Lastschriftverfahren

ELV und Girocard - Traumduo für den Handel?

Die Situation ist nicht neu, aber immer noch spannend. Die beiden führenden Debit-Zahlungssysteme in Deutschland liefern sich einen spannenden Kampf um die Vorherrschaft. Dabei ist die Frage gar nicht, wer siegt, sondern wie beide Systeme sich ihren jeweiligen Einsatzzwecken stellen.

Die Zahlen der jährlichen Erhebung des EHI Retail Institutes weisen für Jahr 2007 erstmals einen Vorsprung für das electro-nic-cash-Verfahren, nun Girocard genannt, aus. Kritiker des ELV - vor allem aus dem Bankenbereich - leiten hieraus ab, dass das Verfahren nicht mehr zeitgemäß ist und den Sicherheitsanforderungen des Handels nicht mehr genügt. Girocard dagegen sei sicher und zukunftsorientiert.

Zur Betrugssicherheit von beiden Systemen sei hier nur auf die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2007 hingewiesen. Danach nähern sich die Zahl der festgestellten Betrugsversuche von electronic cash und ELV seit Jahren kontinuierlich an (siehe Grafik 1, vergleiche auch cards Karten cartes, Heft 3, August 2008, Seite 7).

Grund hierfür ist das Meldeverfahren Kuno, bei dem Informationen über von der Polizei erfasste Kartendiebstähle dem Handel zur Verfügung gestellt werden, damit dieser die Karten sperren kann. Das vermeintlich unsichere ELV hat also im Vergleich zum Girocard-System deutlich aufgeholt. Bleibt das Thema Solvenz des Zahlers beziehungsweise Betrug mit der eigenen Karte. Hier kann der Handel jedoch sein eigenes Risiko oft sehr gut selbst einschätzen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Doch ist ein direkter Vergleich der beiden Systeme Girocard und ELV eigentlich über haupt möglich? Stehen tatsächlich beide Systeme im Wettbewerb zueinander und haben das gleiche Ziel? Ist ELV tatsächlich ein bedrohtes System und gehört Girocard die Zukunft? Für eine Antwort macht es sicher Sinn, zunächst einmal beide Systeme zu betrachten, ihre jeweiligen Vorzüge und Nachteile aus Handelssicht aufzuzeigen, um anschließend das beste Verfahren zu identifizieren. ELV und Girocard - zwei Systeme im Wettbewerb?

Girocard steht nicht in direktem Wettbewerb mit ELV. Dies zeigen auch die Umfragen des EHI-Instituts. Danach nutzt über die Hälfte aller kleinen Unternehmen beide Verfahren nebeneinander, bei den Großunternehmen sogar über 70 Prozent. Es zeigt sich also, dass durchaus beide Verfahren ihre Berechtigung haben und im Einzelhandel intelligent kombiniert werden.

Warum aber werden beide Systeme par allel eingesetzt? Die Antwort ist schnell gefunden: Es liegt an den Kosten beider Systeme.

Girocard als teure, weil zahlungsgarantierte Variante wird dann gewählt, wenn der Händler das Risiko eines Zahlungsausfalles nicht tragen will und ein einfaches und sicheres Zahlungssystem sucht.

ELV wird genutzt, wenn der Händler keine Zahlungsgarantie benötigt, weil er den Kunden kennt oder ihm vertraut. Dafür fallen zunächst einmal keine Systemkosten an. Zudem besteht im Rahmen des ELV auch die Möglichkeit, sich an anderer Stelle durch Forderungsabtretung eine Zahlungsgarantie "einzukaufen", oft zu besseren Konditionen als Girocard.

Insgesamt ergibt sich so eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten für den Händler, die er durch seinen Dienstleister, den Netzbetreiber steuern kann. Es entsteht daher ein Zahlungssystem mit mehreren Komponenten, das individuell auf die Bedürfnisse des Händlers abgestimmt wer den kann.

Zukunft des ELV gefährdet?

Nachdem die Vorteile beider Systeme in deren Kombination dargestellt wurden, stellt sich nun die Frage, welche Einflüsse auf beide Zahlungsarten wirken.

Zunächst einmal geht es darum, ob ELV unter Sepa fortbestehen kann. ELV ist in Gefahr, da neue Sepa-Standards die etablierten Standards langfristig ersetzen sollen. Das bekannte DTA-Verfahren, mit dem bislang die Datensätze bei der Hausbank eingereicht werden, soll durch einen modernen XML-Standard ersetzt werden. Ebenso werden umfangreiche Informationen des Zahlenden verpflichtend. So muss der Händler bei Erstellung einer Lastschrift nach Sepa künftig Name und Adresse des Kunden einholen und auf dem sogenannten Lastschriftmandat eintragen.

Es besteht jedoch nach Ansicht des HDE keine Verpflichtung der Kreditwirtschaft, das bekannte nationale Verfahren einzustellen. Der HDE fordert daher die Fortführung des nationalen Lastschriftverfahrens parallel zu den neuen Verfahren. Die Kreditwirtschaft sagte bislang zu, einen Parallelbetrieb so lange aufrecht zu erhalten, bis eine kritische Masse erreicht sei.

Zudem wird derzeit über die Umsetzung eines kartenbasierenden Lastschriftverfahrens auf europäischer Ebene diskutiert. Die Berlin-Group, ein lockerer Zusammenschluss mehrerer europäischer Bankenverbände, darunter auch der deutsche ZKA, hat einen entsprechenden Entwurf im EPC eingebracht. Danach würde es auch künftig möglich sein, mit der Bankkarte Lastschriften zu generieren, ohne ein Mandat nach Sepa-Lastschrift zu erstellen.

Zur Zukunft von ELV kann also festgestellt werden, dass auf absehbare Zeit ein Fortbestand gesichert werden kann, wenn sich die Kreditwirtschaft entschließt, das von den eigenen Kunden gewollte System ELV zu akzeptieren und fortzuführen. Der Handel wird seinen Einfluss hierzu geltend machen.

Girocard - Cash-Cow der Banken?

Girocard, ursprünglich electronic cash genannt, hat eine beeindruckende Entwicklung hinter sich. Seit dem Start des Systems im Jahr 1991 bis heute hat es einen Anteil von über 16 Prozent am Zahlungsverkehr gewonnen.

Leider ist es jedoch in dieser Zeit nicht zu Anpassungen des Gebührensystems gekommen, übrigens anders, als zur Einführung versprochen. Mit 0,3 Prozent des Zahlbetrages, mindestens jedoch acht Cent müssen für die Nutzung des Systems Gebühren in nicht nachvollziehbarer Höhe gezahlt werden. Hinzu kommen Kosten für Terminalmiete und Transaktionsabwicklung.

Mögen die Entgelte zu Beginn der technologischen Entwicklung im Kartengeschäft noch vertretbar gewesen sein, so müsste allein aufgrund der Kostendegression bei steigenden Transaktionszahlen der Preis längst angepasst worden sein. Der HDE ist daher in Gespräche mit dem Zentralen Kreditausschuss (ZKA) als Betreiber des Systems eingetreten, um eine "Modernisierung" des Zahlverfahrens zu erreichen. Hauptansatz ist dabei die Anpassung des Gebührensystems an gerechtere Preise. Sollte dies erreicht werden, hat Girocard einen ersten Schritt zu einer auch künftig erfolgreichen Entwicklung gemacht.

Euro Alliance of Payment Schemes ist für den Handel interessant

Aber es geht auch um die Überführung in das gesamteuropäische Zeitalter. Girocard hat seine Marktfähigkeit bewiesen und sollte auch unter Sepa-Bedingungen weiterbetrieben werden. Die Bemühungen des ZKA, auf europäischer Ebene ein Debit-Zahlungssystem aufzubauen, das im Wettbewerb zu Maestro und V-Pay, dem künftigen Debit-System von Visa tritt, sind daher zu begrüßen.

Gemeinsam mit Debit-Systemen anderer Länder wurde die Euro Alliance of Payment Schemes (EAPS) gegründet. Zweck des Zusammenschlusses der Gründungsmitglieder ist die gegenseitige Akzeptanz der Bankkarten zu den jeweiligen Konditionen des akzeptierenden Händlers. Das bedeutet, dass künftig ein Händler in Deutschland, der electronic-cash-Akzeptant ist, beispielsweise die Multibanco-Karte des portugiesischen Kunden zu den gewohnten electronic-cash-Konditionen akzeptieren kann. Ebenso soll sogar ein deutscher Händler die Möglichkeit bekommen, einen EAPS-Partner aus einem anderen Land zu wählen, und mit diesem auch electronic cash zu nutzen, dann allerdings zu den Konditionen dieses Partners. Die Systeme werden also zu einer Gemeinschaft mit einem einheitlichen Dachlogo EAPS zusammengefasst, ohne die eigenständigen Strukturen aufzugeben.

Die Zukunftspläne von EAPS sind für den Handel interessant. Es könnte neuen Wettbewerb bei der Auswahl des Akzeptanzpartners geben. Spannend wird allerdings die Suche nach einem Vergütungsmodell zwischen den Partnern sein. Hier müssen erst entsprechende Lösungsvorschläge abgewartet werden, um eine Bewertung abgeben zu können.

Die Lösung: Girocard und ELV als Duo Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass folgende Einflüsse auf den optimalen "Zahlungsmix" im Handel einwirken und von den verantwortlichen Par teien entsprechend angepasst werden müssen:

Wettbewerb erhalten: Alleine die Tatsache, das ein nicht bankengesteuertes Zahlungsverfahren zur Verfügung steht, hält heute die Preisgestaltungsfantasien der Banken im Zaum. Hier gilt es - notfalls auch über kartellrechtliche Untersuchungen - sicherzustellen, dass auch in einem künftigen System die Nutzer eine Mitgestaltungsmöglichkeit haben.

Unsichere Zukunft ELV: Hier sollten klare Bekenntnisse der Banken und der Politik zur Fortführung des bekannten Systems erfolgen, bis ein gleichwertiges, praktikables System geschaffen worden ist, das dem Händler die Wahl lässt, auf eine Zahlungssicherheit zu verzichten oder sie anderweitig einzukaufen.

Preispolitik Girocard: Eine seit langem fällige Preissenkung würde dem System zusätzlichen Schwung verleihen und die positive Entwicklung stützen. Der ZKA als Betreiber ist hier gefragt.

Zukunft Girocard: Die Ansätze sind vielversprechend, mittels einer Dachorganisation nationale Debitverfahren zu er halten und zusammenzuschließen. Hier sollten Taten folgen, die eine EAPS glaubwürdig machen.

Kombination statt Ersatz

Entscheidend ist also, dass es auch künftig zwei unabhängige Systeme gibt, die in der Anwendung individuell kombiniert und dem jeweiligen Zahlungsvorgang angepasst werden können. Die Systeme müssen effizient und kostengünstig sein. Anbieter müssen eine transparente Preisgestaltung gewährleisten.

Es ist also keine Frage des Ersatzes eines Systems durch ein anderes, sondern der Kombination zweier existierender Systeme, die beide ihre Daseinsberechtigung haben. Beide Systeme sollten weiterentwickelt werden, damit auch künftig unter geänderten Rahmenbedingungen in einem gesamteuropäischen Zahlungsmarkt eine effiziente Gestaltung der Zahlungsarten im Handel möglich ist. Alle Marktteilnehmer sind aufgefordert, hierbei zusammenzuarbeiten.

Ulrich Binnebößel , Referent , Handelsverband Deutschland - HDE e. V., Berlin
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