Kartenstrategie

Kartenzahlung im Handel - heute Pflicht, morgen Kür?

Die Kartenzahlung heute stellt für den Einzelhändler noch ein notwendiges Übel dar. Der Krieg gegen das Bargeld wird noch nicht geführt. Dennoch wird der Ersatz von Bargeld von der Kartenindustrie als über geordnetes Ziel dargestellt. Da liegt es nahe, einmal die Funktionen des Bargelds mit unbaren Zahlungen zu vergleichen. Im Mittelpunkt steht dabei die Aufbewahrungs- und Zahlungsfunktion. Auf der einen Seite steht das Bargeld, aufbewahrt in der Geldbörse, auf der anderen das Girokonto. Aufgabe analog zur Geldbörse ist daher bei einer Kartenzahlung, den Zugang auf das Konto zu schaffen, Transaktionen zu ermöglichen und Sicherheit zu gewährleisten. Voraussetzung ist zudem, dass der Kontoinhaber stets die Hoheit über sein Konto behält, dass Standards zur Autorisierung und Abwicklung genutzt werden und dass eine gerechte Kostenteilung stattfindet.

Vision einer unbaren Zukunft ...

Aus dieser Betrachtung lässt sich eine Vision der Kartenakzeptanz von morgen entwickeln. Eine Vision, die zeigt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Handel die Kartenakzeptanz aktiv vorantreibt:

Die unbare Zahlung ist die kostengünstigste Zahlungsart. Im Gegensatz zum Bargeld werden keine Materialien bewegt, die elektronische Datenübermittlung ist der effizienteste Weg zum Austausch der Zahlbeträge.

Eine flexible Anpassung ist jederzeit möglich. Möchte der Kunde per Debit oder Kredit zahlen? Benötigt der Händler eine Zahlungsgarantie oder ist diese verzichtbar? Jede Anpassung kann je nach Über einkunft zwischen Handel und Kunde er folgen.

Der Wettbewerb führt zur vollständigen Transparenz der Angebote am Markt.

Technik und Prozesse sorgen dafür, dass alle Kartenarten über einen einheitlichen Kanal abgewickelt werden können. Es besteht Vollausstattung bei den Kunden bei gleichzeitiger Akzeptanz.

Die Abwicklung ist einfach, sicher und schnell für Kunde und Handel.

... und Realität heute

Die Kartenakzeptanz heute unterscheidet sich dagegen von dieser Vision in vielen Punkten: Kartenakzeptanz erfolgt nur aus einem Servicegedanken heraus, der Kunde verlangt unbare Zahlungen. Bargeld bleibt weiterhin Benchmark. Kartenzahlung ist im Kostenvergleich wesentlich teurer, Bargeld zudem gesetzlich vorgeschrieben. Unterschiedliche Systeme und Standards führen bei Kartenzahlungen zu einer hohen Komplexität. Stichworte sind hier PCI, OPT oder TA 7.0.

In der Konsequenz akzeptiert der Handel heute Karten nur soweit, wie es notwendig ist, um keine Kunden zu verlieren. Dabei ist die Ausprägung in einzelnen Branchen sehr unterschiedlich. Die Entwicklung der unbaren Zahlung im Zeitablauf zeigt allerdings konstante Zuwächse von etwa zehn, bis 1,5 Prozent jährlich. Eine relativ geringe Zunahme, die unter oben skizzierter Vision deutlich stärker ausfallen könnte.

Ziele, Anforderungen und Erwartungen des Handels

Aus dem Anspruch und der Wirklichkeit lassen sich die Ziele des Handels bei der Kartenakzeptanz herleiten: Befriedigung der Kundennachfrage nach Kartenzahlung, Kundenbindung durch "Serviceangebot Kartenzahlung", einfache und effiziente Zahlungssysteme, Abwicklung mit einheitlichen Standards, Kostensenkung im Zahlungsverkehr, Risikofaktor Bargeld minimieren. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen des Handels an unbare Zahlungssysteme:

Kartenzahlung muss vom Kunden gewünscht sein und akzeptiert werden, er muss bereit sein, seinen Kostenanteil zu übernehmen.

Angemessenes Kosten/Nutzen-Verhältnis, transparente Kostenstrukturen im Detail. Der Handel muss die Hoheit über den

Einsatz behalten. Es darf keine technischen Vorgaben geben, die in die Prozesse an der Kassenzone eingreifen. Eine Prioritätenliste bei Karten mit mehreren Zahlungsformen darf es ebenso wenig geben wie eine technische Vorgabe der Auswahl des Zahlungssystems am Terminal durch den Kunden. Zudem muss eine Weitergabe der Kosten ermöglicht werden, Surcharging muss erlaubt sein.

Die einzelnen Systeme müssen an die eigenen Bedürfnisse anpassbar sein. Das bedeutet eine Aufteilung in Bausteine, unter denen wiederum Wettbewerb herrschen soll (Unbundling).

Es muss Investitionssicherheit bestehen. Maßnahmen zur Systemsicherheit dürfen nicht nur dem Handel auferlegt werden.

Ausfallsicherheit der Systeme/Backup-Lösungen.

Auch an den gemeinsamen europäischen Zahlungsraum knüpfen sich Erwartungen des Handels. So wird insbesondere auch die Einbeziehung in die Arbeiten bei der Gestaltung der Sepa-Rahmenbedingungen gefordert. Beispielsweise darf es keine Festlegung eines Enddatums für die Abschaltung nationaler Systeme geben, solange nicht feststeht, ob neue Systeme die Anforderungen mindestens genauso gut erfüllen.

Handel in die Gestaltung der Sepa-Rahmenbedingungen einbeziehen

Auch bei der Prozessgestaltung ist eine Einbeziehung des Handels notwendig. So zeigt sich, dass die diskutierte technische Anbieterauswahl, bei der durch eine entsprechende Gestaltung des Terminals dem Kunden die Auswahl des gewünschten Zahlungssystems überlassen wird, an den Abläufen am PoS im Handel vorbeigeht. Hier wird gefordert, dass wie bisher auch die Kassierkraft die vom Kunden gewünschte Zahlungsart in das Terminal eingibt, was zu einer effizienten und schnellen Abwicklung des Kassiervorgangs führt.

Standardisierung als Kernthema

Neben dieser Einbeziehung in die Gestaltung ist die Standardisierung ein Kernthema unter Sepa. Hier muss die europaweite oder möglichst gar weltweite Standardisierung zu einem flexiblen Einsatz der Technik-Bausteine führen. Dazu gehört selbstverständlich auch der grenzüberschreitende Einsatz von Terminals und Prozessen. Sepa muss auch dazu führen, dass Wettbewerb gefördert wird und eine Transparenz insbesondere marktmächtiger Systeme entsteht. Eine strenge Aufsicht gehört ebenso dazu wie klare Vorgaben zur Kostentransparenz. Die Schaffung neuer Systeme soll gefördert werden, ebenso aber auch der Erhalt nationaler Systeme ermöglicht werden, solange eine Nachfrage besteht.

Angreifbare Gebührenpolitik bei Girocard

Angesichts der erwarteten Zunahme der Zahlungssysteme erscheint eine Betrachtung führender aktueller Systeme ratsam, auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung.

Electronic cash - das heutige Girocard hat seinen Platz im Markt erkämpft. Die Vorteile für den Handel sind eindeutig, insbesondere die weite Verbreitung und Akzeptanz bei den Kunden sorgt für eine entsprechende Akzeptanz auch im Handel. Die Entwicklung der Transaktionen belegt dies: Innerhalb der letzten zehn Jahre (1999 bis 2008) stiegen die Transaktionen im Handel um mehr als 850 Prozent. Allerdings stiegen auch die Einnahmen der Kreditwirtschaft in erheblichen Maß an. Schätzungen zeigen, dass die Einnahmen aus Girocard-Transaktionen bei den Banken im Jahr 2004 noch bei unter 100 Millionen Euro lagen. Für 2010 werden dagegen Einnahmen in Höhe von zirka 250 Millionen Euro allein aus dem Handel erwartet.

In diesem Zusammenhang ist aus Sicht des Handels zu fragen, warum die Gebühren seit der Einführung 1991 nicht gesunken sind, obwohl dies damals in Aussicht gestellt wurde. Oftmals als Argument angeführt wird der "Gegenwert" der Zahlungsgarantie, die die Girocard-Gebühren rechtfertigen. Dem muss entgegengehalten werden, dass eine eigentliche Ausfallgarantie nicht gegeben werden muss, da eine Online-Autorisierung stattfindet, eine Deckung und damit die Solvenz überprüft wird. Sämtliche technische Risiko- und Betrugsfaktoren, die einen Zahlungsausfall bedingen könnten, rechtfertigen die Gebühren in dieser Höhe nicht. Zudem wurden von Betreiberseite die tatsächlichen Verluste nie überzeugend aufgeführt.

Auch die Systemkosten für Betrieb und Abwicklung innerhalb der Kreditwirtschaft sind für die heutige Gebührenhöhe nicht ausreichend dargelegt. Insgesamt sind die Risiken, Systemkosten und auch ein ausreichender Gewinnaufschlag nicht geeignet, 18 Jahre nach Systemeinführung die Höhe der Gebühren zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang muss auch das Stichwort Interchange genannt werden. Die Gebührenpolitik in einem marktführenden System ohne Mitwirkung der Nutzer ist angreifbar und sollte in einer Weiterentwicklung des Systems berücksichtigt wer den.

Geplante Vernetzung von Geldkarte und Girocard ist praxisfremd

Die zurzeit diskutierten Neuerungen bei Girocard sind noch nicht geeignet, die genannten Schwachpunkte zu lösen, da die Gebührenfrage bislang ausgeklammert wird. Dennoch wird deutlich, dass die Kreditwirtschaft weiterhin Interesse an dem System hat. So wird die Entkoppelung von Terminal und Autorisierung dazu führen, dass einfachere und günstigere Endgeräte beim Händler aufgestellt werden können. Die Installation eines "einfachen" Kartenlesers vor Ort und die Autorisierung zum Beisipiel beim Netzbetreiber ermöglichen zwar Einsparungspotenziale. Allerdings nur dort, wo keine Kreditkarten akzeptiert werden, denn zur Kreditkartenakzeptanz wäre weiterhin ein technisch aufwendiges Terminal erforderlich.

Auch die Integration von Kleinbetragszahlungen durch Einbindung der Geldkartenfunktion mit Auflademöglichkeit am PoS erscheint kompliziert und aufwendig. Die Abwicklungszeiten am PoS müssen hier berücksichtigt werden, mit dem vorgestellten System erscheint es unrealistisch, eine praxisgerechte Abwicklung zu ermöglichen.

Konditionensenkung unerlässlich

Die Weiterentwicklung von Girocard aus Sicht des Einzelhandels muss auf Basis einer Neukonditionierung aufbauen. Dabei könnten in einem ersten Schritt Konditionengespräche unter gleichberechtigten Partnern erfolgen. Als Voraussetzung kann die Beibehaltung einer Wirtschaftlichkeit auf Seite der Kreditwirtschaft gelten. Unerlässlich ist aber die Senkung der Konditionen auf ein akzeptables Niveau. In einem ersten Schritt kann dabei der Verzicht auf einen der beiden Preisbestandteile erfolgen. Auch Transaktionskontingente für Großabnehmer oder Handelsverbünde könnten in weiteren Schritten als Mittel einer angepassten Gebührenpolitik in Frage kommen. Die Ver luste auf Seiten der Kreditwirtschaft durch die Preissenkung würden durch zusätzliche Transaktionen überkompensiert werden.

Insgesamt führen Gebührensenkungen zu steigender Attraktivität im Handel und damit zu einer Überkompensierung der Ver luste. Durch die Einbeziehung des Handels in die Konditionengestaltung würde auch eine wettbewerbsrechtlich korrekte Gestaltung erfolgen.

ELV: Nur vermeintliche Nachteile

Das zweite weitverbreitete Zahlungssystem ist das elektronische Lastschriftverfahren. Auch hier handelt es sich um ein bei Kunden und im Handel akzeptiertes Verfahren. Die einfache, flexible Handhabung, die Funktion als Backup-System und die vergleichsweise günstigen Abwicklungskosten sprechen ebenso für ELV wie die Tatsache der relativen Unabhängigkeit des Systems von der Kreditwirtschaft.

Als vermeintliche Nachteile des Systems gelten die Betrugsmöglichkeiten durch die fehlende Zahlungsgarantie und die fehlende Sepa-Fähigkeit, begleitet vom fehlenden politischen Willen der Beibehaltung des Systems. Zudem wird im ELV-Verfahren kein ausreichender Business-Case für Banken gesehen. Doch alle negativen Punkte lassen sich entkräften:

Kein ausreichender Business-Case:

Hier besteht durchaus die Möglichkeit eines Verdienstes, sei es durch Buchungsgebühren auf Geschäftskonten, die Bepreisung von Rücklastschriften und die Adressauskunft bei entsprechenden Anfragen.

Betrugsschäden: Zunächst ist zu sagen, dass es dem Handel überlassen bleiben kann, welches Risiko er bereit ist einzugehen, da in keinem Falle der Kunde geschädigt werden kann. Zudem kann der Handel bereits heute das Zahlungsausfallrisiko an Dienstleister zu marktüblichen Konditionen abtreten. Allerdings ist das Risiko im ELV überschaubar. Wie die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt, sind die Betrugsfälle im ELV seit Jahren rückläufig, auch bedingt durch die Zusammenarbeit des Handels mit der Polizei im Projekt Kuno. Im Jahr 2008 lagen die Betrugsfälle von ELV erstmals unter denen im ver meintlich sicheren PIN-Verfahren. Bei der Schadenssumme liegt das ELV bereits seit Jahren unter dem PIN-Verfahren.

Kein politischer Wille der Beibehaltung von ELV: Hier muss auf einen Beschluss des Bundestages zur Sepa-Einführung hingewiesen werden. Der Beschluss 16/13669 begrüßt ausdrücklich, dass die Zahlungsdiensterichtlinie auch in Zukunft ermöglicht, das Einzugsermäßigungslastschriftverfahren weiter anzubieten. Weiterhin wird deutlich gemacht, dass die Sepa-Lastschrift nur eine Option darstellt und von der Akzeptanz der Nutzer abhängig ist. Hier wird eindeutig für die marktgetriebene Migration votiert, ein Enddatum wird damit implizit nicht befürwortet.

ELV weiterentwickeln

Vor diesem Hintergrund steht auch eine Weiterentwicklung von ELV auf der Tagesordnung des Handels. Der Weiterbetrieb ist rechtlich abgesichert und erwünscht, es besteht weiter eine große Nachfrage im Handel, immerhin werden zwölf Prozent des Einzelhandelsumsatzes mit ELV abgewickelt. Die Sicherheit wird weiterhin gesteigert, die Betrugsfälle sinken, Kuno ist dabei ein wichtiger Aspekt. Zudem ist keine Alternative zu ELV absehbar.

Dies alles spricht für eine Weiterentwicklung des Systems ELV. Es lässt sich an technische Entwicklungen anpassen. Es könnte außerdem als Basistechnologie für neue Systeme gelten. Kartenzahlungssysteme neuer Anbieter außerhalb des Bankensystems sind auf einen Abwicklungsprozess angewiesen, den das elektronische Lastschriftverfahren bieten kann. Hierzu gehört die Schaffung eines Standards "Kontoschnittstelle". Die Kreditwirtschaft ist aufgefordert, diesen technischen Kontozugang zu ermöglichen beziehungsweise beizubehalten.

Die technische Weiterentwicklung von ELV wird auch durch das ELV-Forum vorangetrieben. Bei dem Forum handelt es sich um eine Gruppe von Unternehmen, die ELV-Zahlungen anbieten beziehungsweise bei der Abwicklung mitwirken. Mitglieder des Forums sind neben dem Handel die

Netzbetreiber, die Terminalhersteller und die Softwarelieferanten. Aufgabe des Forums ist es, neue technische Standards zu formulieren, die es allen Beteiligten ermöglichen, die Anforderungen des ELV effizient umzusetzen. Im ersten Schritt soll ELV auf der Basis der internationalen Standards EMV-Chip sowie der Spur 2 des Magnetstreifens weiterentwickelt wer den.

Kreditkarten: Grundproblem Sicherheit

Kreditkarten haben sich im Handel insgesamt heute noch nicht zum bestimmenden Zahlungsmittel entwickelt, sind andererseits aber vom Kunden akzeptiert und insofern auch nicht zu vernachlässigen. Der Datenschutz ist dabei in den vergangenen Jahren zum bestimmenden Thema geworden. Unter dem Begriff PCI DSS versuchen die führenden Kartenorganisationen, einen selbstentwickelten Standard einzuführen, der den Schutz vor einem Datenvorfall steigern soll. Allerdings zeigt sich auch, dass versucht wird, die Verantwortung für die Datensicherheit auf den Handel und andere, an der Abwicklung beteiligte Partner abzuwälzen. Hier müssen einfach zu handhabende Anweisungen für den Handel entworfen werden, die zudem einen Schutz vor Schadenersatzforderungen garantieren.

Das Grundproblem aber bleibt erhalten: eine Zahlung kann allein aufgrund der Kenntnis von Kartennummer und Gültigkeitsdatum abgewickelt werden, keine technischen Sicherheitsmaßnahmen schützen vor Missbrauch. Hier sollte auch die Kreditkarte auf mittlerweile anerkannte Standards wie die Chip-Technologie setzen.

Surcharging und Interchangefrage weiterhin ungelöst

Weitere ungelöste Themen der Kreditkartenakzeptanz sind die Interchangeproblematik sowie das sogenannte Surcharging. Diese sind allerdings auch in einem systemunabhängigen Zusammenhang zu behandeln und können durch gesetzliche Rahmenbedingungen des Zahlungsverkehrs gelöst werden.

Surcharging bedeutet die Möglichkeit eines Händlers, die anfallenden Kosten eines Zahlungssystems auf den Endpreis aufzuschlagen und so dem Kunden transparent zu machen. Dieses Recht ist in der Zahlungsdiensterichtlinie beschrieben, allerdings als Option in der nationalen Umsetzung nicht verpflichtend vorgesehen. Die deutsche Regierung hat beschlossen, diese Option nicht zu nutzen und dem Systemanbieter weiterhin die Möglichkeit eingeräumt, ein Surcharging zu unterbinden. Damit wird der Preis eines Zahlungssystems auch weiterhin nicht durch Angebot und Nachfrage gebildet, sondern weiterhin entkoppelt bleiben. Die Nachfrage wird durch den Karteninhaber generiert, der nicht an den Kosten der Transaktion beteiligt wird, sehr wohl aber den Nutzen einer bequemen Zahlung hat. Die Kosten werden dem Handel aufgebürdet, der ver traglich gezwungen werden kann, diese Kosten nicht an den Kunden weitergeben zu dürfen. Die Chance zur Marktpreisbildung im Kartenzahlungsverkehr wurde damit vergeben.

Interchangegebühren stehen seit langem unter Beobachtung der Wettbewerbsbehörden. Bei diesen Gebühren handelt es sich um eine nicht durch Wettbewerb zustande gekommene Gebühr. Insofern muss gesetzlich Transparenz geschaffen werden. Die Gebührenpolitik muss überprüft und angepasst werden. Solange dies nicht durch eine Offenlegung der Kosten und Verhandlung mit dem letztendlich kostentragenden Handel erfolgt, müssen die Wettbewerbsbehörden diese Aufgabe übernehmen und Kostentransparenz sicherstellen. Hierzu gibt es bereits richtungweisende Entscheidungen auf europäischer Ebene. Auch das Bundeskartellamt ermittelt aufgrund einer Beschwerde unter anderem des HDE zu Interchangeentgelten in Deutschland. Es ist zu wünschen, dass baldmöglichst eine Regelung gefunden wird, die allen Parteien Rechtssicherheit gibt.

Neue Aufgabenverteilung im Kartengeschäft?

Die Aufgabenverteilung im Kartengeschäft ist heute klar geregelt. So werden die Karten herausgegeben von einer Issuerbank, die den Zugriff auf das Konto des Karteninhabers regelt. Der Handel akzeptiert die Karten und schließt dafür Verträge mit einem Vermittler, dem Acquirer, der die Abrechnung mit den Issuern übernimmt und für die Zahlungsgarantie eintritt. Das technische Prozessing übernimmt ein Netzbetreiber, der in einigen Fällen ebenfalls eine Zahlungsgarantie übernimmt. Die Rahmenbedingungen werden von Kartenorganisationen festgelegt.

Diese Aufgabenverteilung könnte sich in der Zukunft ändern.

Eine Kartenausgabe durch den Handel ist beispielsweise denkbar, bereits heute gibt es Ansätze, Kundenkarten mit einer Zahlungsfunktion zu versehen.

Aber auch der Staat käme als Herausgeber einer Identifizierungskarte in Frage. Mit dem elektronischen Personalausweis steht ein interessantes Medium in den Startlöchern, auf dem auch Zahlungssysteme aufgebaut werden können.

Eine Akzeptanzvermittlung mit der notwendigen Schnittstelle zwischen Kunden und Abwicklungsbank ist damit möglicherweise verzichtbar, klassische Acquirer und Issuer würden durch Standards in der Abwicklung an Einfluss verlieren.

Auch die Rahmenbedingungen könnten von einer Organisationseinheit gesetzt werden, bei denen die tatsächlichen Nutzer, also Handel und Verbraucher mehr Einfluss haben. Dies ist übrigens seit langem eine zentrale Forderung des Handels.

Das Prozessing sowie die Zahlungsgarantie könnten dem Wettbewerb über lassen werden und müssten nicht länger zwangsweise an ein Zahlungsprodukt gekoppelt sein. Dem Händler kann die Wahl gelassen werden, inwieweit eine Garantie verzichtbar ist.

Ob das Kartengeschäft sich in die skizzierte Richtung entwickelt, hängt von der Bereitschaft der Kartenindustrie ab, von überholten Geschäftsmodellen abzurücken und innovative, auch dem Handel gerecht werdende Produkte anzubieten und ihn an der Entwicklung zu beteiligen.

Debit und Kredit verschwimmen in der Wahrnehmung

Auch die Frage Debit oder Kredit beschäftigt die Produktentwickler künftig mehr. Dabei verwischen die beiden Begriffe zunehmend in der Wahrnehmung. So kann eine Prepaid-Kreditkarte allein begrifflich zu Verwirrungen führen. Aber auch eine Debit-Karte wie die ec-Karte kann zu einer Kreditkarte umfunktioniert werden, wie Projekte von Banken zeigen. Auch der Belastungszeitpunkt bei einer ELV-Transaktion kann bei enger Auslegung bereits als Kredit gedeutet werden.

Doch allen Zahlungsformen liegt zugrunde, dass der Issuer in der Regel die Entscheidung trifft, wann das Konto des Karteninhabers belastet wird. Dabei liegt das eigentliche Interesse an der Entscheidung Debit oder Kredit beim Karteninhaber. Er hat das Interesse zu entscheiden, wann er mit der Transaktion belastet wer den will. Er tut dies heute mit der Wahl der entsprechenden Karte. Künftig kann diese Entscheidung auch transaktionsabhängig erfolgen, nicht mehr kartenabhängig. Auch, wenn mehrere Zahlungssysteme auf einer Karte sind, muss diese Entscheidung künftig im Gespräch Kunde/Händler erfolgen.

Ein kurzer Ausblick in die Zukunft lässt bereits einige Trends erkennen. Stichworte sind hier Mobile Payment, kontaktloses Zahlen, der bereits erwähnte elektronische Bundespersonalausweis, aber auch das Zahlen per Fingerabdruck. Möglicherweise finden auch Zahlungssysteme des Inter nets den Weg an den PoS, eine OnlineÜberweisung könnte hier ebenso erfolgen wie am heimischen Computer.

Allen Innovationen liegen aber bestimmte Erfordernisse zugrunde, die gelöst werden müssen. So ist der Zugang zum Kunden durch die angewandte Technik gegen den Zugang zum Konto durch die girokontoführende Bank abzustimmen. Dabei wird ein Geschäftsmodell umso komplexer, je mehr Parteien beteiligt sind. Auch die Kundenakzeptanz ist ausschlaggebend für den Markterfolg. Ein innovatives System muss die gewünschte Sicherheit geben und einfach in der Handhabung der Technik sein. Auch die Akzeptanz im Handel ist von Bedeutung für den Markterfolg. Hier zählen günstige Kosten, eine praxisgerechte Abwicklungsgeschwindigkeit und gegebenenfalls entsprechende Zusatz-Services zu den Kernpunkten.

Kosten bleiben herausragender Faktor für die Akzeptanzentscheidung

Aus den Ausführungen lässt sich der Schluss ziehen, dass neue Zahlungssysteme dann eine Chance haben, wenn sie Kostenvorteile für den Handel bringen, vom Kunden akzeptiert werden, den wettbewerblichen Grundsätzen genügen und eine praxisgerechte Technik verwenden. Auf dem Weg dahin wird deutlich, dass die Herausforderungen in die intelligente Gestaltung des Zahlungsmixes für den Handel steigen. Neue Techniken, neue Anbieter und neue Anwendungen machen es künftig schwerer, die individuelle Lösung für die eigenen Bedürfnisse zu finden. Allerdings bleiben auch künftig die Kosten der herausragende Faktor bei der Akzeptanzentscheidung für ein Zahlungssystem. Dabei wird weiterhin der Kundenwunsch ausschlaggebend sein, sich mit neuen Systemen zu beschäftigen.

Eine politische Aufgabe wird es weiterhin sein, für transparenten Wettbewerb zu sorgen. Dort, wo kein Wettbewerb möglich ist oder existiert, muss eine entsprechende Regulierung für Transparenz sorgen. Die freie Zulassung von Surcharging könnte dabei helfen, zu einem offenen Umgang mit den anfallenden Gebühren zu kommen.

Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors beim Bankkarten Forum 2009.

Ulrich Binnebößel , Referent , Handelsverband Deutschland - HDE e. V., Berlin
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