Debitkarte

ELV-Forum: neue Lobby für das "wilde" Verfahren

Das Bezahlen mit ec-Karte und Unter schrift, das "elektronische Lastschriftverfahren" oder "ec-Lastschriftverfahren" (ELV), erfreut sich weiterhin hoher Beliebtheit beim Einzelhandel und den Verbrauchern. Damit dieses Verfahren auch mit den neuen Sepa-Kartenstandards funktioniert, wurde das "ELV-Forum" gegründet.

Es hat das Ziel, das in Deutschland etablierte ELV an neue Rahmenbedingungen im Zahlungsverkehr anzupassen, Standardisierungen zu fördern und Schnittstellen festzulegen. Die ELV-Historie reicht bis in die Mitte der achtziger Jahre zurück (siehe Kasten). Seitdem hat das bankenunabhängige System einen beispiellosen Siegeszug angetreten. Nach aktuellen Studien nutzen heute fast drei Viertel aller Handelsunternehmen ELV. Häufig finden dabei parallel beide bekannten Debitsysteme Anwendung; neben dem ELV ist dies das bankengesteuerte PIN-System electronic cash (zukünftig: Girocard).

Legitime Ergänzung zu electronic cash

Es hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, dass beide Systeme ihre Daseinsberechtigungen haben. Die Zahlen sprechen für sich: Mit jeweils etwa 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro werden jährlich bei beiden Systemen annähernd gleich viele Transaktionen durchgeführt. Betrachtet man den getätigten Umsatz, so führt Girocard mit knapp 18 Prozent am Einzelhandelsumsatz. ELV hat einen Anteil von zwölf Prozent am Umsatz. Dies resultiert aus dem geringeren Bon-Betrag, da ELV aufgrund der fehlenden Zahlungsgarantie vorwiegend für geringere Einkaufsbeträge eingesetzt wird.

Wesentlicher Grund für die parallele Existenz zweier Systeme sind jedoch die Kosten und damit verbunden unterschiedliche Flexibilität. Auf der einen Seite steht electronic cash: Kosten in Höhe von 0,3 Prozent, mindestens jedoch acht Cent sind das Angebot der Banken für eine garantierte Zahlung ohne Risiko und mit einfacher Abwicklung. Auf der anderen Seite stehen bei ELV zunächst keine Kosten, allerdings auch keine Zahlungsgarantie. Diese kann jedoch, falls benötigt, in vielen Fällen über Dienstleister zu konkurrenzfähigen Preisen "hinzugekauft" werden.

Es stehen also einfache Handhabung und garantierte Zahlung zu relativ hohen Kosten im Girocard-Verfahren dem flexiblen, kostengünstigen, aber etwas aufwändiger zu handhabenden ELV gegenüber. Beide Verfahren in ihrer Kombination ermöglichen dem Händler eine optimale Gestaltung seines Zahlungsmix im Debitkartenbereich.

Da ELV keinen zentralen Systembetreiber kennt, wie es beispielsweise bei electronic cash der ZKA ist, konnten sich in der Ver gangenheit auf unterschiedlichen Ebenen bei allen Netzbetreibern und Händlern ver schiedene Funktionalitäten und Prozesse entwickeln. Diese folgten zwar alle dem Ziel, eine Lastschrift aus den vorhandenen Kartendaten zu generieren. Die Vielfalt der Möglichkeiten, die sich aus dem Auslesen der Datenträger und entsprechenden Rückmeldungen ergibt, führte allerdings zu einer großen Masse an unterschiedlichen Informationen und Interpretationen, die es schwierig machten, verschiedene Komponenten herzustellen. So muss beispielsweise ein Terminal heute je nach Netzbetreiber unterschiedlich vorkonfiguriert werden. Dies führt wiederum zu hohem Abstimmungsaufwand und entsprechenden Kosten.

Interessen der Anwender bündeln

Aus diesem Grunde hat sich das ELV-Forum gegründet. Das Forum ist ein nicht rechtsfähiger, nicht eingetragener Verein. Mitglieder des Vereins sind Unternehmen, die ELV-Zahlungen anbieten beziehungsweise bei der Abwicklung von ELV-Zahlungen beteiligt sind oder sonstige Dienstleistungen erbringen, zum Beispiel Netzbetreiber, Hersteller und Verbände. Die Gründung des Forums macht deutlich, welchen Stellenwert ELV auch in der Zukunft besitzt. Die Gründungsmitglieder, zu denen neben den großen Netzbetreibern sowie Terminal- und Softwareherstellern auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) zählt, setzen auch für die Zukunft auf den Betrieb des Lastschriftverfahrens und wollen einen Beitrag zur weiteren Optimierung leisten.

Das Forum hat sich zum Ziel gesetzt, die künftigen europäischen Standards der kartenbasierten Zahlungssysteme auf das ELV-Verfahren zu übertragen und Technik sowie Prozesse und Schnittstellen an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Dabei werden von den Teilnehmern verschiedene Ziele verfolgt, die sich letztlich darin gleichen, dass allen Beteiligten eine Plattform geboten werden soll, auf der Informationen ausgetauscht und freiwillige Standards festgelegt werden.

Kurz: Es wird künftig eine gemeinsame Sprache geben. Der zu schaffende Standard im ELV-Verfahren beruht auf Freiwilligkeit. Er soll als gemeinsame Diskussions- und Verhandlungsgrundlage für alle Parteien dienen.

So kann beispielsweise ein Händler mit unterschiedlichen Systemlieferanten verhandeln und Angebote vergleichbar machen beziehungsweise Bausteine unterschiedlicher Anbieter kombinieren.

Ebenso kann ein Hersteller unter Berücksichtigung des Standards ein Terminal entwickeln, das bestimmten festgelegten Grundregeln genügt, die von allen Netzbetreibern akzeptiert werden.

Ein Netzbetreiber könnte sich bei Ver handlungen mit Terminal- und Softwareherstellern auf den Standard beziehen und gleichfalls seinen Kunden einheitliche Ver fahren anbieten.

Zudem wird mit dem ELV-Forum den Betreibern anderer Zahlungssysteme eine Plattform geboten, die dabei hilft, das System ELV zu verstehen und zu adaptieren. Der Standard soll Fehler vermeiden helfen, die entstehen können, wenn beispielsweise neue Karten im Markt eingeführt werden, die ebenfalls im ELV-Verfahren eingesetzt werden können.

Trotz langer Historie und hoher Akzeptanz auch beim Kunden gerät ELV jedoch in Bedrängnis: Grund dafür sind die Planungen zum gemeinsamen europäischen Zahlungsraum. Unter dem Stichwort Sepa werden von der Kreditwirtschaft neue Technologien und Prozesse sowie Rahmenbedingungen entwickelt, die über EU-Grenzen hinweg einheitlich angewendet werden sollen.

Gefahren für ELV: Spur 2 und EMV-Chip

Im Zuge dieser Entwicklungen hat sich auch der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) entschlossen, das electronic-cash-System auf den EMV-Chip zu migrieren sowie zukünftig für Transaktionen die Spur 2 des Magnetstreifens zu nutzen, nicht mehr wie bislang die Spur 3. In Zukunft werden also alle ec-Karten der Kreditinstitute mit einem Chip versehen sein, der nach einer Übergangsfrist zur Abwicklung der Girocard-Zahlung genutzt wird. Zusätzlich ist die Belegung einer neuen Datenspur auf dem Magnetstreifen vorgesehen, um in der Übergangsphase die Aktionen zum Beispiel am Kontoauszugsdrucker und Bargeldautomaten abwickeln zu können. Beide Schritte, EMV-Chip und Spur 2 seien laut ZKA Anpassungen an allgemeine europäische Standards.

Die Anpassungen haben dementsprechend auch Auswirkungen auf das ELV in Deutschland, werden doch bislang die Daten der dritten Spur des Magnetstreifens der Karte zur Generierung einer Lastschrift genutzt. Da die bisher genutzte Datenspur mittelfristig nicht mehr zur Verfügung steht und langfristig nur noch der Chip als Datenquelle infrage kommt, besteht Handlungsbedarf, wenn weiterhin ELV auf Basis der ec-Karte möglich sein soll.

Der erste Arbeitsauftrag des ELV-Forums betrifft daher die Anpassung an die EMV-Technik sowie die Migration auf Spur 2 der Karte. Dazu soll in einem ersten Schritt die Funktionalität der Spur 2 von Zahlkarten nach internationalem Standard beschrieben werden. In einem weiteren Schritt soll das Auslesen der Daten auf dem EMV-Chip für eine Lastschrift beschrieben werden. Die technische Migration mit den beschriebenen Anforderungen soll in einem offenen Standard einfließen, der allen Interessier ten zur Verfügung gestellt wird. Mit einem ersten Entwurf des Dokumentes wird im Herbst dieses Jahres gerechnet. Netzbetreiber, System- und Terminalanbieter sind eingeladen, sich an den Arbeiten aktiv zu beteiligen.

Rahmenbedingungen des gemeinsamen Zahlungsraumes

Das ELV-Forum arbeitet unter der Berücksichtigung gesetzlicher Rahmenbedingungen. Ausdrücklich ist das heutige ELV in seiner Grundstruktur auch durch die neue Gesetzgebung innerhalb des europäischen Zahlungsraumes abgedeckt. Die Zahlungsdiensterichtlinie als europäische Vorgabe sowie die Umsetzung in deutsches Recht bedingen keine Abschaffung des Systems der deutschen Lastschrift. Es ist also keine rechtlich zwingende Vorgabe, dass das heute genutzte Lastschriftverfahren künftig entfallen muss. Gleichwohl gibt es Tendenzen innerhalb der europäischen Politik und des Bankensektors, die Altverfahren möglichst bald abzuschalten.

Bei den Banken verwundert eine solche Einstellung nicht, ergibt sich doch hier die Chance, ein ungeliebtes Wettbewerbssys tem loszuwerden und durch neue profitablere Produkte zu ersetzen. Hier muss nur argumentiert werden, dass sich neue Produkte zunächst beweisen müssen, bevor der Nutzer eine Entscheidung zum Wechsel treffen kann.

Zwangsmigration nicht zielführend

Seit Beginn der Sepa-Pläne gibt es die Diskussion über die mögliche zwangsweise Abschaltung von Altsystemen. Aktuell wurde von der EU-Kommission eine Konsultation zu diesem Thema gestartet, bei der sich jedes betroffene Gremium und jedes betroffene Unternehmen in der EU beteiligen kann (siehe unter http://ec.eur opa.eu/internal_market/consultations/ 2009/sepa_en.htm).

Das ELV-Forum wird seine Position deutlich machen und der Kommission mitteilen, dass Diskussionen über die Abschaltung eingeführter Systeme nicht zielführend sind. Sobald ein Enddatum für ein Verfahren diskutiert wird, ist ein Wettbewerb zwischen Alt- und Neuverfahren von vorne herein ausgeschaltet. Es gibt daher keinen Grund, bewährte und eingeführte Systeme zu gefährden, indem man zu einer Zeit über deren Abschaltung diskutiert, in der die neuen Verfahren noch nicht einmal existieren und beurteilt werden können.

Zudem wird das ELV-Forum darstellen, dass es derzeit keinen Ersatz für das ELV-Verfahren in Deutschland sieht. Die Regularien der Kreditwirtschaft, erarbeitet im European Payment Council (EPC), sind nicht in der Lage, einen adäquaten Ersatz für ein System zu bieten, das in Deutschland zu einem der meist genutzten Zahlungssysteme zählt. Nach aktuellem Stand der Arbeiten zum Sepa-Lastschrift-Verfahren wäre es im Gegenteil nicht mehr möglich, eine kartenbasierte Lastschrift zu erstellen.

Die Regeln der neuen Sepa-Lastschrift sind zudem nicht auf der grundsätzlich geforderten Grundlage der Datensparsamkeit entstanden: Sie erfordern zu jeder Transaktion die Übermittlung von Kontaktdaten des Kunden sowie weiterer Daten, die in der Regel nicht notwendig sind und bei Bedarf eingeholt werden könnten. Dies alles erfüllt jedoch die elektronische Lastschrift heute.

Ungeachtet der Diskussionen über ein Enddatum sowie technischen und formalen Regelungen der Kreditwirtschaft ist ELV weiterhin im Handel stark nachgefragt. Es zeigt sich, dass politische Willensbildung (Abschaffung nationaler Sonderfälle) und branchenspezifische Interessen (Schutz der eigenen profitablen Zahlungssysteme) bisher nicht in der Lage waren, den Erfolg von ELV zu schmälern.

Auch künftig Bedarf

Das ELV-Forum ist sicher, dass auch künftig ein Bedarf an nicht-zahlungsgarantierten Transaktionen besteht, die in einem System abgewickelt werden, das nicht primär unter der Hoheit der Kreditwirtschaft steht. Das Forum leistet mit seiner Arbeit einen Beitrag für mehr Wettbewerb, indem es einen freien Standard schafft, der eine Grundlage für die Optimierung und Fortführung eines aner kannten und eingeführten Systems bildet. Die Gründung des ELV-Forums folgt auch dem Wunsch des Handels und seiner Dienstleister, eigene Systeme zu schaffen, die die eigenen Bedürfnisse effizient erfüllen.

Die Politik und die Wettbewerbsbehörden sollten daher auch die entsprechenden Grundlagen schaffen, die es ermöglichen, dass ELV an die Systeme der Kreditwirtschaft andocken kann. Es ist nicht zielführend, alleine der Kreditwirtschaft die Schaffung von Zahlungssystemen zu über lassen. Es gibt in Deutschland mit ELV ein einzigartiges, bewährtes System, welches es zu schützen gilt.

Ulrich Binnebößel , Referent , Handelsverband Deutschland - HDE e. V., Berlin
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