Debitkarte

Deutsches Lastschriftverfahren vor dem Ende?

Die Lastschrift gehört in Deutschland zu den beliebtesten Zahlungsverfahren. Über 50 Prozent aller unbaren Zahlungen wer den direkt oder indirekt (als Debitkartenzahlung) per Lastschrift durchgeführt. In anderen europäischen Ländern ist diese Zahlungsmethode - außer in Österreich und in den Niederlanden - längst nicht so beliebt oder zum Teil auch weitgehend unbekannt. Fast die Hälfte aller Lastschrift-Transaktionen im Euro-Raum wird in Deutschland getätigt.

Nun wird im Rahmen des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Sepa) das europäische Lastschriftsystem1) realisiert, wonach grenzüberschreitende Lastschriften ab November 2009 möglich sind. Obwohl das Potenzial für grenzüberschreitende Lastschrift-Transaktionen voraussichtlich sehr gering sein wird, könnte die Sepa-Lastschrift für multinationale Unternehmen wie Versicherungen und für Internetanbieter interessant sein. Auch ein deutscher Ferienhausbesitzer in Spanien könnte dann seine Wasserrechnung vom spanischen Anbieter über sein Girokonto in Deutschland einziehen lassen. Da die Realisierung von Sepa ein regulatorisches und nicht marktgetriebenes Projekt ist, spielt die Frage nach dem Bedarf allerdings eine untergeordnete Rolle.

Kritische Masse durch Abschaltung nationaler Systeme

Der Haken bei der Umsetzung ist aber, dass die jeweiligen nationalen Zahlungsverfahren zugunsten der einheitlichen Sepa-Zahlungssysteme aus Sicht der Regulatoren (EPC, EU-Kommission und Europäische Zentralbank) zwangsweise bald beendet werden sollen. Dadurch sollen die "kritische Masse" und die Skaleneffekte für die neuen Verfahren sichergestellt werden. Man ist davon überzeugt, dass zwei parallele Zahlungssysteme ineffizient und kostspielig sind. Ein verordnetes Enddatum der bisherigen nationalen Systeme soll nicht nur für die Lastschrift, sondern auch für die Überweisung gelten. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt X alle Lastschriften im deutschen Verfahren auf die neue Sepa-Lastschrift umgestellt werden sollen.

Im Gegensatz zum bisherigen Lastschriftverfahren ist die Sepa-Lastschrift durch ein zusätzliches Mandat gekennzeichnet. Neben der Ermächtigung für die Bank des Zahlungsempfängers ist eine Weisung an die Bank des Zahlers erforderlich. In Deutschland ist noch offen, wie die bestehenden Lastschriftermächtigungen auf die Sepa-Mandate umgestellt werden sollen. Wenn eine neue Erklärung des Zahlers erforderlich ist, wären die Kosten für die Wirtschaft immens. Allein die Versicherungsbranche schätzt die einmaligen Kosten der Mandatsumstellung in diesem Fall auf fast fünf Milliarden Euro.

Streit um ein "Abschalt-Datum"

Unabhängig von der umstrittenen These, dass die zukünftige Sepa-Lastschrift gegenüber der deutschen Lastschrift hinsichtlich Effizienz, Zahlungs- und Rechtssicherheit und Handhabung eine Verbesserung sei, stellt sich die Frage, warum das bisherige deutsche Verfahren per Regulierung zwangsweise beendet werden soll. Genau darüber streiten sich seit vielen Monaten die Marktparteien in Deutschland mit den Regulatoren, die eine Festlegung eines konkreten "Abschalt-Datums" für die nationalen Zahlungssysteme fordern.

Das Eurosystem will, dass bis Ende 2009 ein Enddatum genannt wird.

Das Europäische Parlament befürwortete vor Kurzem in einer Resolution die verbindliche Vollendung der Migration auf die Sepa-Lastschrift spätestens bis zum 31. Dezember 2012. Es stellt sich dabei nur noch die Frage, ob das Enddatum durch Selbstregulierung (durch das europäische Kreditgewerbe vertreten durch den EPC) oder durch öffentliche Regulierung (durch die Europäische Kommission oder EZB) festgelegt werden soll.

Der EPC ist derzeit skeptisch hinsichtlich der Chance einer "selbstregulatorischen" Festlegung. Die Frage, ob über haupt ein Enddatum festgelegt werden soll, steht anscheinend nicht mehr zur Diskussion.

Die Lastschrift-Nutzer im Markt befür worten dagegen einen marktgetriebenen Prozess, wonach es nur von Angebot und Nachfrage abhängen soll, ob und wann die Sepa-Lastschrift das nationale Verfahren verdrängen wird.

Zu den Befürwortern gehört auch der deutsche Handel, der jährlich beim Ver braucher fast eine Milliarde Kartentransaktionen über das preiswerte elektronische Lastschriftverfahren (ELV) einzieht.

Die Befürworter werden dabei unterstützt vom DSGV und vom Bundesfinanzministerium, das für eine Koexistenz beider Verfahren plädiert. Der Sparkassenverband befürchtet einen tiefen Eingriff in die freie Marktgestaltung und fordert eine "marktgerechte Einführung der Sepa-Zahlverfahren". Eine richtige, aber späte Einsicht, denn auch das deutsche Kreditgewerbe hat die Abschaffung bewährter nationaler Systeme im Rahmen der Sepa-Selbstregulierungsinitiative des europäischen Kreditgewerbes bislang mitgetragen.

Wettbewerb der Systeme der Markt ist groß genug

Dabei ist zu bedenken, dass Sepa nach wie vor ein politisches Ziel ist, das keineswegs über Marktkräfte, sondern durch Regulierung realisiert werden soll. In Europa sollen einheitliche europaweite Zahlungssysteme mittels Konsolidierung fragmentierter Märkte zu Skalenerträgen beitragen. Größe und Masse sollen zur Effizienz führen, wodurch Europa im weltweiten Wettbewerb Klassenprimus werden soll. (Mit dem gleichen, durchaus fragwürdigen Ar gument könnte man übrigens auch eine Senkung der Anzahl europäischer Automobilhersteller fordern, wenn sich dieses Thema nicht bereits krisenbedingt erledigt hat). Wenn die Märkte durch Selbstregulierung nicht spuren, drohen die Regulatoren mit dem gesetzgeberischen Knüppel.

Im Gegensatz zur Sepa-Überweisung und -Lastschrift setzen die Banken beim Zahlungsinstrument "Karte" nicht auf ein einheitliches Sepa-Verfahren, sondern auf einen Wettbewerb der Systeme. Hier entdeckten die Selbst- und Fremdregulatoren den Markt und fordern derzeit sogar, dass zwei europaweite, konkurrierende Kartensysteme noch zu wenig(! ) sind. Nationale Kartensysteme werden nicht zwangsweise abgeschaltet, sondern haben die Chance, sich dem europäischen Wettbewerb mit anderen Systemen zu stellen und können grenzüberschreitend expandieren. Diese Chance hat nicht nur das bewährte deutsche ec-Kartensystem "electronic cash" ergriffen. Fast alle nationalen Kartensysteme entziehen sich durch eine europäische Öffnung der regulatorisch geforderten Abschaffung. Warum soll nun das effiziente und beliebte deutsche Lastschriftverfahren mit fast 50 Prozent Marktanteil im Euro-Raum auf dem Sepa-Altar geopfert werden? Warum kein Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Lastschriftverfahren, die im Markt - wie bei den Sepa-Kartensystemen - parallel angeboten werden können? Vor allem, da das deutsche Lastschriftverfahren bereits der neuen EU-Zahlungsdienste-Richtlinie entspricht. Warum soll die bemerkenswerte Antwort der EZB, dass der europäische Markt für einen Wettbewerb der Systeme im Kartenbereich groß genug sei, nicht auch für die Lastschrift gelten? Die Skalenerträge werden schließlich kaum auf der Produktebene, sondern vorwiegend im Processing erreicht. Durch Outsourcing des Transaktionsprocessings können auch mehrere im Wettbewerb stehende Systeme die Skalenerträge des Marktes ausnutzen.

Zeit für eine Besinnungspause

Es wäre nicht das erste Mal, dass Regulatoren erschreckt feststellen müssen, dass der von ihnen in Bewegung gesetzte Zug in die falsche Richtung fährt. Es ist immer besser, wenn gutmeinende Regulatoren das Ziel gar nicht erst vorgeben, sondern das Ziel und die Reise dahin dem Markt überlassen und "nur" dafür sorgen, dass der Markt funktioniert. Auch wenn der Sepa-Zug bereits fährt, sollte dennoch die heutige Regulierung ordnungspolitisch hinterfragt werden.

Wer schon einmal die Zahlungsverfahren in dem einheitlichen Dollar-Raum analysiert hat, weiß, dass Europa in Sachen Zahlungsverkehr im internationalen Wettbewerb durchaus mithalten kann. Daher ist für eine Besinnungspause noch genug Zeit, vor allem da die französischen Banken jetzt beschlossen haben, die Einführung der Sepa-Lastschrift um ein Jahr auf November 2010 zu verschieben.

Anmerkung:

Genau genommen handelt es sich bei Sepa Direct Debit um zwei Systeme (Sepa Core Direct Debit Scheme und Sepa Business to Business Direct Debit Scheme).

Dr. Hugo Godschalk , Koordinator der AG Regulation, Prepaid Verband Deutschland e. V. (PVD), Berlin
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