelsimmobilien-Spezialfonds (SFIX-Handel) in den letzten fünf Jahren fast doppelt so hoch war wie die der deutschen Büroimmobilien-Spezialfonds (SFIX-Büro). Unter Einbeziehung der Ausschüttungen und Wertsteigerungen legte der IPD Spezialfonds Immobilien Index (SFIX) Handel per 30. September 2017 um jährlich 3,6 Prozent zu, während der SFIX-Büro nur eine jährliche Gesamtrendite von 2,0 Prozent erzielte.

Verunsicherung durch den Onlinehandel

Doch einige Investoren sind ob des langen überproportionalen Anstiegs der Onlineumsätze in Deutschland vorsichtiger geworden. Eine Abwanderung der Konsumenten in das Internet könnte, so die Befürchtungen, den Bedarf der Einzelhandelsunternehmen an Verkaufsfläche langfristig mindern. Dies äußert sich in den Investorenbefragungen, die die Hahn Gruppe einmal jährlich durchführen lässt. Hier stuft regelmäßig ein großer Teil der Befragten E-Commerce als primäres Risiko für den stationären Einzelhandel ein. Die nachfolgenden Risikofaktoren, wie etwa ein deutlicher Zinsanstieg oder eine Eintrübung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, rangieren dahinter.

Eines vorweg: Der stationäre Einzelhandel wird auch im Jahr 2018 weiter wachsen. So rechnet der HDE für den stationären Einzelhandel mit einem Umsatzanstieg von 1,2 Prozent. Doch sind die Aussichten weniger gut, wenn man sie auf einzelne Einzelhandelsbranchen bezieht. Es lohnt sich nämlich, die Entwicklung im Einzelhandel differenziert zu betrachten. Zum einen ist da der Einzelhandel mit Nicht-Lebensmitteln (Non-Food). Hier liegt der Onlineanteil am Umsatz mittlerweile bei deutlich über 20 Prozent. Insbesondere die Branchen Unterhaltungselektronik, Fashion/Bekleidung, Büro/Schreibwaren und Freizeit/Hobby leiden unter der Konkurrenz des E-Commerce. Es werden vereinzelt Onlineanteile von fast 30 Prozent erreicht.

Alltägliche Einkäufe sind stationäre Einkäufe

Auf der anderen Seite steht der Markt für Lebensmittel/Drogerieartikel, der im Wesentlichen die Produktgruppe der schnelllebigen Konsumgüter zusammenfasst. Dazu zählen Nahrungsmittel, Körperpflegeprodukte, Reinigungsmittel et cetera, die Konsumenten häufig spontan, täglich bis wöchentlich, in der Regel routiniert und ohne lange zu überlegen einkaufen. Das heißt, die Waren haben im Handel eine hohe Umschlagshäufigkeit, weil es sich um Produkte des täglichen Bedarfs handelt. Erstaunlicherweise ist in diesem Segment der Anteil der Waren, die online gekauft werden, sehr gering. Er liegt bei knapp über einem Prozent. Selbst das aktuelle Onlinewachstum fällt nicht bedrohlich aus: So konnte der stationäre Einzelhandel in Deutschland seine Umsätze mit Lebensmitteln im Jahr 2017 um rund acht Milliarden Euro steigern, während im Onlinegeschäft lediglich 0,3 Milliarden Euro Lebensmittel-Umsatzzuwachs erzielt wurden. Mit anderen Worten: Der Onlinehandel ist in diesem Segment aktuell nicht wirklich relevant.

Die geringe Bedeutung des Onlinehandels bei schnelllebigen Konsumgütern begründet sich unter anderem darin, dass in Deutschland eine sehr gute Infrastruktur leistungsfähiger stationärer Lebensmittelhändler und Drogeriemärkte vorhanden ist. So liegt der nächste Verbrauchermarkt mit frischen Waren oftmals näher am Wohnort als die nächste Paketstation. Die Mehrwerte, die der Onlinehandel in diesem Wettbewerbsumfeld bieten kann, sind aus Sicht der Verbraucher gering, zumal die höheren Kosten für die Nachhause-Lieferung von Frischeprodukten (gerade außerhalb der Ballungsgebiete) den Onlinehandel klar benachteiligen. Hinzu kommt die Kundenpräferenz für das stationäre Einkaufserlebnis und die persönliche Produktauswahl, die in Umfragen immer wieder bestätigt wird.

Gescheiterte digitale Experimente im Lebensmittelbereich

Natürlich wird derzeit in Bezug auf den Onlinehandel viel experimentiert mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln. Geld verdient aber wohl kein Einzelhändler damit. Zahlreiche E-Commerce-Initiativen wurden zudem zwischenzeitlich wieder gestoppt. Amazon Fresh hat in den USA viele Lieferregionen für seinen Lebensmittelbringdienst wieder aus dem Programm genommen. Ein weiteres prominentes Beispiel war Ende vergangenen Jahres die Kaufland-Gruppe, die ihren Onlinelieferservice nach einem Pilotversuch wieder einstellte. Die Begründung lautet: "Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit, die Preis- und Marktentwicklung sehen wir, dass sich ein Lieferdienst im Lebensmittelbereich auf Sicht nicht kostendeckend betreiben lässt."

Dieses Urteil wurde wohlgemerkt für einen hoch verdichteten Ballungsraum gefällt. Berlin, eine Region, in der sich aus Sicht von Experten Onlinehandel noch am ehesten wirtschaftlich durchführen lässt. Den Drogeriemärkten geht es anscheinend nicht anders. So wird Dirk Rossmann im Februar 2018 in einem Interview zitiert: "Es gibt weltweit nicht ein relevantes Handelsunternehmen, das online mit dem Verkauf von Drogeriewaren und Lebensmitteln wirklich Geld verdient."

Es gibt momentan also wenig Anzeichen dafür, dass sich der Onlinehandel bei schnelllebigen Konsumgütern in der mittleren Zukunft von der Angebotsseite stark beleben dürfte. Unterstrichen wird diese Einschätzung von einer aktuellen Befragung aus dem Frühjahr 2018, bei der die Hahn-Gruppe zusammen mit dem EHI Retail Institute erstmals Vertreter von Konsumgüterlieferanten für Lebensmittel- und Drogeriemärkte mit dem Ziel befragt hat, Erkenntnisse über deren Absatzstrategien zu gewinnen.

Die Experten der Markenartikelindustrie wurden zu den Aussichten und Aspekten ihres Absatzkanals "stationärer Einzelhandel" befragt. 94,7 Prozent der Befragten waren der Auffassung, dass der stationäre Einkauf eine hohe soziale Komponente aufweisen würde. Ebenfalls recht eindeutig wurde die Auffassung vertreten, dass die Verbraucher auch zukünftig frische Lebensmittel größtenteils stationär einkaufen werden. Diese Meinung vertraten 89,5 Prozent der Befragten. Nur 10,5 Prozent sahen dies als eher nicht zutreffend an.

In den zusätzlich durchgeführten qualitativen Einzelinterviews mit ausgewählten Konsumartikelherstellern hoben diese weitere Stärken des stationären Einzelhandels hervor: Die persönliche Beratung und Interaktion, die Möglichkeit eines sinnlichen Einkaufserlebnisses sowie die Option der sofortigen Verfügbarkeit wären wichtige Alleinstellungsmerkmale. Sehr begrüßt wird die Tendenz vieler Einzelhändler, ihre Verkaufsfläche aufzuwerten. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis allein sei heute nicht mehr ausreichend.

Investitionen in Expansion und Einkaufserlebnis

So überrascht es nicht, dass gemäß den Erhebungen des Investmentmaklers CBRE aktuell insbesondere Unternehmen, die der Lebensmittel- oder Drogeriemarktbranche angehören, expandieren und verstärkt neue Mietverträge abschließen. An der Spitze stand 2017 die Drogeriemarktkette Rossmann gefolgt von dm, Rewe, Edeka und Aldi. In der Langfristbetrachtung seit 2010 ergibt sich ein ganz ähnliches Bild. Doch nicht nur Lebensmittel- und Drogeriemärkte, sondern auch preisorientierte Non-Food-Fachmärkte sind sehr expansionsstark. Discount- oder Aktionsware wird nämlich ebenfalls kaum online geordert, da der Versandkostenanteil relativ hoch ist und die Kunden sehr preissensibel agieren.

Unternehmen wie Deichmann, Tedi, KiK und Woolworth rangieren folgerichtig in den Vermietungsstatistiken ebenfalls regelmäßig unter den Top-10 der expansionsstärksten Einzelhändler, weil der Absatzkanal Internet für sie keine wirkliche Alternative ist. Selbst ein Großteil des klassischen Sortiments von Bau- und Gartenmärkten ist für den Paketversand eher ungeeignet. Gartenbedarf, Dachziegel oder kleinteilige Eisenwaren sind üblicherweise keine Artikel, die sich die Kunden online bestellen, da sowohl Beratung, Produktdarstellung als auch Transport leichter direkt durch das örtliche Ladengeschäft geleistet werden können. Der E-Commerce-Anteil der Branche lag deshalb in 2017 auch nur bei lediglich 6,6 Prozent, gemäß den Berechnungen des Baumarktverbands BHB.

Erfolgsgrößen: Objekttyp, Mietermix und Marktstellung

Die Einzelhandelsimmobilie gilt also weiterhin als Sachwertinvestment der Zukunft, sofern Anleger auf die richtigen Objekttypen und Branchen wie Lebensmittel, Drogerie- und Fachmarktartikel setzen. Es empfiehlt sich bevorzugt in Handelsimmobilien mit einer starken Versorgungsorientierung zu investieren. Dazu zählen die Objekttypen Fachmarktzentrum, SB-Warenhaus und Verbrauchermarkt, die überwiegend Waren des täglichen Bedarfs offerieren, das heißt vorzugsweise Lebensmittel und Drogerieartikel. Ergänzend sollte als Mieterbeimischung auf discountorientierte Fachmärkte gesetzt werden, die ebenfalls einer geringeren Konkurrenz durch das Online-Geschäft ausgesetzt sind.

Langfristig sind als Investment vor allem Standorte aussichtsreich, die eine marktführende Stellung in ihrem Einzugsgebiet einnehmen. Sollte es in einer Region zu Konsolidierungen der Handelslandschaft kommen, sind diese Formate die Gewinner und können gegebenenfalls ihre Besucherfrequenzen sogar weiter steigern. Alleinstehende Supermärkte, Discounter oder kleinere Fachmarktagglomerationen mit schwacher Wettbewerbsstellung bieten diese Perspektive grundsätzlich nicht. Die Immobilien sollten zudem eine hohe Sichtbarkeit, eine gute Verkehrsanbindung und ausreichende Pkw-Stellplätze aufweisen.

Werden die aufgezeigten Investmentregeln eingehalten, belohnt die Assetklasse ihre Investoren mit der geringen Zyklizität des Konsums, die den Einzelhandel robuster gegenüber Konjunktureinflüssen macht als andere Wirtschaftssektoren. Mit der starken Orientierung auf stabile und langfristig gesicherte Ausschüttungen bietet sie unabhängig von immobilienwirtschaftlichen Marktphasen eine besonders nachhaltige Wertentwicklung. Selbst demografische Einflüsse spielen bei Einzelhandelsimmobilien nur eine untergeordnete Rolle: Als Verbraucher bleiben Senioren dem Einzelhandel lange erhalten, selbst wenn sie beispielsweise als potenzielle Nachfrager von Büroraum bereits lange ausgeschieden sind.

DER AUTOR THOMAS KUHLMANN Mitglied des Vorstands, HAHN-Immobilien-Beteiligungs AG, Bergisch Gladbach
Noch keine Bewertungen vorhanden


X