Regulierung

Interchange: durch 5-Parteien-System zu retten?

Nach der Entscheidung der EU-Kommission vom Dezember 2007 wird es in Zukunft wahrscheinlich schwierig werden, eine Freistellung der Inter -change-Gebühr zu erhalten, prognostizieren Malte Krüger und Christoph Strauch. Rettung sehen sie im Wechsel von der heute expliziten zu einer künftigen impliziten Interchange durch den Übergang von einem 4- zu einem 5-Parteien-System, in dem zwischen Issuer und Acquirer ein Interchange-Händler zwischengeschaltet würde, der mit beiden Seiten die Sätze aushandelt. Mehr als eine bloß kosmetische Änderung wäre dies nach Einschätzung der Autoren allerdings durchaus. Insbesondere wäre dadurch in Zukunft eine größere Spreizung der Gebühren zu erwarten. Red.Die in Kartenzahlungssystemen übliche gemeinschaftliche Festlegung von Inter -change-Gebühren wird von vielen Wettbewerbsbehörden als wettbewerbswidrige Preisabsprache interpretiert. Sie argumentieren, dass durch eine multilaterale Interchange-Gebühr für das Händlergeschäft (Acquiring) ein Mindestpreis fixiert wird. Bisher haben diese Bedenken der Wettbewerbsbehörden dazu geführt, dass den Banken gewisse Beschränkungen aufer legt wurden, die auf die Einführung ei nes kostenbasierenden Interbankenentgelts hinausliefen. De facto bedeutete dies immer eine Senkung der Gebühren. Beispiele für dieses Vorgehen sind die Entscheidung des OFT in England und der Reserve Bank of Australia. Die im Dezember veröffentlichte Entscheidung der EU-Kommission im Verfahren gegen Master card stellt jedoch eine sehr viel weitergehende Beschränkung für den Einsatz von Interchange-Gebühren in Kartensystemen dar. Preis oder Ausgleichsmechanismus? Die Entscheidung der EU-Kommission scheint auf der Annahme zu beruhen, dass die Interchange-Gebühr als Preis aufzufassen sei, den Acquirer für Leistungen der Kartenherausgeber (Issuer) zu entrichten haben. Solch ein "Preis" könnte theoretisch auch bilateral verhandelt wer den. Wird er hingegen kollektiv festgelegt, liegt in der Tat der Verdacht der Preisabsprache nahe (Verletzung von Artikel 81 EG-Vertrag). Diese Argumentationskette wird allerdings nicht allgemein akzeptiert. So kommt ein erheblicher Teil der akademischen Literatur zu dem Thema zu dem Schluss, dass es sich bei der Interchange-Gebühr eben nicht um einen Preis handelt, sondern um einen Ausgleichsmechanimus zur optimalen Verteilung der Zahllast in zweiseitigen Märkten. Die Europäische Kommission ist jedoch diesen Argumenten anscheinend nicht gefolgt und sieht im Interbankenentgelt primär eine kollektiv abgestimmte Untergrenze für den Händlerpreis. Implizite statt explizite Interchange Da der genaue Wortlaut der Entscheidung noch nicht veröffentlicht ist, können noch keine Aussagen zur Begründung der Entscheidung gemacht werden. Aus der bereits veröffentlichten Stellungnahme wird jedoch deutlich, dass es in Zukunft sehr schwer sein wird, eine Freistellung der Interchange-Gebühr nach Artikel 81 Nr. 3 EG-Vertrag zu bekommen (vorausgesetzt, die Entscheidung wird nicht noch durch den Europäischen Gerichtshof gekippt). Damit stellt sich die Frage, ob es dennoch Möglichkeiten gibt, den erwünschten (und auch von der EU-Komission nicht grundsätzlich abgelehnten! ) Allokationseffekt einer Interchange-Gebühr zu erhalten, ohne in den Verdacht wettbewerbswidriger Absprachen zu gelangen. In unserem Beitrag zeigen wir, dass es möglich ist, durch eine Änderung der Art und Weise, wie In-terchange-Gebühren erhoben werden, einen großen Teil der wettbewerbsrechtlichen Probleme auszuräumen. Diese neue Art von Interbankenentgelt nennen wir "implizite Interchange-Gebühr" - im Gegensatz zur heute explizit er hobenen Interchange. Hierbei geht es ausschließlich um das grundsätzliche Prinzip des Interbankenentgeltes. Wir machen damit keine Aussagen zu der Frage, ob die Höhe der heutigen Sätze optimal ist. Die implizite Interchange-Gebühr beruht auf der Einführung einer neuen Partei in Kartensystemen, dem "Interchange-Händler". Dieser verhandelt eigenständig mit jedem Issuer und jedem Acquirer über die Höhe der Gebühren. Aus der Spanne zwischen den erhaltenen und gezahlten Gebühren bezieht der Interchange-Händler Erlöse. Der Teil der Erlöse aus Acquirer-Gebühren, den der Interchange-Händler nicht selbst behält, sondern an die Issuer auszahlt, kann als "implizite Interchange-Gebühr" angesehen werden. Diese implizite Inter change entsteht, obwohl es keinen direkten Zahlungsstrom zwischen Issuern und Acquirern gibt und auch keine einheitlichen Gebührensätze für Issuer oder Acquirer. Weniger radikal, als es scheint Eine solche Entwicklung weg von einer expliziten Interchange und hin zu einer impliziten würde es wesentlich leichter machen, das Prinzip Interchange gegen die Bedenken der Wettbewerbsbehörden zu verteidigen. Mit der Einführung eines Interchange-Händlers würde das traditionelle 4-Parteien-Modell in ein 5-Parteien-Modell umgewandelt. Dieser Schritt ist weniger radikal, als es zunächst den Anschein hat, da auch die heutigen 4-Parteiensysteme schon in vielerlei Hinsicht als 5-Parteien-Systeme anzusehen sind. Durch die vorgeschlagenen Änderungen würde dieser 5-Par -teien-Charakter lediglich stärker hervortreten. Implizite Interchange-Gebühren in 5-Parteien-Systemen Traditionell werden Kartenzahlungssysteme in 3-Parteien- und 4-Parteien-Systeme eingeteilt. In 3-Parteiensystemen liegen Issuing und Acquiring in einer Hand. In 4-Parteien-Systemen übernimmt jeweils eine große Anzahl von Institutionen das Issuing und/oder Acuiring. In einigen Systemen wird festgelegt, dass Teilnehmer sowohl als Issuer als auch als Acquirer aktiv sein müssen. Eine solche Regel ist jedoch kein notwendiger Bestandteil eines 4-Parteien-Systems. So gibt es in den beiden großen 4-Parteien-Systemen Visa und Mastercard Institutionen, die nur als Issuer, nur als Acquirer oder als Issuer und Acquirer aktiv sind. Neben den 4-Parteien, die traditioneller weise genannt werden (Issuer, Acquirer, Händler und Karteninhaber) gibt es noch eine fünfte Partei, die Kartenorganisation. Diese ist verantwortlich für Lizenzen und Brand-Management, Festlegung und Überwachung der Regeln und Netzwerkdienste sowie Clearing und Settlement. Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, erhebt die Kartenorganisation Gebühren von Issuern und Acquirern: Mitgliedsgebühren, Assessment Gebühren, Processing Gebühren. Die Kartenorganisation partizipiert jedoch in keiner Weise an den Interchange-Einnahmen. Die Bezeichnung "4-Parteien-System" spiegelt demnach den Umstand wider, dass die fünfte Partei lediglich die Netzwerkplattform bereitstellt und nicht kommerziell an der Bereitstellung von Zahlungsdiensten beteiligt ist. Im herkömmlichen 4-Parteien-System wird die Interchange-Gebühr vom Acquirer an den Issuer gezahlt (in einigen Systemen erfolgt die Zahlung vom Issuer an den Acquirer). Dabei wird der Satz in der Regel durch die Kartenorganisation festgelegt - also letztlich kollektiv durch die Mitglieder. Dieser kollektiv festgelegte Inter -change-Satz gilt dann für alle Issuer und Acquirer. (Der theoretisch vorgesehene Fall bilateraler Vereinbarungen spielt in der Praxis keine Rolle, da es keine Anreize gibt, von der kollektiv gesetzten Inter change abzuweichen.) Die EU-Kommission und andere Wettbewerbsbehörden interpretieren dies so, dass ein Minimumpreis für die Händlergebühr festgelegt wird. So gesehen findet eine kollektive Preisabsprache statt. Soweit bekannt, hätten die Wettbewerbsbehörden keine Bedenken gegen Interchan-ge-Gebühren, wenn diese bilateral ausgehandelt würden. Bilaterale Aushandlung von Gebühren nicht praktikabel Die bilaterale Aushandlung von Gebühren zwischen jedem einzelnen Issuer und jedem einzelnen Acquirer ist jedoch impraktikabel, da hierfür die Zahl der Teilnehmer viel zu groß (zumal in internationalen Systemen) und das bilaterale Zahlungsvolumen in den meisten Fällen viel zu klein ist. Eine naheliegende Lösung dieses Problems ist es, die Volumina dadurch zu bündeln, dass ein Interchange-Händler eingeschaltet wird. Dieser würde mit jedem Acquirer, der teilnehmen möchte, individuell die Konditionen aushandeln, die für die Einreichung von Transaktionen gelten, und mit jedem Issuer individuell das Entgelt für Einlösung der präsentierten Forderungen. Neue Rolle für die Kartenorganisationen? Der Interchange-Händler wäre frei in der Gestaltung seiner Konditionen, würde aber dem wirtschaftlichen Zwang unterliegen, Gewinne erwirtschaften zu müssen. Er würde demnach anstreben, einen möglichst hohen Gewinn aus der Spanne zu ziehen. Die Spanne würde durch die Höhe der durchschnittlichen Acquirer-Gebühr und des durchschnittlichen Issuer-Entgelts bestimmt werden. Naheliegende Kandidaten für die Übernahme der Rolle eines Interchange-Händlers sind die Kartenorganisationen (es sind aber auch andere Lösungen vorstellbar). Damit würde das 4-Parteien-System zu einem 5-Parteien-System, in dem die fünfte Partei auch wirtschaftlich an der Bereitstellung von Zahlungsdienstleistungen partizipiert und nicht lediglich die Plattform bereitstellt. Dies berührt natürlich auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Parteien und die Struktur des gesamten Systems. Eine wichtige Implikation der Systemanpassung ist, dass Acquirer nicht mehr Interchange-Gebühren direkt an die Issuer, sondern stattdessen das vereinbarte Entgelt an den Interchange-Händler zahlen (zum Beispiel die Kartenorganisation). Auf der anderen Seite des Marktes würden die Issuer von dem Interchange-Händler eine Vergütung für die Übernahme der Transaktionen (Begleichung der Forderungen) statt eines Interbankenentgelts vom Acquirer erhalten. Entscheidend wird die Spanne Es gibt also keinen expliziten, auf einem einheitlichen Gebührensatz basierenden Zahlungsfluss zwischen Issuern und Acquirern mehr, sondern es gibt einfach zwei Märkte mit jeweils eigenen Preisen: Preise, die von den Acquirern gezahlt werden und Preise, die an die Issuer gezahlt werden. Es gibt allerdings eine implizite Interchan-ge-Gebühr. Diese besteht aus dem Teil der Acquirergebühr, der an die Issuer weiter geleitet wird. Ein Teil der Acquirergebühr verbleibt beim Interchange-Händler (die Spanne). Entscheidend ist, dass aus Sicht des Inter -change-Händlers nicht die Höhe der impliziten Interchange-Gebühr für seinen wirtschaftlichen Erfolg wichtig ist, sondern seine Erlöse aus der Spanne (Spanne mal Volumen). Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich Anreize für den Interchange-Händler, den Markt durch Sondergebühren für bestimmte Sektoren, Länder oder den Einsatz neuer Technologien weiter auszubauen. Umgekehrt können einzelne Issuer oder einzelne Acquirer versuchen, durch Aktionen, die den Wert des Systems steigern, bessere Konditionen zu erlangen. Die Frage, ob der Umbau des Systems Änderungen der rechtlichen Struktur notwendig machen (zum Beisiel hinsichtlich Haftung, Gewährung von Zahlungsgarantien) oder ob es reicht, allein die Gebührenstruktur zu ändern, sollte für die wettbewerbsrechtliche Bewertung ohne Belang sein. Eine rein wirtschaftliche Lösung wäre sicherlich einfacher umzusetzten und daher vorzuziehen. Wettbewerbsrechtlich weniger angreifbar Die hier skizzierte neue Systemarchitektur würde es sehr viel schwerer machen, die implizite Interchange aus wettbewerbsrechtlicher Sicht anzugreifen. Denn letztlich handelt es sich ja bei dem Inter -change-Händler lediglich um ein Unternehmen, dass seine Ankaufs- und Verkaufspreise festlegt - genau wie ein Schuhproduzent seine Schuhpreise mit Großhändlern aushandelt und die Lederpreise mit Lederhändlern. Natürlich kann das Problem entstehen, dass dieses Unternehmen über Marktmacht verfügt. Allerdings wäre dann die Höhe der Interchange-Gebühr kein geeigneter Indikator für Marktmacht. Die Wettbewerbsbehörden müssten vielmehr auf die Höhe der Spanne schauen. Keine kosmetische Änderung Der skizzierte Umbau des Geschäftsmodells von Kartenzahlungsnetzen könnte einen gangbaren Weg darstellen, die Interchange vom Prinzip her zu bewahren. Allerdings sollte man in diesem Umbau keinesfalls allein eine kosmetische Änderung sehen. Durch diesen Umbau verändern sich auch die Interessen der Beteiligten. Die Kartenorganisationen werden als Interchange-Händler einen Anreiz haben, transaktionsbedingte Gewinne zu maximieren. Es steht zu vermuten, dass dies zu einer Aufspreizung der Gebühren führen wird. So würden wir vermuten, dass große, aktive Issuer einen höheren Interchange-Satz erhalten werden als kleinere. Ähnliches wird auf der Acquiring-Seite passieren, wo große Acquirer niedrigere Sätze verhandeln werden. Möglicherweise werden Interchange-Händler sogar direkt Verträge mit großen Einzelhändlern abschließen und damit einer alten Forderung des Handels nachkommen, "Self-acquiring" zuzulassen. In Zukunft wird es also eine breitere Palette unterschiedlicher Gebühren geben und die implizite Interchange wird sich daraus als gewichteter Durchschnitt ergeben. Ein realistisches Szenario? Schon heute lassen sich einige Tendenzen erkennen, die die Zahlungsnetze in Richtung des 5-Parteien-Systems bewegen. In der traditionellen Organisationsweise von Zahlungsnetzen, bei der Kunden gleichzeitig bestimmende Mitglieder sind und die Kartenorganisationen selbst keine Gewinne erwirtschaften sollen, lässt sich das 5-Parteien-Modell sicherlich nicht realisieren. Allerdings hat es hier in jüngster Zeit einschneidende Veränderungen gegeben. Mastercard ist bereits an die Börse gegangen, und Visa wird demnächst folgen. Damit gibt es bereits heute eine fünfte Partei mit eigenem Gewinninteresse. Dies zeigt sich auch bereits bei Mastercard, wo man zunehmend bereit zu sein scheint, aggressiv mit Incentives um Kunden und Märkte zu werben (ein Beispiel ist die Gewinnung des Lufthansa-Portfolios). Schließlich kann man auch bei den 3-Par-teien-Systemen Entwicklungen in Richtung auf ein 5-Parteien-System erkennen. Zum Beispiel gibt American Express Karten über Bankpartner heraus. Auch wenn Amex der rechtliche Herausgeber ist und die Bank als Vertriebspartner agiert, ist das wirtschaftliche Modell bei dieser Kooperation nah verwandt mit dem 5-Parteien-Modell, da die Bank eine umsatzabhängige Kommission von Amex bekommt. Die 3-Partien-Systeme sind also in einer Position, den direkten Sprung zum 5-Par -teien-System zu machen - ohne den Umweg über das 4-Parteien-System, wie ihn die Bankamericard mit Visa und eine Reihe amerikanischer Regionalbanken mit Interbank Card Association (jetzt Master card) gemacht haben.

Niels Lohmüller , Executive Vice President Business Development , Yapital Financial AG
Prof. Dr. Malte Krüger , Technische Hochschule Aschaffenburg, Aschaffenburg
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