Kartenmanagement-Glossar

Cards Customization

Von Ewald Judt und Robert Komatz - Der Wettbewerb von Kartenemittenten ist durch eine ausgeprägte Homogenität der Produkte gekennzeichnet. Die wahrgenommene (und tatsächliche) Austauschbarkeit stellt eine zentrale Herausfor derung für die Profilierung dieser Produkte dar. Deshalb stellt sich die Frage, wie angesichts der hohen Wettbewerbsintensität durch Produktprofilierung ein qualitativer Mehrabsatz, höhere Kundenzufriedenheit und verstärkte Kundenbindung erzielt werden kann. Produktindividualisierung verbunden mit Massenproduktion kann hierfür die Antwort sein.

Dieser Lösungsansatz geht auf das begriffliche Konstrukt "Mass Customization" zurück, das "mass production" und "individual customization" integriert und 1989 von Stanley M. Davis in der "Harvard Business Review" als visionäres Konzept präsentiert wurde. Damals schien eine individualisierte Massenproduktion nicht nur ein Widerspruch zu sein, sondern sie war es tatsächlich.

Die zwei Voraussetzungen für einen Durchbruch dieses Geschäftsmodells waren damals nicht beziehungsweise nur völlig unzureichend erfüllt: eine kundenorientierte Bestellorganisation und eine flexible Massenproduktion. Heute ist ein Status erreicht, wo für eine Reihe von Produkten Mass Customization bereits realisiert ist und noch in vielen weiteren Bereichen umgesetzt werden kann. Dazu gehört auch das Kartengeschäft. "Cards Customization" kann heute auf Basis einer Vielzahl von Features realisiert werden. Sie bedarf einer automatisierten Bestellorganisation, die durch die Möglichkeiten des Internets geschaffen wurde. Das Bestellen von einem stationären PC oder einem Laptop oder Tablet aus ist einfach geworden und ein Kunde kann nunmehr leicht aufgrund einer Fülle von spezifischen Individualisierungsdimensionen das gewünschte Kartenprodukt aus Einzelmodulen selbst zusammenstellen.

Spezifische Konfiguration

Diese individualisierten Produkte unterscheiden sich von den standar disiert angebotenen Kartenprodukten nur in der spezifischen Konfiguration. Als Basis bietet sich eine generische Produktarchitektur an, die im Bestellprozess kundenspezifisch konfiguriert werden kann. Es gilt, die Anzahl der Produktvarianten so zu definieren, dass die angebotenen Auswahlmöglichkeiten für den Kunden bedeutsam und von der Komplexität überschaubar sind.

Eine unvollständige Auflistung der für die Cards Customization grundsätzlich infrage kommenden Produktfeatures soll deren Vielfalt und Variabilität aufzeigen.

Nur für Zahlungs- oder GAA-Transaktionen? Oder für beides? Zahlungstransaktionen nur am POS oder auch im Internet/E-Commerce? Nur sichere Zahlungstransaktionen im Internet/-E-Commerce (Mastercard Secure Code, Verified by Visa)?

Akzeptanz national/in Europa/weltweit? Geo-Blocking (Freischalten gezielter Länder/Kontinente auf Kundenwunsch mit Blocking aller anderen Länder)?

Online-Portal-Features für Umsatzkontrolle und Stammdatenpflege?

Mögliche Tages-/Wochen-/Transaktionslimits für Zahlungs- und GAA-Transaktionen?

Mit/ohne digitale Signatur?

Mit oder ohne Electronic Purse? Mit oder ohne Lade-Abonnement?

Mit/ohne kontaktlose Zahlung?

Abrechnung je Transaktion oder gesammelt monatlich/wöchentlich? Abrechung per Einzug oder Überweisung?

Revolving Credit Card? Charge Card? Prepaid Card?

Versicherungsschutz allein durch Kartenbesitz, bei regelmäßiger Kartennutzung oder bei Zahlung der Reise?

Mit oder ohne Age Verification System (zum Beispiel für Altersprüfung bei Zigarettenautomaten)?

Priorität PIN oder Priorität Unterschrift bei der Cardholder Verification?

Loyalty-Programm-fähig oder Loyalty Programm-frei?

Umsatz-SMS nach jeder Transaktion?

Emergency Card Replacement?

Spezifische Value-added Services wie zum Beispiel Zutritt zu Airport Lounges?

Auswahl aus Standard-Card-Designs oder Wunsch-Card-Design?

Mit oder ohne Foto des Karteninhabers als Sicherheitsmerkmal?

Kartenrohling aus Kunststoff, Metall oder Biomasse?

Mit oder ohne Display und Tasten auf der Karte für Offline-PIN-Eingabe, One-Time-Password beziehungsweise TAN-Generator?

Value Checker für Electronic Purse?

Aus diesen und anderen Produktfeatures kann der Kunde leicht seine individualisierte Karte zusammenstellen. Unmittelbar danach erfährt er das Kartenentgelt und (aufgrund des Kartenantrags) seinen finanziellen Rahmen. Dabei kann die Preispolitik auch die "Kartenqualität" berücksichtigen (zum Beispiel ob nicht ein Kunde bei einem hohen Umsatzvolumen und vielen Features weniger zahlt als ein Kunde mit einem niedrigen Umsatzvolumen und wenigen Features).

Nicht ohne Komplexitätsmanagement

Derartige Card Customization vergrößert den Absatzmarkt nicht nur geografisch. Das Kundenpotenzial hängt einerseits davon ab, inwieweit es gelingt, Marktanteile zulasten von Standardprodukten (sowohl von selbst emittierten als auch insbesondere von jenen von Wettbewerbern) gewinnen oder neue Kundenschichten zu erschließen.

Card Customization bedeutet auch eine strategische Neuorientierung und ist eine Managementherausforderung, die auch Managementkapazität benötigt. Insbesondere gilt es, die Bestell- und Produktionsprozesse so zu gestalten, dass die Vorteile, die sich am Markt durch die Produktindividualisierung ergeben, nicht durch die (Mehr-)Kosten bei der Produktion konterkariert werden. In jedem Fall ist ein Komplexitätsmanagement erforderlich, um den Komplexitätsgrad zu beherrschen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Robert Komatz ist Prokurist der PayLife Bank, Wien, robert.komatz[at]paylife[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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