PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

WOHNIMMOBILIENPREISE IN DEUTSCHLAND: WARUM ES VORERST KEINEN CRASH GIBT

DR. Bettina Krois Quelle: vdp Research

Dass den Entwicklungen auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt inzwischen auch in der breiten Öffentlichkeit erhöhte Aufmerksamkeit zuteil wird, kann angesichts der starken Preisdynamik vergangener Jahre nicht verwundern. Wirklicher Anlass zur Sorge besteht bei genauerem Hinsehen jedoch nicht. Die Autorin analysiert, warum sich der Boom nach wie vor fundamental gut erklären lässt. Und auch mit Blick auf eine potenzielle Wende an den Zinsmärkten gibt sie Entwarnung: Zu konservativ seien die hiesigen Finanzierungsstandards, um bei Zinserhöhungen eine plötzliche Verkaufswelle auszulösen. Alles in allem könne in den nächsten fünf Jahren mit weiter steigenden Wohnimmobilienpreisen gerechnet werden, allerdings verlangsame sich das Wachstum allmählich. Red.

Die deutschen Hauspreise steigen und steigen: Auch im zweiten Quartal 2018 wiesen die Wohnimmobilien-Preisindices der vdp Research deutliche Zuwächse auf. In den Top-7-Standorten stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahresquartal um rund 11 Prozent. Deutschlandweit kletterten die Wohnimmobilienpreise um 9 Prozent nach oben - es scheint, dass der Boom nun auch die Fläche erfasst hat. Im Detail setzt sich die Erhöhung auf Bundesebene aus einem Preisanstieg von 10 Prozent für Mehrfamilienhäuser, 8 Prozent für Eigenheime und einem Plus von 5 Prozent für Eigentumswohnungen zusammen. In den Top-7-Stand orten lag der Anstieg für alle Wohnimmobiliensegmente höher, insbesondere die Preise für Eigentumswohnungen lagen mit 9 Prozent Wachstum deutlich über dem Anstieg in den Regionen.

Es mehren sich Stimmen, die ein Ende dieser positiven Immobilienmarktentwicklung prophezeien. Kommt es zum Crash auf den Immobilienmärkten? Anhand der Prognosen der vdp Research kann diese Frage verneint werden. Diese antizipieren weiterhin steigende Wohnungspreise: Im Vergleich zu den vergangenen Boomjahren verlangsamt sich das Preiswachstum zwar - ein Rückgang ist für Deutschland insgesamt jedoch über den gesamten Prognosezeitraum von fünf Jahren nicht in Sicht. Warum kommt es in den nächsten Jahren nicht zu einem Preiskollaps? Der Preis bildet sich aus dem Zusammentreffen der Nachfrage nach und des Angebots an Wohnimmobilien. Voraussetzung für einen Preiskollaps wäre dementsprechend eine starke Angebotsexpansion oder ein Zusammenbruch der Nachfrage. Keines ist derzeit zu erwarten.

Fachkräftemangel erreicht Baubranche

Betrachten wir in einem ersten Schritt die Angebotsseite: Der Wohnungsneubau ist mit 285 000 Fertigstellungen im Jahr 2017 relativ moderat und liegt unterhalb des von Experten quantifizierten Neubaubedarfs. Auch zukünftig ist die Ausweitung der Bautätigkeit durch die Baulandknappheit in Ballungsräumen sowie den Handwerkermangel begrenzt. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der staatlichen Förderbank KfW, konstatierte kürzlich: "Der Fachkräftemangel wird allmählich zum größten Risiko für eine Ausweitung der Bautätigkeit in Deutschland." Auf dem Bestandsimmobilienmarkt blieb die Anzahl der Immobilientransaktionen trotz des starken Preisanstiegs in den vergangenen sieben Jahren konstant. Immobilienbesitzer halten sich mit Verkäufen zurück, das heißt, auch das Angebot aus dem Bestand ist moderat.

Es stellt sich allerdings die Frage, was im Falle eines Zinsanstiegs geschehen könnte - führt dieser zu einer Angebotsschwemme und Notverkäufen? Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst betrachtet, wie sich die Zinsen in Deutschland zukünftig entwickeln: Die meisten Experten gehen davon aus, dass eine graduelle Zinsanhebung ab frühestens Anfang 2019 erfolgt. Gemäß der Prognose der Ökonomen des Internationalen Währungsfonds wird beispielsweise die Verzinsung zehnjähriger Staatsanleihen in fünf Jahren bei mageren 1,5 Prozent liegen. Dies stellt zwar einen Anstieg gegenüber dem derzeitigen Niveau dar, liegt aber immer noch weit unterhalb des langfristigen Zinsdurchschnitts. Das heißt: Die Zinsen werden steigen, aber immer noch auf einem - historisch gesehen - relativ niedrigen Niveau bleiben.

Immobilienkäufer für steigende Finanzierungskosten gerüstet

Und eine moderate Erhöhung der Finanzierungskosten wird keinen sprunghaften Anstieg der Immobilienverkäufe auslösen: Eine Studie der vdp Research zur Immobilienfinanzierung zeigt, dass Immobilienkäufer mit der Vereinbarung moderater Kreditbelastungsquoten und langfristiger Zinsbindung sicherheitsorientiert agieren, das heißt, der durchschnittliche Kreditnehmer gerät bei einer moderaten Zinserhöhung nicht unter Verkaufsdruck.1) Der Tenor dieser Studie bezüglich der vdp-Mitgliedsinstitute ist in den gesamtwirtschaftlichen Daten für Deutschland reflektiert: Angaben des Internationalen Währungsfonds zeigen, dass das Kreditwachstum mit einer Rate von preisbereinigt zwei Prozent per annum moderat ist. Dies gibt Entwarnung bezüglich einer Immobilienkrise, der in der Regel exzessives Kreditwachstum vorangeht.

Auch vonseiten der Wohnungsnachfrage gibt es keinen Anlass zur Schwarzmalerei: Wohnimmobilien werden, verkürzt formuliert, nachgefragt, wenn es vor Ort Menschen gibt, die Wohnraum benötigen und sich den Erwerb leisten können. Experteneinschätzungen gehen sowohl von einer positiven Einwohner- als auch Einkommensentwicklung aus. Mit Blick auf die Einwohnerzahl antizipieren amtliche Fortschreibungen über einen Fünfjahreshorizont einen moderaten Anstieg, sowohl für Deutschland gesamt als auch für die Top-7-Standorte.

Anhaltend positive Impulse vom Arbeitsmarkt

Das Wirtschaftswachstum schwächt ab 2019 ab, bleibt aber positiv und ist mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosenquote verbunden. Vom Arbeitsmarkt gehen also weiterhin positive Impulse auf die Wohnimmobiliennachfrage aus. Ein dämpfender Effekt könnte vom Zinsanstieg in den USA, ab voraussichtlich 2019/2020 gefolgt von der Eurozone, ausgehen: Mit steigender Rendite stellen Finanzanlagen wieder eine attraktivere Alternative zur Investition in Immobilien dar. In Summe sehen wir also einen allmählichen Abbau des Nachfrageüberhangs, der seinerseits in einer Rückkehr der Preisdynamik auf einen moderaten Pfad mündet.

Dies ist auch das Ergebnis der analytischen Prognosemodelle der vdp Research. Diese Prognosen umfassen insgesamt neun Objektarten im Wohn- und Gewerbeimmobilienbereich. Im Segment Wohnen werden Preise für Wohnbauland, Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen sowie die Neuvertragsmieten Wohnen betrachtet. Für die Gewerbeimmobilienmärkte analysiert die vdp Research die Preise für Gewerbebauland und landwirtschaftliche Flächen sowie die Neuvertragsmieten für Büro-, Handels- und Lager/Logistik-Objekte. Mit Ausnahme der Gewerbegrundstückspreise, die für 78 Städte analysiert werden, erfolgt die Betrachtung disaggregiert auf Ebene der 401 deutschen Landkreise.

Allmähliche Abschwächung des Preiswachstums

Für das Marktsegment "Wohnen" antizipieren die ökonometrischen Analysen zwar durchaus eine Verlangsamung des Preiswachstums - ein Rückgang ist für Deutschland insgesamt jedoch über den gesamten Prognosezeitraum von fünf Jahren nicht in Sicht. Abbildung 1 zeigt dies exemplarisch anhand der regionalen Preisindizes für Eigentumswohnungen. Hier wurden, der besseren Übersichtlichkeit halber, die historischen Zeitreihen und Prognosen für die 401 Kreise in 36 Regionen zusammengefasst.2) Die modellgestützten Prognosen zeigen für alle Regionen ein Abflachen der Preiswachstumskurve. Der Rückgang der Preiswachstumsraten erfolgt allmählich, zum Ende des Prognosezeitraums hin werden nur noch moderate Anstiege realisiert.

Für die Top-7-Standorte startet die Abschwächung der Wachstumsraten von hohem Niveau. Ein Beispiel hierfür liefert die Prognose der Frankfurter Eigentumswohnungspreise (siehe Abbildung 2). Für diesen Markt prognostizierte die vdp Research für 2018 einen leichten Rückgang des Preisanstiegs auf knapp unter zehn Prozent per annum.

Dieser Verlauf wird von den Ergebnissen des vdp-Immobilienpreisindexes für Frankfurt im ersten und zweiten Quartal dieses Jahres bestätigt, es wurden, jeweils im Vergleich mit dem Vorjahresquartal, Wachstumsraten von 10,1 und 9,9 Prozent festgestellt. Wie in Abbildung 2 dargestellt, flacht das Preiswachstum über den fünfjährigen Prognosezeitraum weiter ab; 2022 wird eine Rate leicht unterhalb der Inflationsrate erreicht. Eine leichte Korrektur der realen Eigentumswohnungspreise ist die Folge.

"What goes up must come down" - dieser typische Zyklus dürfte für die deutschen Wohnimmobilienmärkte vorerst nicht gelten. Stattdessen ist mit einer allmählichen Abschwächung des Preiswachstums zu rechnen.

Fußnoten

1) Eine Auswertung unter den Mitgliedsinstituten des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken e.V. (vdp) ergibt eine Kreditbelastungsquote, definiert als Anteil der Kreditbelastung am verfügbaren Haushaltseinkommen, von rund 25 Prozent bei Erwerbern von selbst genutztem Wohneigentum (für 2017). Dies liegt unterhalb der letzten erhobenen Mietbelastungsquote von durchschnittlich 27,2 Prozent (basierend auf dem Mikrozensus von 2014). Zudem sicherte sich das Groß der Kreditnehmer im Jahr 2017, nämlich 64 Prozent, eine Zinsbindung von mehr als zehn Jahren, die durchschnittliche Zinsfestschreibungsdauer lag bei 14 Jahren.

2) Die Aggregation erfolgte als ungewichteter Mittelwert der Kreise mit identischen ersten drei Ziffern des amtlichen Gemeindeschlüssels. Für Länder, in denen Bezirke existieren oder existiert haben, entspricht dies der Verwaltungseinheit "Regierungsbezirk".

DIE AUTORIN DR. BETTINA KROIS Senior Analyst, Real Estate Research, vdpResearch GmbH, Berlin

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