Regulierung

Die Kommission und die Interchange: Falsche Prämissen?

Am 19. Dezember 2007 hat die Europäische Kommission (EU-Kommission) das Verbot der Mastercard-MIF (Multilaterale Interchange Fee) für grenzüberschreitende Zahlungen in der EU verkündet. Mittlerweile liegt eine ausführliche Begründung vor, die es erlaubt, die Argumentation der EU-Kommission kritisch zu beleuchten.

Das Verbot der Mastercard-MIF beruht auf einer Abfolge von Fragen, die die EU-Kommission zu prüfen hatte. Dabei kam die EU-Kommission zu folgenden Schlüssen:

Es liegt eine gemeinsame Absprache vor. Es handelt sich also nicht um die Preisfestsetzung eines einzelnen Unternehmens.

Es liegt eine Einschränkung des Wettbewerbs vor. Durch die MIF werden die Händlerpreise auf der Acquiringseite er höht - und zwar drastisch.

Eine MIF ist nicht notwendig zum Betrieb des Mastercard-Systems, da es viele Beispiele von Kartensystemen ohne multilaterale Interchange gibt.

Die Einschränkung des Wettbewerbs hat erhebliche Folgen.

Es gibt keine stichhaltigen Gründe für eine Freistellung.

Fehlerhafte Begründung

Im Folgenden sollen vor allem die beiden Fragen der Einschränkung des Wettbewerbs und der Notwendigkeit der Inter change untersucht werden. Unseres Er achtens übersieht die EU-Kommission in ihrer Begründung einen wesentlichen Punkt in der ökonomischen Analyse von Kartensystemen. Die Frage, ob tatsächlich eine Einschränkung des Wettbewerbs vorliegt, wird von uns daher anders als durch die EU-Kommission beantwortet.

Auch sind unserer Ansicht nach die Beispiele von Kartenzahlungssystemen "ohne" MIF, die zeigen sollen, dass eine multilaterale Interchange Fee objektiv nicht notwendig ist, falsch gewählt. Abschließend gehen wir auf die Folgen des Urteils und seiner Begründungen ein - insbesondere auf die Frage, ob es unter bestimmten Bedingungen überhaupt noch möglich sein wird, die Notwendigkeit einer MIF zu begründen (und damit eine Freistellung zu erwirken).

Auf weitere Argumente in der Begründung der Kommission wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Insbesondere die Einschätzung der EU-Kommission, dass multilaterale Interchange Fee auch nach dem Börsengang von Mastercard letztlich eine gemeinsame Absprache der kartenherausgebenden Banken darstellt1), wird hier nicht thematisiert.

Zweiseitigkeit des Issuing- und des Acquiringmarktes ...

Das "Missverständnis" der EU-Kommission beginnt in der allgemeinen Charakterisierung von Kartensystemen. Sie schreibt von einer "Co-operation" der Issuer und Acquirer in der Erstellung der jeweiligen Leistung.

Offenbar handelt es sich aber um weit mehr, als durch den unverbindlichen Begriff der "Co-operation" bezeichnet wird. In Kartenzahlungssystemen gehen Issuer und Acquirer gegenseitige Verpflichtungen ein, Karten diskriminierungsfrei zu akzeptieren beziehungsweise Transaktionen diskriminierungsfrei einzulösen. Diese gegenseitigen Verpflichtungen sind essen ziell für die Funktion von Kartenzahlungssystemen. Damit beruhen Kartensysteme auf wechselseitigen Leistungsbeziehungen zwischen Issuer und Acquirer und nicht bloß auf einer unverbindlichen Kooperation.

Beide Parteien erbringen wechselseitig Vorleistungen für die jeweils andere Partei. In isolierter Betrachtung des Issuergeschäftes und des Acquirergeschäftes sind beide Parteien jeweils in einem zweiseitigen Markt tätig.

Der Acquirer bedient auf dem Akzeptanzmarkt Händler mit der Einlösung von Zahlungen und Issuer mit der Garantie für die Solvenz des Händlers (siehe Abbildung).

Der Issuer bedient auf dem Kartenmarkt Konsumenten mit der Ausgabe von Karten und Acquirer mit der Einlösung der Transaktionen.

Selbstverständlich sollte auch sein, dass der wechselseitigen Leistungsbeziehung entsprechende Vergütungen gegenüberstehen. Die Funktion der Interchange ist dann einfach das Netto der gegenseitigen Vergütungen und kann dementsprechend positiv oder negativ ausfallen.

Die Zweiseitigkeit der Märkte impliziert, dass Acquirer und Issuer nicht einfach nur jeweils eine Seite auf ihrem zweiseitigen Markt bepreisen sollten. Jedenfalls ist nicht a priori klar, dass dies zu einem optimalen Ergebnis führt. Generell ist in zweiseitigen Märkten nicht allein die Höhe der insgesamt gezahlten Preise, sondern ebenso die Preisstruktur, also das Verhältnis der Preise auf beiden Seiten zueinander entscheidend für ein optimales Ergebnis. Für unseren Fall der Kartensysteme ergibt sich die Zweiseitigkeit durch die Kopplung von Acquirer- und Issuermarkt über die gemeinsame Ausbringungsmenge.

... oder Kooperation?

Demgegenüber sieht die EU-Kommission aber in den Vereinbarungen zwischen Issuer und Acquirer keine vertikalen Leistungsbeziehungen, sondern eine - wie auch immer geartete - Co-operation.2) Folgerichtig betont die EU-Kommission die "Nicht-Zweiseitigkeit" der Märkte, wenn sie fordert, Issuer und Acquirer sollten jeweils direkt ihre Kundengruppen (womit sie aber nur Karteninhaber und Händler meint) belasten. In unserer Sichtweise läuft die hier von der EU-Kommission vorgeschlagene Lösung auf eine gemeinsame Inter change von Null hinaus, da die Notwendigkeit der kaufmännischen Absprache nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.3)

Rückkehr zur Interchange als "Fee for Service"?

Wir haben versucht zu zeigen, dass in einem zweiseitigen Markt sowohl der Issuer Leistungen für den Acquirer erstellt als auch der Acquirer für den Issuer. Der traditionelle Ansatz zur Begründung einer MIF als "Fee for Service", die der Acquirer dem Issuer zu zahlen habe, wird hier also erweitert um den Preis, den der Issuer umgekehrt dem Acquirer zu zahlen hat.

Die (berechtigten) Einwände der Wettbewerbshüter gegen den klassischen "Fee for Service Ansatz" zur Begründung einer Interchange, der allein eine Leistung des Issuers an den Acquirer unterstellt, können also gegen unsere Interpretation nicht vorgebracht werden. Allerdings lassen sich aus der Erkenntnis der Zweiseitigkeit nicht unmittelbar konkrete Schlussfolgerungen für die Preisfindung (beziehungsweise die Preisregulierung! ) ableiten - dies gilt insbesondere für die Richtung der Interchange. Das bedeutet aber nicht, dass die zugrunde liegende vertikale Interpretation grundsätzlich falsch ist, also keine vertikale Beziehung besteht, diese grundsätzlich nicht zu vergüten wäre oder für die ökonomische Analyse irrelevant wäre.

Die Funktion der multilateralen Interchange Fee sieht die EU-Kommission wegen der übersehenen Leistungsbeziehung nicht als Preis an, sondern als ein Verschieben von Kosten und Erlösen. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung wird mit einer Erhöhung der Preise auf der Händlerseite erklärt, die Preise wären niedriger, wenn es keine multilaterale Interchange Fee gäbe.4) Dass im Gegenzug die Preise auf der Seite des Issuers (als zweitem Kunden des Acquirers) sinken, ist für die EU-Kommission dagegen anscheinend ohne Belang.

Systeme ohne Interchange oder mit Zero-Interchange

Obwohl die EU-Kommission beteuert, dass sie nicht grundsätzlich gegen eine multilaterale Interchange eingestellt sei,5) kommt sie letztendlich zu dem Schluss, dass eine MIF für die Funktionsweise eines Kartensystems nicht notwendig ist.6) Vielmehr sei es möglich, dass Issuer allein von Karteninhabern Preise erheben, Acquirer allein von Händlern Preise erheben und der Plattformbetreiber von Issuern und Acquirern Preise er hebt.7)8)

Ein wesentliches Argument9) der EU-Kommission ist empirischer Natur. Die EU-Kommission verweist auf eine Reihe von Kartensystemen, die ihrer Meinung nach ohne multilaterale Interchange Fee operieren (siehe Tabelle 1). Die EU-Kommission zieht daraus den Schluss10), dass eine Interchange und deren wettbewerbsbeschränkende Effekte nicht notwendig seien.

Allerdings halten wir die Begründung der EU-Kommission in ökonomischer Sicht für wenig überzeugend, da die EU-Kommission nicht unterscheidet zwischen Kartensystemen, die ohne MIF operieren (und damit ohne die gemeinschaftlich vorgenommene "unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen" gemäß 81[1]a EG Vertrag), und Kartensystemen, in denen eine multilaterale Interchange Fee in Höhe von Null festgesetzt ist (Zero-MIF, vergleiche Tabelle 2). Denn auch bei Letzteren bedarf es gemeinschaftlicher Vereinbarungen über "die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen" (81[1]a EG Vertrag).

Anders sieht es aus, wenn überhaupt keine gemeinschaftliche Absprache vorliegt. Dann müssen Marktparteien auf bilaterale Vereinbarungen zurückgreifen oder es letztlich jeweils einer Partei (Issuer oder Acquirer) überlassen, wie hoch sie den Preis ansetzen will ("ex post pricing"). Nur in diesen Fällen kann man wirklich von Systemen ohne MIF (Absence of MIF) sprechen.

Die EU-Kommission verwendet jedoch die bekannten Beispiele von Kartensystemen mit Zero-MIF und schließt daraus - nach unserer Meinung fehlerhaft -, dass Kar tensysteme auch ohne MIF (Absence of MIF) betrieben werden können.

Akademische Unterscheidung?

Diese von uns vorgenommene Unterscheidung zwischen Kartensystemen ohne MIF und mit Zero MIF mag auf den ersten Blick rein akademisch anmuten, öffnet aber den Blick auf die Analyse der MIF in Kartensystemen.

Zunächst sollen zwei Beispiele für Kartensysteme, die ohne MIF operieren, genannt werden. Aus den Beispielen wird klar, dass diese im Gegensatz zu den von der EU-Kommission genannten Beispielen für Kartensysteme mit Zero-MIF nicht als Beleg für die Entbehrlichkeit der MIF taugen.

Kartensysteme, in denen es tatsächlich keine MIF gibt, sind

das deutsche elektronische Lastschriftverfahren (ELV) und

das deutsche Geldautomaten-System.

Beispiele ELV ...

Beim deutschen ELV bekommt der Händler (beziehungsweise der Netzbetreiber/Acquirer) keine Garantie vom Issuer. Damit ist das System nur begrenzt einsatzfähig. Insbesondere eine interna tionale Ausdehnung ist kaum möglich. Im deutschen Geldautomatensystem sind nach Abschaffung der MIF die Preise erheblich gestiegen und streuen so stark, dass das System in seiner jetzigen Form kaum überleben wird.

Im deutschen ELV fehlt es an den gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Issuer und Acquirer (Netzbetreiber) und damit auch an der Abrede eines Entgeltes. Offenbar ist ELV ein System ohne MIF und nicht ein System mit Zero-MIF. Das ELV - System beruht allein auf der Nutzung des Lastschriftabkommens zum Clearing der Transaktionen. Sein Erfolg in Deutschland beruht auf dem (durch Risikomanagement der Netzbetreiber gestützten) Vertrauen der Händler in Karteninhaber und der ver gleichsweise einfachen Möglichkeit des Forderungsmanagements im Rückbuchungsfall. Dabei wird auch von Verfahren Gebrauch gemacht, die außerhalb der Verfahren des Kartensystems liegen (zum Beispiel Kuno).

Die Bedeutung des Händlervertrauens für den Erfolg von ELV zeigt sich auch darin, dass die Vereinheit lichung von Bankkundenkarten und ec-Karten im Jahr 2001 zu Problemen im elektronischen Lastschriftverfahren mit deutlich steigenden Rücklastschriftquoten führte, da das ec-Brand als Bonitätsausweis plötzlich wegfiel. Typischerweise wird ELV deshalb häufig auch als "Stammkundenverfahren" eingesetzt. Damit ist ein System wie ELV nicht be liebig skalierbar. Es ist sehr fraglich, ob dies als Modell für ein offenes Vierparteiensystem angesehen werden kann.

... und deutsches Geldautomatensystem

Im deutschen Geldautomatensystem gibt es die entsprechenden Vereinbarungen zwischen Issuer und Acquirer, allerdings ist die geldautomatenbetreibende Bank frei, eine Interchange in beliebiger Höhe einzuziehen, es fehlt also eine multilaterale Interchange. Dies hat dazu geführt, dass die im Durchschnitt erhobenen Gebühren über die Zeit erheblich gestiegen sind.

Einzelne Banken berechnen mittlerweile mehr als zehn Euro für eine Verfügung. Dies ist in Deutschland nur unter der Voraussetzung möglich, dass die meisten Banken über ein relativ großes eigenes Netz verfügen. Banken, für die dies nicht zutrifft, weichen zunehmend auf Kartensysteme mit einer multilateralen Interchange aus (zum Beispiel DKB und ING-Diba). Damit ist die weitere Existenz eines gemeinsamen Systems in Frage gestellt.

Cash-Group: Trotz Zero-Interchange beim Kartellamt angemeldet

Das deutsche Geldautomaten-System ist in zweifacher Hinsicht interessant für die Beurteilung der Mastercard-Entscheidung.

Zum einen gab es in der Vergangenheit eine gemeinsame Interchange (in der Form eines gemeinsamen Höchstpreises). Als diese auf Wunsch der Bankengruppe mit dem größten Geldautomaten-Netz (von vier DM auf sieben DM) erhöht werden sollte, hat das Bundeskartellamt dies abgelehnt.11) Daraufhin hat sich das heutige System mit vier Bankengruppen, die jeweils untereinander eine multilaterale Interchange vereinbart haben, entwickelt. Bei gruppenübergreifenden Bargeldabhebungen entscheidet die geldautomatenbetreibende Bank einseitig (oder in den Worten der EU-Kommission "ex post") über die Höhe des Preises. Diese Situation ohne eine multilaterale Interchange hat zu einem Anstieg der Gebühren geführt. Für das Jahr 2007 schätzt Paysys die Höhe der Gebühren bei Fremdabhebungen auf durchschnittlich 4,75 Euro, also weit über dem angedachten Niveau von sieben DM.

Zum anderen ist interessant, dass die Ver einbarungen über gemeinsame gruppeninterne Interchangegebühren ebenfalls beim Bundeskartellamt angemeldet wurden - sogar im Fall der Cash Group, die eine Interchange von Null vereinbarte. In der Praxis des Bundeskartellamts ist demnach eine gemeinsame Absprache über einen Nullpreis keinesfalls als ein System ohne MIF betrachet worden.

Der Unterschied zwischen Absence of MIF und Zero-MIF wird auch von Mastercard Europe gegenüber der EU-Kommission vertreten. Mastercard verweist12) darauf, dass unter der Honor All Cards Rule (HACR) - also der Verpflichtung des Acquirers, alle Karten diskriminierungsfrei zu akzeptieren - eine Marktseite den Preis fast beliebig nach oben drücken könnte - was letztlich zur Sprengung des Systems führen müsse. (Eine Situation, die sich zurzeit im deutschen Geldautomatensystem gut beobachten lässt.) Mastercard Europe macht in diesem Zusammenhang auch deutlich, dass zu der verbindlichen Absprache zwischen Acquirer und Issuer auch kaufmännische Konditionen gehören. Damit wird der vertikale Charakter der Beziehung hinreichend deutlich gemacht.

Verbot des "ex post pricing" statt MIF?

Immerhin sieht die EU-Kommission13) die Problematik des "ex post pricings" (wie im deutschen Geldautomatensystem) durchaus und schlägt als Ausweg ein Ver bot des ex post pricings vor. In unserer Sichtweise der gegenseitigen vertikalen Beziehungen zwischen Issuer und Acquirer läuft das Verbot des ex post pricings faktisch auf eine Zero-MIF hinaus, da die Alternative von bilateralen Verhandlungen zwischen Acquirern und Issuern unpraktikabel ist. Das Verbot des "ex post pricings" sieht die EU-Kommission offenbar nicht als Festlegung eines Nullpreises für die Leistung des Acquirers an, nämlich die Einhaltung der Honor all Cards Rule, der auch eine Vergütung des Issuers für seine Leistung der diskriminierungsfreien Einlösung von Transaktionen gegenüberstehen müsste, sondern allein als Sicherungsmittel, um dem Acquirer die Sicherung seiner durch den Einsatz der Karte begründeten Forderung zum Nennwert zu ermöglichen. Die gegenseitige Leistungsbeziehung, also die von uns vertretene Sicht der MIF als ein Netto-Preis, übersieht die EU-Kommission völlig.

Deutlich wird dies, wenn man die Erläuterungen der EU-Kommission zur wettbewerbsbeschränkenden Wirkung der MIF betrachtet. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der MIF wird mit einer Erhöhung der Preise auf der Händlerseite er klärt.14) Die Preise wären niedriger, wenn es keine MIF gäbe. Dass im Gegenzug die Preise auf der Seite des Issuers (als zweiten Kunden des Acquirers) sinken, ist für die EU-Kommission anscheinend ohne Belang. Ausdrücklich begründet die EU-Kommission die weniger wettbewerbsbeschränkende Wirkung eines ex-post-pricing-Verbots damit, dass weder für Händler noch für Karteninhaber eine Preisgrenze gesetzt wird.15)

Damit bleibt die jeweils zweite Seite des Issuing- und Acquiringmarktes in der Ar gumentation der EU-Kommission völlig außer Betracht. Der offensichtliche Zusammenhang zwischen einem positiven Preis des Acquirers auf der Seite des Issuers und dem höheren Preis auf der Händlerseite wird als wettbewerbsbeschränkend angesehen, während umgekehrt eine preissenkende Wirkung einer MIF auf der Karteninhaberseite nicht beachtet wird. Mastercard Europe hatte hingegen explizit darauf hingewiesen, dass eine Inter change in Höhe von Null nicht weniger wettbewerbsbeschränkend sei.16) Darauf geht die EU-Kommission leider nicht weiter ein.

Freistellung für neue Systeme unwahrscheinlich

In Karten 1/2008 vermuteten wir unter dem Eindruck der veröffentlichten Stellungnahme der Europäischen Kommission (EU-Kommission) zum Verfahren gegen Mastercard Europe, "dass es in Zukunft sehr schwer sein wird, eine Freistellung der Interchange-Gebühr nach Artikel 81 Nr. 3 EG-Vertrag zu bekommen". Inzwischen ist die Entscheidung veröffentlicht, sodass eine nähere Analyse möglich ist.

Wie sich gezeigt hat, ist nach der Über zeugung der EU-Kommission die Verletzung nach Artikel 81 Nr.1 gegeben und der Weg zur multilateralen Interchange Fee kann nur noch über eine Freistellung nach Artikel 81 Nr. 3 führen. Dies würde, da, nach unserer Meinung die von der EU-Kommission vorgebrachten Argumente auch auf andere Kartensysteme anwendbar sind, ebenfalls für neue, entstehende Kartensysteme gelten.

Verschiedentlich17)18) wurde vermutet, dass eine MIF für ein neues System zur Lösung des Henne-Ei-Problems von der EU-Kommission nicht beanstandet werden würde. Nach der Argumentation der Entscheidung über die Mastercard-Interchange bliebe der EU-Kommission hier wohl nur noch der Weg über eine Freistellung nach 81(3). Sofern die EU-Kommission an ihrer Argumentation aus dem Mastercard-Fall festhält, dürfte eine Freistellung allerdings kaum erreicht werden, da die angeführten Kartensysteme mit Null-Interchange ja von Anfang an mit einer Null-Interchange operierten. Sie belegen also, dass auch für neue Systeme eine MIF keinesfalls "unerlässlich" ist.

Fußnoten

1 EC (2007), cf. 99 "the banks ... 'outsourced' the coordination of their competitive behaviour to an independent body while maintaining control of decision making on other key matters that are not sensitive from an antitrust perspective."

2 EC (2007), cf. 548

3 EC (2007), cf. 536

4 EC (2007), cf. 410

5 EC (2007), cf. 6

6 EC (2007), cf. 549

7 EC (2007), cf. 551

8 Leider geht aus der Darstellung der EU-Kommission nicht hervor, wie ein negativer Preis des Platformproviders auf der Seite des Issuers (oder Acquirers) bewertet werden würde. Dies würde genau dem von uns vorgeschlagenen Implicit MIF Modell (mit einem Interchange-Trader) entsprechen (siehe cards Karten cartes, Februar 2008).

9 EC (2007), cf. 557

10 EC (2007), cf. 648

11 Vgl. Bericht des Bundeskartellamts über seine Tätigkeit in den Jahren 1997/98 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet, Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/1139, Seiten 156 bis 157.

12 EC (2007), cf. 536

13 EC (2007), cf. 554

14 EC (2007), cf. 410

15 EC (2007), cf. 554

16 EC (2007), cf. 539

17 "Even if it can be argued that a MIF [...] might be necessary in the initial phase [...], the justification for keeping it once migration is achieved would have to be very convincing" (Neelie Kroes, Rede auf der Eurofi Conference am 3. Dezember 2007)

18 "while it is understandable that interchange fees could be useful when a scheme has just been created, it is questionable whether they are still justified once the scheme has become well-established." (Jean-Michel Godeffroy, Rede auf der Telecom-Paris am 26. Oktober 2007.)

Prof. Dr. Malte Krüger , Technische Hochschule Aschaffenburg, Aschaffenburg
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