Interchange

Ein guter Schritt zu mehr Wettbewerb

Glaubt man gewöhnlich gut informierten Beobachtern des Kartenzahlungsmarktes, steht der Untergang der klassischen Kartensysteme unmittelbar bevor. Durch die Pläne von Wettbewerbsbehörden und Gesetzgeber fühlen sich Anbieter mit ihren etablierten Geschäftsmodellen klassischer unbarer Kartenzahlungsverfahren in ihrer Existenz bedroht. Doch was erwartet Anbieter, Nachfrager und Akzeptanzstellen wirklich? Welche Entwicklungen sind notwendig, damit der Wettbewerb gestärkt wird?

"Entwickle ein attraktives Produkt für den Verbraucher und finanziere die Leistungen durch Entgelte des Handels, wohl wissend, dass dieser früher oder später nicht um die Akzeptanz herum kommt." Auf diese simple Formel ist das Geschäftsmodell der Kartenindustrie bislang zurückzuführen. Sicher ist es in der Praxis nicht ganz so einfach, schließlich muss man zum Anschub eines neuen Produktes zunächst aktive Nutzer gewinnen und eine gewisse Grundakzeptanz aufbauen. Hat sich ein Produkt aber erst einmal etabliert, kann kaum ein Unternehmen auf die Akzeptanz verzichten, dem Wettbewerbsdruck im Handel sei Dank. Dann heißt es: Wer nicht mitmacht, wird von den Kunden bestraft.

Emittenten haben Kunden und Handel gegeneinander ausgespielt

Diese Situation wurde jahrzehntelang ausgenutzt. Die sogenannten Vier-Parteien-Systeme haben es gekonnt verstanden, die zwei Seiten des Marktes gegeneinander auszuspielen. Dabei werden auf der einen Seite dem Verbraucher vermeintlich attraktive Angebote gemacht, ohne dass er selbst für die gebotenen Leistungen im vollen Umfang aufkommen muss. Auf der anderen Seite steht der Umstand, dass die hoch wettbewerbsintensive Handelsbranche um jeden Kunden kämpft. Die Akzeptanz verschiedener Kartenzahlungen ist dabei eine eher ungeliebte Pflicht als die gerne angebotene Kür. Insofern wird das Angebot von Kartenzahlung heute unter dem Servicegedanken für Kunden angeboten und nicht aus Effizienzgesichtspunkten. Alles in allem zeigt sich eine Situation, die nicht auf Kosteneffizienz getrimmt ist, sondern Ungleichgewichte nutzt, um entsprechende Erträge aufseiten der Issuer zu generieren.

In Deutschland wird besonders deutlich, wie wenig entwickelt der Kartenzahlungsmarkt ist. Mit der vergleichsweise höchsten Wettbewerbsintensität Europas ist der Handel nicht motiviert und wohl oft auch gar nicht in der Lage, hochpreisige Zahlungsarten zu akzeptieren. Am Ende ist es der Verbraucher, der diese Kosten tragen muss, da selbstverständlich alle Kosten im Endpreis einkalkuliert werden müssen.

Den Handel vom bargeldlosen Zahlungsverkehr überzeugen

Inzwischen ist auch der Politik klar geworden, dass der Kartenzahlungsmarkt in Deutschland und Europa solange unterentwickelt bleibt, wie es nicht gelingt, die Akzeptanzseite ebenfalls für die Möglichkeiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu überzeugen. Dabei gibt es aus deutscher Sicht zwei bemerkenswerte Stoßrichtungen, die zwar beide für mehr Wettbewerb und Effizienz sorgen sollen, in ihren Mitteln aber unterschiedliche Wege gehen:

- erstens die sogenannte MIF-Regulierung, die derzeit in Brüssel diskutiert wird.

- Zweitens die Untersuchungen und Vorgaben des Bundeskartellamts im Girocard-Verfahren.

Brüsseler Pläne zur Deckelung der Interbankenentgelte

Im vergangenen Jahr hat die Kommission einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der darauf hinwirkt, die Interbankenentgelte zu beschränken. Inzwischen sind die Verhandlungen im EU-Parlament fortgeschritten, der Ministerrat berät derzeit in einer Arbeitsgruppe. Beobachter sind sich weitgehend einig, dass eine Verabschiedung nur noch eine Frage der Zeit und der genauen Inhalte ist; dass es nicht zu einer Beschränkung der Entgelte kommt, glaubt kaum noch einer. Doch was muss reguliert werden, um zu einer Verbesserung des Status quo zu kommen? Muss überhaupt reguliert werden?

Letztere Frage ist aus Handelssicht schnell beantwortet. Für die Akzeptanzseite handelt es sich seit jeher um eine regulierte Welt, häufig ohne konkrete Verhandlungsoptionen. Neu ist nun, dass nicht mehr nur der oder die Anbieter die Regeln aufstellen, sondern diese sich innerhalb von Rahmenbedingungen bewegen müssen, die von neutraler Instanz vorgegeben werden. Ob diese "Governance" bereits optimal ausgestaltet ist oder noch mehr Mitsprache notwendig ist, muss sich noch zeigen.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie weit eine gesetzliche Regulierung der Kartenzahlung gehen darf. Die Kommission hat hier bereits einen guten Entwurf vorgelegt, der vom Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlamentes (ECON) noch verfeinert wurde. Da noch nicht absehbar ist, welche Details letztlich auch im Rat aufgenommen werden, sollen hier grundlegende Regulierungsdetails aus Handelssicht aufgeführt werden.

1. Anwendungsbereich umfassend festlegen: Im Sinne eines "Level Playing Field" sollten alle Karten und alle Systeme in den Anwendungsbereich fallen. Nimmt man bestimmte Karten eines Anbieters aus, besteht die Tendenz, auf diese auszuweichen. Gleiches gilt für Drei-Parteien-Systeme. Bleiben diese ausgenommen, könnten sich Vier-Parteien-Systeme in diese Richtung hinentwickeln. Insofern ist der ECON-Vorschlag zielführend, in dem Drei-Parteien-Systeme ab einer noch festzulegenden Größe ebenfalls einbezogen werden. Dies sollte in jedem Fall auch das Girocard-Verfahren einschließen. Auch die Beschränkung auf Kartenzahlungen ist nicht sinnvoll und berücksichtigt nicht die Trends des mobilen Bezahlens.

2. Höhe der Entgelte eindeutig festlegen: Grundsätzlich sind Interbankengebühren ungerechtfertigt und wettbewerbswidrig. Zu diesem Urteil muss man kommen, wenn man sich mit den Grundlagen der Entgeltpolitik der Kartensysteme beschäftigt. Wie eingangs bereits festgestellt, nutzen die sogenannten Interchange Fees Marktungleichgewichte aus und wirken wettbewerbshemmend. Insofern sollte eine Regulierung dazu führen, diese Form der Entgelterhebung zu verbieten.

Dass es im Vorschlag nicht dazu kommt, ist einem Kompromiss zu verdanken, den sowohl Parlament als auch Kommission unterstützen. Basierend auf kartellrechtlichen Ermittlungen und Vergleichen mit der Kartenindustrie wurden Maximalentgelte gefunden, die Geschäftsmodelle weiterhin ermöglichen und dennoch eine Verbesserung des Status quo auf Akzeptanzseite bringen sollen. Insofern ist der Vorschlag unterstützenswert und sollte schnellstmöglich umgesetzt werden.

3. Alternativen schaffen: Marktmächtige Kartensysteme haben einen kaum aufzuholenden Vorteil: die große Reichweite. Man mag argumentieren, dass sich ein System diesen Erfolg hart erarbeitet hat und nun die Erträge erwirtschaftet. Dennoch muss man akzeptieren, dass Fakten geschaffen sind, die einem funktionierenden Wettbewerb entgegenstehen. Allenfalls ein Wettbewerb um die höchsten Interbankenentgelte war zuletzt zu beobachten.

Vor diesem Hintergrund ist eine Verpflichtung der Systeme zur Öffnung ihrer Netze für Dritte zu akzeptieren und in anderen Wirtschaftsbereichen durchaus üblich. Es sei an die Verpflichtung von Microsoft erinnert, auch anderen Browsern die Möglichkeit einer Installation zu bieten, wenn ein Computer neu aufgesetzt wird.

Die in der neuen Zahlungsdiensterichtlinie vorgesehene Instanz einer Drittpartei, die Zugang zu Kontoinformationen erhalten soll, um alternative Zahlungsdienste auszuführen oder zu unterstützen, ist hier eine sinnvolle Regulierung. Weniger sinnvoll ist es aber, dies auf das Online-Banking zu beschränken. Hier sollte ausdrücklich auch - wie im ersten Entwurf der Kommission enthalten - die Kartenzahlung einbezogen sein. Der Handel hat daher einen Vorschlag zu einem "Basic Payment Service" eingebracht. Nach diesem Ansatz sollten Kartenissuer verpflichtet werden, eine kostenbasierte Standard-Zahlungsart ohne Extras wie Kreditfunktion auf der Karte zu etablieren. In einem ersten Schritt könnte auch die Verpflichtung stehen, die IBAN auf die Karte aufzubringen, um europaweit ein elektronisches Lastschriftverfahren ausführen zu können.

Insgesamt sind die Pläne der MIF-Verordnung und der Neufassung der Zahlungsdiensterichtlinie ein guter Schritt für mehr Wettbewerb und vor allem mehr Kostentransparenz. Es bleibt zu hoffen, dass die Inhalte im weiteren Verhandlungsverlauf nicht verwässert und damit wirkungslos werden.

Verhandlungsmodell für Girocard- Entgelte - nur Scheinverhandlungen?

Einen anderen Ansatz verfolgt das Bundeskartellamt. Die Ausgangssituationen ähneln sich dabei. Auch bei Girocard handelt es sich um ein marktmächtiges Verfahren, bei dem bislang die Gebühren in ungerechtfertigter Höhe zentral festgelegt wurden. Aber anders als die Kommission will das Amt die Parteien, insbesondere die Bankenseite zur Aufnahme von Verhandlungen zwingen. Ziel ist es, keine Girocard-Transaktionen ohne verhandeltes Entgelt abzuwickeln. Banken und Handel sollen über "Konzentratoren" die Entgelte verhandeln. Doch was erst einmal gut klingt, hat einen Haken. Laut Wikipedia ist eine Verhandlung eine Herbeiführung eines Interessenausgleichs, wobei sich die Parteien durch Interaktion einen Vorteil gegenüber der aktuellen Situation versprechen. Die jeweilige Situation ist dabei allerdings eine nähere Betrachtung wert. Aus Handelssicht soll eine Verbesserung der Situation durch geringere Entgelte erfolgen. Ziel ist es, kostenbasierte Entgelte zu verhandeln. Allerdings ist ein Scheitern der Verhandlungen keine Option, wie bereits dargestellt wurde. Aus Bankensicht bedeutet die Aufnahme von Verhandlungen lediglich, das Kartellamt zufriedenzustellen. Hier besteht keinerlei Motivation einer Entgeltsenkung zur Herstellung einer Wettbewerbsfähigkeit.

Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr von Scheinverhandlungen. Am Ende ist zwar absehbar, dass die Handelsvertreter die vorgelegten Angebote unterschreiben, da eine gewisse - wahrscheinlich in der Summe minimale Verbesserung der Situation entsteht. Insgesamt kann sich die Kreditwirtschaft bei geschickter Verhandlung sogar besserstellen, wenn großen Partnern Zugeständnisse gemacht werden, kleine Partner jedoch noch mehr zahlen müssen als bislang. Es bleibt daher trotz Verhandlungsergebnissen dabei, dass die Kartenherausgeber mangels Alternativen die Preise losgelöst von Kosten- oder Effizienzbetrachtungen festlegen können; nur eben nicht mehr gemeinsam. Aus Handelssicht muss daher mehr geschehen als der Aufruf zur Verhandlung von Entgelten. Zwar ist die Vorgabe einer Verhandlungsoption ein guter erster Schritt.

Regulierung auf die Girocard ausdehnen oder ELV-Verfahren stärken

Am Ende geht aber kein Weg daran vorbei, die Regulierung auch auf Girocard auszudehnen. Dies kann entweder über die Instanz einer Preisbehörde geschehen, ähnlich wie dies im Falle der Bundesnetzagentur geschieht. Im einfachsten Fall aber fällt Girocard unter die Brüsseler Regulierung und wird gedeckelt.

Statt Entgeltregulierung kann auch eine vollwertige Alternative zur Girocard-Akzeptanz auf Basis der ec-Karte geschaffen werden, die Verhandlungen wirklich zu echten Verhandlungen machen. Eine solche Stärkung des elektronischen Lastschriftverfahrens zur gleichwertigen Alternative könnte erreicht werden, indem die langfristige Nutzung der ec-Infrastruktur zu ELV-Zwecken gesichert wird. Dies betrifft in erster Linie die Auslesbarkeit der Karte zur Erstellung eines Lastschriftmandats.

In einem weiteren Schritt sollte die Autorisierung der Lastschrift mittels PIN-Abfrage freigegeben beziehungsweise akzeptiert werden. Damit ist zum einen ein Sicherheitsgewinn verbunden, indem die Zusammengehörigkeit von Karte und Person geprüft wird. Zum anderen könnte das Beleghandling entfallen, da eine Digitalisierung des Mandates erfolgt. Die Absicherung der Lastschrift kann wie bereits heute vom Handel übernommen werden oder am Markt eingekauft werden. Die technische Umsetzung einer kartenbasierten elektronischen Lastschrift als vollwertiger Girocard-Ersatz ist nicht ohne die aktive Mitwirkung der Kreditwirtschaft möglich. Insofern bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber beziehungsweise die Wettbewerbsbehörde diese Mitwirkung einfordert.

Ulrich Binnebößel , Referent , Handelsverband Deutschland - HDE e. V., Berlin
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