Im Gespräch

"Die Kombination aus Girocard und JCB ist ein funktionsfähiges Produkt" - Interview mit Peter Ciranka und Martin Stroetz

Im letzten Jahr haben Sie gemeinsam mit der Allianz Bank einen Akzeptanztest für Girocard mit JCB-Co-Badging durchgeführt. Wofür brauchten Sie überhaupt einen solchen Test?

In der Vergangenheit hat man in der Kartenbranche häufiger gesehen, dass sich PoS-Terminals in der Praxis anders verhalten als erwartet. Die Allianz Bank, die mit uns die Tests durchgeführt hatte, hatte diese Erfahrungen bereits in der Vergangenheit gemacht und deshalb um einen Test gebeten. Die Kombination von JCB und Girocard auf einer Karte ist ja ein völlig neuartiges Kartenprodukt.

Wie sah der Funktionstest genau aus?

Wir haben den Test zusammen mit der Firma Service Tester Dr. Thede durchgeführt. Die Tester wurden mit Echtkarten ausgestattet, die über Konten bei der Allianz Bank emittiert wurden. Damit haben wir ein unabhängiges, ungeschöntes Ergebnis vorliegen. Lediglich im Ausland haben Mitarbeiter der dortigen JCB-Niederlassungen die JCB/Girocard selbst getestet.

Um den Piloten bewerten zu können, hatte die Pilotbank für jede Händlerkategorie einen Schwellenwert vorgegeben, anhand dessen die Testergebnisse beurteilt wurden. Der Test wurde sehr strukturiert durchgeführt: Im Testumfeld waren die Top-50 Händler (laut EHI-Erhebung), darunter waren alle Händlerkategorien sowie alle Netzbetreiber enthalten. Somit sollte die Relevanz über die Einsatzmöglichkeiten einer solchen Karte sichergestellt werden. Die Tests wurden mit Erfolgsquoten mit einem Durchschnitt von über 97 Prozent abgeschlossen. In einzelnen Fällen konnte eine Transaktion mit ELV-Terminals älteren Typs nicht durchgeführt werden. Als Ergebnis lässt sich festhalten: Die Kombination aus Girocard und JCB ist ein funktionsfähiges Produkt, das man beruhigt im deutschen Kartenmarkt anbieten kann.

Die Pilotbank Allianz Bank ist Ihnen ja durch deren Verschwinden vom Markt unterwegs verlorengegangen ...

Das ist tatsächlich ein Wermutstropfen. Denn natürlich wirft es einen zurück, wenn eine Pilotbank komplett ausfällt. Die OLB wird die Aktivitäten der Allianz Bank in diesem Projekt voraussichtlich nicht weiterführen. Wir präsentieren das Produkt jedoch derzeit mit großem Erfolg bei Karten emittierenden Häusern. Und die bisherige Resonanz ist durchweg positiv.

In welcher Bankengruppe ist die Offenheit am größten?

Insgesamt ist der Kartenmarkt sehr offen für Gespräche. Aktuell sind wir in der Direktansprache der potenziellen Emittenten ausschließlich im Privatbankenbereich unterwegs.

Bei den Volks- und Raiffeisenbanken und den Sparkassen führen wir aktuell Gespräche auf der Ebene der Zentralbanken und der Verbände. Um Verbände zu einer Entscheidung zu bewegen, ist erfahrungsgemäß mehr Aufwand notwendig als bei einzelnen Instituten. Doch auch bei den Verbänden wird JCB positiv empfangen und werden Gespräche bereits auf detaillierter Ebene geführt. JCB bietet Lösungen für den jeweils spezifischen technischen Hintergrund an.

Wann werden in Deutschland die ersten Karten auf den Markt kommen?

Unsere aktuelle Planung beinhaltet einen weiteren Piloten, der Mitte 2014 startet. Parallel hierzu sind Projekte in Österreich, Italien, Spanien und Bulgarien in der Planung. JCB will mit den verschiedenen europäischen Projekten den Marktteilnehmern signalisieren, dass JCB nicht nur eine Marke für japanische Touristen ist, sondern dass JCB-Karteninhaber auch aus dem europäischen Ausland kommen können. Dies ist für die Neuausrichtung unserer Akzeptanzaktivitäten auf der Händlerseite sehr wichtig.

JCB-Karten werden mittelfristig in Europa ausgegeben und werden vom Karteninhaber als alternatives oder komplementäres Produkt bei den Händlern auch für lokale Umsätze eingesetzt werden. Dafür besteht durchaus Bedarf. So sind wir in Österreich bereits in der Umsetzungsphase, um ein auf den Emittenten maßgeschneidertes Produkt aufzusetzen. Die ersten Karten werden auch hier vermutlich Mitte 2014 auf den Markt kommen.

In Italien haben wir uns auf eine Konsenslösung mit Pago Bancomat geeinigt. So werden JCB Karten auch in Italien mittelfristig zum ganz normalen Alltag gehören. Das heißt JCB wird sich als europäische Karte etablieren, und Händler werden nationale Umsätze über JCB-Karten abrechnen.

Natürlich stehen wir noch am Anfang unserer Aktivitäten. Somit müssen wir im Moment auf die Sichtbarkeit unserer Marke setzen, um das Logo bekannt zu machen. Deshalb arbeiten wir sehr gerne mit Allianzen. Gerne bringt JCB seinen Erfahrungsschatz mit Co-Brandings und Affinity-Karten in Kooperationen mit ein, auch wird es sehr bald eine Prepaid-Variante der JCB-Karte geben.

Um die Akzeptanz sicherzustellen, wurden bereits wichtige Allianzen geschlossen. In der Endausstattung wird eine Girocard/ JCB-Karte eine weltweite Akzeptanz bei über einer Million Geldautomaten und mit Stand von heute über 24 Millionen Händlern haben. Damit wäre die Girocard/JCB eine Karte, die weltweit eine komfortable Nutzung ermöglicht.

Bei der Kombination von zwei verschiedenen Funktionalitäten auf einer Karte stellt sich natürlich das Problem der Piorisierung. Was hat der Test hier gezeigt?

Grundsätzlich gibt es zwei Strategien: die Priorisierung auf der Karte oder die Application Selection durch den Anwender.

Als einer der ersten Marktteilnehmer hatten wir im Test Karten mit unterschiedlichen Priorisierungen. So konnten wir gut vergleichen, wie die Terminals auf die vom Emittenten gewünschte Priorisierung des Zahlungsproduktes reagieren.

Das Ergebnis lautet: Die Priorisierung auf der Karte ist nach heutigem Stand völlig wirkungslos. Wir konnten keinen Unterschied feststellen. Das liegt vor allem daran, dass in etwa 98 Prozent der Geräte noch die Vorranganwendung für die Girocard aktiv ist, was laut Sepa eigentlich schon längst nicht mehr der Fall sein dürfte.

Wenn man jedoch durch eine Parametrisierung die Vorranganwendung aus den Geräten herausnimmt, würde die Application Selection durch den Kunden greifen. Dann würde die Priorisierung in der Karte nur darüber entscheiden, was bei der Auswahl an erster Stelle steht.

Die Einführung der Application Selection (wie schon heute in anderen europäischen Märkten) zeigt, dass sich die Kassenzeiten erheblich verlängern würden - weder zur Freude der Händler noch der Karteninhaber. Deshalb glauben wir, dass die Priorisierung auf der Karte mittelfristig der richtige Weg ist, um die Transaktionen zu steuern.

Inwieweit hierzu Anpassungen in der Terminallandschaft notwendig werden und welche Investitionen für diese Anpassung notwendig sind, können sicherlich die Netzbetreiber heute schon voraussagen. Wie lange diese Anpassungen dauern würden und wie viele Terminals ausgetauscht werden müssen entzieht sich natürlich unserer Kenntnis. Wahrscheinlich müsste unseres Wissenstandes nach wohl eine komplett neue Software installiert werden. Welche Umsetzungsfristen der Markt hierbei benötigt und welche Aufwände dahinter stecken, konnten wir bei der Umsetzung des TA 7.0 beobachten.

Die Steuerung über die Priorisierung auf der Karte würde dem Handel aber vermutlich auch nicht so sehr schmecken?

Der Handel ist gerne variabel und unterstützt als Serviceleistung in der Regel immer Aktivitäten, die zur Kundenzufriedenheit beitragen. Allerdings werden auch in diesem Bereich europäische Richtlinien die weitere Vorgehensweise vorgeben.

Sicherlich wird eine pragmatische Lösung, die die Wünsche des Handels berücksichtig zur Umsetzung kommen. Wir gehen davon aus, dass eine Priorisierung einer Zahlungsart, sobald dies den Kundenwunsch widerspiegelt, ohne Probleme akzeptiert wird. Schließlich wählt ja der Kunde in den meisten Fällen schon bewusst aus, ob ein Debit- oder ein Kreditprodukt an der Kasse zur Zahlung präsentiert wird.

Die Steuerung der Transaktion über die Priorisierung auf der Karte würde vermutlich auch dazu führen, dass für JCB nur die Auslandsumsätze bleiben?

Grundsätzlich ist der weltweite Auslandseinsatz die Domäne der Girocard/JCB. Im Hinblick auf den Bekanntheitsgrad der Marke JCB und auch auf die Umätze im Ausland ist das Co-Badging für uns dennoch interessant. Wir sind darauf eingestellt, dass der größte Effekt eines solchen Produktes beim Brand Marketing zu finden ist. Die Anhebung des Bekanntheitsgrades hilft JCB, die Akzeptanz für die anspruchsvollen asiatischen Karteninhaber auf weltweiter Ebene auszubauen.

Auch für den Karteninhaber würde die Priorisierung auf der Karte eine Einschränkung mit sich bringen: Im Inland hätte er am PoS dann nicht die Möglichkeit, sich für die Kreditkartenfunktion der Karte zu entscheiden. Würde das nicht dazu führen, dass viele Kunden doch noch eine zweite Kreditkarte beantragen - und dann möglicherweise auch im Ausland damit bezahlen?

Das sehen wir angesichts eines Kreditkartenanteils von etwa fünf Prozent an den Umsätzen des Einzelhandels nicht als großes Handicap. Die meisten Kunden setzen ihre Kreditkarte im Inland vor allem deswegen ein, weil sie damit Bonuspunkte sammeln können.

Auch wir haben natürlich ein Bonusprogramm im Angebot. Es obliegt dem Emittenten, mit welchen Argumenten er die Priorisierung des Kartenproduktes steuern möchte. Wir sind der Meinung, dass letztlich der Karteninhaber entscheidet, welche Funktion zur Zahlung herangezogen werden soll.

Ist die geplante Regulierung der Interchange für Sie eine Chance?

Der Entwurf der EU-Kommission zur Interchange-Regulierung kam für uns zur Unzeit: nämlich genau zum Ende des Piloten. Wir hatten sozusagen schon die Laufschuhe an, wurden aber wegen Fehlstart zurückgepfiffen.

Natürlich gibt es bei uns keine multilaterale Interchange, sondern wir handeln unsere Gebühren bilateral mit dem Acquirer oder Issuer aus. Wie dies jedoch unter dem Aspekt der Regulierung zu bewerten ist, ist momentan noch relativ offen. Hier müssen wir abwarten, bis eine Entscheidung getroffen ist. Denn nur so können beide Seiten einen Business Case rechnen.

Noch ist es völlig offen, ob der Regulierungsentwurf der EU-Kommission so durch das Parlament geht. Das heißt für uns: Bevor in der Interchange-Frage keine endgültige Klarheit besteht, sind Banken wenig geneigt, Entscheidungen zu treffen.

Alle bisherigen Zusagen haben lediglich Pilotcharakter.

Andererseits müssen sich Banken, die heute Karten herausgeben, über ihre künftige Kartenstrategie Gedanken machen. In diese Überlegungen wird JCB heute mit ein bezogen. Ohne die geplante Interchange-Regulierung würden wir vielleicht nicht auf so offene Ohren stoßen.

Nutzen Sie die "Warteschleife", um an der Verbesserung der Akzeptanz zu arbeiten? Oder scheitern Sie hier an der Henne-Ei-Problematik?

Für die weltweite Strategie, JCB als Marke zu implementieren, die überall akzeptiert wird, ist es sehr wichtig, dass Händler das Logo auch auf einheimischen Karten sehen. Natürlich ist es schwierig, den Handel davon zu überzeugen, einen Brand zu akzeptieren, der im Inland noch nicht ausgegeben wird. Aktuell werden Strukturen etabliert, in denen der Vertrieb am Markt unterwegs ist. Beim Ausbau der weiteren Akzeptanz bezieht JCB auch die Wünsche der lokalen Emittenten ein und hilft so, eine positive Kundenwahrnehmung zu erzielen.

Für Deutschland ist die Akzeptanz durch die Kombination mit der Girocard kein Problem. Wir brauchen aber auch die Akzeptanz für die europäischen Karten aus Spanien, Österreich, Bulgarien und bald auch Italien. Dafür müssen wir die Akzeptanz auch für die alltäglichen Ausgaben ausbauen. Daran arbeiten wir gemeinsam mit den Acquirern. In der Vergangenheit haben wir uns stark auf die touristischen Schwerpunkte konzentriert, in denen vor allem die in Asien ausgegebenen Karten zum Einsatz kommen. Das ändert sich derzeit massiv. Wir betreiben gezielt Informationspolitik in den Handel hinein. Auf der Consumer-Seite werden wir warten, bis der erste Emittent Karten am Markt hat.

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