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Wirtschaftsnobelpreis - Klimawandel trifft Innovationen

Prof. Dr. Henry Schäfer, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre & Finanzwirtschaft, Universität Stuttgart

Dramaturgisch gesehen hat der Zeitpunkt der Verkündung des diesjährigen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an einen Klimaforscher der ersten Stunde, William D. Nordhaus, eine besondere Note: Sie erfolgte taggleich mit der Veröffentlichung des Sonderberichts des Weltklimarats IPCC, in dem der Umbau der globalen Wirtschaft zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius dringlich angeraten wird. Ansonsten werden nicht nur irreparable Schäden befürchtet, sondern auch gewaltige gesellschaftliche Kosten mit erheblichen negativen Folgen, unter anderem auch für das Wirtschaftswachstum.

Nordhaus konnte dazu in den 1970er Jahren in seinen Arbeiten zu Klimawandel und Wachstum erste Abschätzungen liefern. Die bis dahin dominierenden neoklassischen Wachstumsmodelle kannten Kapital und teilweise Arbeit als zentrale Inputfaktoren. Neben der Anreicherung damaliger Wachstumsmodelle mit Energie als dritten Inputfaktor, gelang Nordhaus auch erstmals die Erfassung der Determinanten globaler Treibhausgasemissionen aufgrund der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre sowie deren Rückwirkungen auf Energieflüsse und -budgets. Er akzeptierte, dass der Treibhausgasausstoß durch wirtschaftliche Aktivitäten, also von Menschen verursacht wurde und dass für den Aufbau seines weithin beachteten "Integrated Assessment Model" (IAM) die Forschungsergebnisse der Naturwissenschaften berücksichtigt werden mussten. Seine Modelle sowie daraus hergeleitete Instrumente zur Analyse und Quantifizierung der Kosten und Nutzen des Klimawandels haben besonders zur Würdigung der Forschung von Nordhaus durch das Nobelpreis-Komitee beigetragen.

Damit eng verbunden sind seine Forderungen nach staatlichen Eingriffen. Nordhaus argumentiert oft mit der sogenannten Pigou-Steuer, durch die Verursacher von Umwelt-, respektive Klimaschäden kostenmäßig zu belasten sind. Über eine solche Internalisierung negativer externer Effekte soll umweltfreundliches Verhalten bewirkt werden. Aktuell spielen diese Überlegungen eine Rolle, wenn diskutiert wird, ob zur Reduktion von Feinstaubemissionen in Städten Autofahrern Fahrverbote auferlegt oder stattdessen von ihnen Mautgebühren erhoben werden sollen. Anstelle der Besteuerung von CO2-Emissionen können nach Nordhaus auch marktwirtschaftliche Instrumente eingesetzt werden, um die Kosten des Klimawandels in den Preisen von "Bads" widerzuspiegeln, wie es unter anderem im Europäischen Emissionshandelssystem institutionalisiert ist.

Nordhaus widmete sich auch bereits in den 1970er Jahren den Verteilungsfolgen wirtschaftlichen Wachstums. Gemeinsam mit dem Nobelpreisträger James Tobin modifizierte er mit der Entwicklung von Sozialindikatoren und einem Sozialen Index zur Messung sozialer Ungleichheit die heute immer noch dominierende Wohlstandsmessung basierend auf dem Bruttosozialprodukt. Derzeitige Diskussionen über nachhaltiges Wirtschaftswachstum, "Null-Wachstum", "grünem Wachstum" oder "Degrowth" dürften unter anderem von den Arbeiten der beiden Nobelpreisträger inspiriert sein.

Während man Nordhaus einen gewissen Pessimismus bezüglich der Abwendung der negativen Folgen des Klimawandels nachsagt, verkörpert der zweite diesjährige Nobelpreisträger, Paul M. Romer, mehr den Optimisten, der beim Wachstum auf den Inputfaktor Wissen und daraus resultierende Innovationen setzt. Bezüglich des Klimawandels könnte man sagen, dass Nordhaus die Kosten unterlassener umweltschonender Handlungen abschätzte, während sich Romer mit den Erträgen aktiver Technologiepolitik beschäftigte. Als gleichsam eine Forschungsbrücke für beide kann die von Nordhaus (1973) aufgegriffene Idee der Backstop Technology (heute zum Beispiel die Climate Technology) gelten, mit der wachsende Umweltbelastungen und zur Neige gehendende Ressourcen im "Raumschiff Erde" (Kenneth Boulding, 1966) überwunden werden könnten.

Nun fallen in einer realen Marktwirtschaft generell Technologien und technischer Fortschritt nicht wie "Manna vom Himmel". Romer belegte 1990 in seinem nach ihm benannten Modell, dass Innovationen einerseits Wissen (vor allem Ideen) und andererseits ökonomische Anreize erfordern. Jede Innovation von Unternehmen generiert nämlich über die Diffusion von technischem Fortschritt makroökonomisch wachstumsfördernde positive externe Effekte. Er postuliert: Ein gewinnorientiertes Unternehmen hat einen Anreiz, technischen Fortschritt zu generieren, wenn die externen Effekte von ihm internalisiert werden können. Patente helfen zwar, aber Oligopole und zeitliche Monopole wiegen mehr, da sie einen "Mark-up" in der Preissetzung erlauben, der bis zur Adaption der Innovationen durch andere Unternehmen für das innovierende Unternehmen Kostendeckung und Gewinnabschöpfung ermöglicht. Romers "endogenes Wachstumsmodell" bricht mit Stützpfeilern neoklassischer Wachstumsmodelle - dem vollkommenen Wettbewerb und regulatorischer Abstinenz.

Aufgrund des derzeit vor allem von EU-Institutionen beförderten ordnungspolitischen Leitbilds einer Sustainable oder Green Economy sind die Erkenntnisse beider Nobelpreisträger bedeutungsvoll. Aber im Gegensatz zu den wachstumspolitischen Vorstellungen vor allem der EU-Kommission liefern beide Nobelpreisträger keine Belege dafür, dass der Finanzsektor die Lenkung und Steuerung von klimafreundlichen Innovationen und Investitionen zu verantworten hat. Angestrebt und befürwortet werden von ihnen dagegen marktmäßige und staatliche Interventionen, die implizit auf den realen Sektor und dessen Innovationskraft abzielen. Die Vergabe des diesjährigen Nobelpreises an zwei durchaus streitbare Wirtschaftswissenschaftler sollte auch als Anlass einer kritischen Selbstreflektion für all diejenigen verstanden werden, die eine klimafreundliche Lenkung von Innovationen und Investitionen durch Banken und Investoren befürworten.

Prof. Dr. Henry Schäfer, Ordinarius an der Universität Stuttgart für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft

Dr. Henry Schäfer , Professor a. D. , Universität Stuttgart
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