Leitartikel

Alles im Fluss

sb - Der Blick in die Glaskugel bezüglich der Zukunft des Zahlungsverkehrsmarktes ist heute schwerer als vor zehn Jahren, so Manfred Krüger im Redaktionsgespräch. Zu vieles ist im Fluss, zu schwer ist es fassbar, wohin sich der Markt bewegen wird. Das zeigen auch die Beiträge zum Mobile Payment in den verschiedenen Ausgaben dieser Zeitschrift: Manche Autoren sehen euphorisch schon die bargeld- und kartenlose Gesellschaft in greifbare Nähe rücken. Andere sind skeptisch, sowohl was die Akzeptanz der neuen Technologien bei Handel und Verbrauchern angeht als auch hinsichtlich der Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle.

Die Möglichkeiten, die der Markt bietet, sind größer denn je. Beim mobilen Bezahlen hat der Markt gelernt, dass es ohne Kooperationen nicht geht. Nicht nur die Kreditwirtschaft ist darauf angewiesen, sich mit den Telekommunikationsgesellschaften zusammenzutun. Auch Letztere haben erkannt, dass sie das Thema ohne Partner nicht stemmen können - allein schon, weil ihnen der Verbraucher dazu nicht das nötige Vertrauen entgegenbringt. Aber wer mit wem? Wem gehört der Chip, auf dem die Kundendaten gespeichert sind? Wer verdient woran wie viel? Und was will der Handel - das kontaktlose "klassische" Terminal, den "Dongle" fürs Smartphone - oder einfach nur die App, mit der ganz ohne Karte Lastschriften erzeugt werden?

Längst können Banken nicht mehr nur Maestro-, Mastercard und Visa-Karten ausgeben. V-Pay hat bei den Debitkarten den Markt in Bewegung gebracht, doch auch JCB-Co-Brandings werden demnächst das Bild prägen, einige Banken kooperieren mit American Express. Bei der kontaktlosen Technologie haben Emittenten die Wahl, ob sie auf Girogo, Paypass oder Paywave setzen wollen, wobei es zumindest bei den internationalen Kartensystemen unerheblich ist, ob man die Kontaktlos-Funktion auf der Kredit- oder Debitkarte etabliert. Oder soll es gleich eine digitale Brieftasche sein? Auch die Multifunktionskarte mit Kredit und Debit auf einer Karte ist längst keine Zukunftsvision mehr.

Jeder Anbieter in der Branche muss hier seine Wahl treffen. Anders als in den Zeiten, als das Doppel aus Visa und Mastercard schon der Gipfel der Flexibilität war, ist es heute nicht mehr möglich, sich "umfassend" breit aufzustellen. Damit aber begibt man sich nolens volens auf das Feld des Experimentierens. Besonders eindeutig festgelegt hat sich die Sparkassenorganisation. Mit Girogo hat sie ihre gesamte Marktmacht ins Feld geführt - kann den Erfolg aber auch damit nicht erzwingen, wie das Beispiel der Geldkarte gezeigt hat. Zweifellos wurden damals Fehler gemacht, die nun nicht wiederholt werden. Dafür ist heute die Bandbreite der alternativen Möglichkeiten größer. Die Genossen versuchen sich deshalb an ganz verschiedenen Fronten: bei Girogo, aber auch bei Paypass, i-Zettle oder der digitalen Kreditkarte. Einzelne Pilotbanken können hier durchaus schmerzhafte Erfahrungen machen, aus denen dann aber die Gruppe als Ganzes lernen kann. Das ist gewiss kein schlechter Ansatz

Das alles spielt sich in einem Umfeld ab, in dem nicht nur die Ertragsmodelle künftiger Zahlverfahren, sondern auch die der bewährten im Fluss sind: Bei der Girocard sind die Entgeltverhandlungen gerade in Gang gekommen. Bei den internationalen Verfahren ist eine Absenkung der nationalen Interchange auf oder in die Nähe von 0,3 Prozent absehbar. Visa hat einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet, die EU-Kommission prüft. Das EU-Parlament liebäugelt dem Vernehmen nach sogar mit einer Null-Prozent-Interchange für alle Debitprodukte. Die europäischen Regulatoren träumen von einer "Erziehung" der Verbraucher zur Nutzung wirtschaftlicher Zahlungsmethoden, die Wissenschaft wirft neue Gebühren fürs Bargeld oder Subventionen für innovative Zahlverfahren in die Debatte. Es bleibt spannend.

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