Kartenstrategie

Kreditkarten und Risiken: für deutsche Kreditinstitute überschaubar

Im Zuge der Finanzmarktturbulenzen trat regelmäßig die Befürchtung auf, dass sich die Kreditkartenschulden zu einem Krisenherd ähnlich den berüchtigten Subprime-Darlehen entwickeln könnten. Diese Sorgen zielen vor allem auf die USA, da Kreditkartenverbindlichkeiten dort - anders als in Deutschland - die Funktion eines mittel- und langfristigen Darlehens erfüllen.

Die hinter dieser Befürchtung stehende Logik schien zunächst einleuchtend: Wenn in den vergangenen Jahren zunehmend Kredite an einkommensschwache Bevölkerungsgruppen vergeben wurden und die Kreditnehmer schon ihre Immobilienfinanzierungen nicht mehr bedienen können, sind dann nicht ähnliche Probleme für Kreditkartenschulden zu erwarten? Gab es nicht auch hier eine ausufernde Kreditvergabe an bonitätsschwache Schuldner? Hinzu kommt die schiere Größe der Kreditkartenverbindlichkeiten. Immerhin lag das Volumen der revolvierenden Konsumentenkredite - die ganz überwiegend Kreditkartenverbindlichkeiten repräsentieren - in den USA in der Spitze bei knapp 1 000 Milliarden US-Dollar.

Das starke Wachstum dieser Kredite bestätigt auf den ersten Blick die vermutete Blasenbildung. Seit 1999 ist das Volumen revolvierender Konsumentenkredite um knapp 60 Prozent gestiegen. Allerdings verläuft die Entwicklung weitgehend parallel zur Entwicklung der amerikanischen Wirtschaftskraft. Schließlich ist auch das Bruttoinlandsprodukt der USA im genannten Zeitraum etwa gleich stark gestiegen (siehe Abbildung 1). Diese parallele Entwicklung deutet eher darauf hin, dass sich die amerikanische Konsumentenverschuldung zwar auf hohem Niveau befindet, eine typische Kreditblase hier aber kaum zu vermuten ist.

Anlass zur Sorge hingegen gibt die Entwicklung der Zahlungsausfälle bei amerikanischen Kreditkartenschuldnern. Ausfallraten und die sogenannten Charge-Offs sind in den vergangenen Monaten auf neue Höchststände gestiegen (siehe Abbildung 2).

Stark erhöhter Wertberichtigungsbedarf bei allen US-Anbietern

Der amerikanische Kreditkartenmarkt wird dominiert von den sogenannten "Big 6", die sich aus American Express, Bank of America, Capital One, J. P. Morgan Chase, Citigroup und Discover zusammensetzen. Diese sechs Wettbewerber vereinigten 2008 gemessen am ausstehenden Kreditvolumen einen Marktanteil von annähernd 76 Prozent auf sich.

In den USA befinden sich etwa 700 Millionen Kreditkarten im Umlauf, was einer rechnerischen Penetration von 2,5 Karten je Bürger gleichkommt. Rund 44 Prozent der Verbraucher in den USA haben Kreditkartenschulden.

Bei allen Anbietern schlagen sich die erhöhten Ausfallraten von Kreditkartenforderungen in einem stark erhöhten Wertberichtigungsbedarf nieder. Zur Jahresmitte lagen die Abschreibungsquoten zwischen 60 Prozent und 95 Prozent über dem Stand von einem Jahr zuvor. Bei allen Anbietern haben sich die Abschreibungsquoten der Marke von zehn Prozent stark angenähert oder diese sogar überschritten. Analysten erwarten bei weiter steigenden Arbeitslosenzahlen einen weiteren Anstieg dieser Ausfallraten bis in das Jahr 2010 hinein. In der Vergangenheit waren abgeschriebene Kreditkartenforderungen zudem nur noch zu einem vergleichsweise geringen Anteil beizutreiben, die sogenannte Recovery-Rate lag bei nur 20 Prozent.1)

Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass die Ergebnisse aus dem US-Kreditkartengeschäft bei allen Anbietern stark eingebrochen sind. Zum Ende des zweiten Quartals 2009 hat es lediglich Capital One knapp geschafft, positive Zahlen auszuweisen (siehe Abbildung 3)

Gleichwohl signalisieren die Spreads der auf die betroffenen Unternehmen gehandelten CDS Entwarnung. Offenbar sind die Kreditmärkte davon überzeugt, dass die eingesetzten Instrumente der Kreditkartenanbieter zur Rückgewinnung der Profitabilität greifen werden.

Kreditrisken abgebaut

Zur Steuerung gegen die Negativentwicklungen haben die amerikanischen Anbieter verschiedene Maßnahmen ergriffen:

Abbau von Kreditrisiken,

Ausbau von Verlustpuffern durch Ausweitung der Zinsmarge,

Transfer von Risiken durch Verbriefungstransaktionen.

Allen Anbietern ist es gelungen, innerhalb von zwölf Monaten das Volumen ausstehender Kreditkartenforderungen zu reduzieren (siehe Abbildung 4).

Am stärksten ist der Abbau bei American Express erfolgt. Hier ging der Darlehensbestand aus Kreditkarten innerhalb von zwölf Monaten immerhin um 17 Prozent zurück. Offen ist, ob dieser Forderungsabbau der Institute mit einem entsprechenden Risikoabbau einhergeht. Die Rückführung von Kreditkartenschulden dürfte vor allem bei bonitätsstärkeren Kunden geschehen. Die Kündigung von Krediten bei bonitätsschwachen Schuldnern dürfte dagegen häufig direkt in entsprechenden Kreditausfällen münden. Auch wenn Kreditausfallquoten ein spät reagierender Indikator für den Risikogehalt der Engagements sind, so deuten die ungebremst steigenden Ausfallraten jedoch darauf hin, dass der Abbau der Kreditvolumina nicht im gleichen Ausmaß zu einer Verbesserung der durchschnittlichen Kreditqualität geführt hat.

Ausbau von Verlustpuffern durch Ausweitung der Zinsmarge

Allen Anbietern ist es gelungen, die Zinsmarge seit Beginn der Finanzmarktkrise deutlich auszuweiten. Eindrucksvoll und beispielhaft belegt wird dies durch Zahlen der Citibank für das Segment "Branded Cards North America". Hier konnte die Zinsmarge mit einem Anstieg von 7,0 Prozent auf 14,9 Prozent im zweiten Quartal 2009 die Zinsmarge gegenüber dem ersten Quartal 2009 mehr als verdoppelt werden. Allerdings sind im gleichen Zeitraum die Kreditausfälle noch stärker gestiegen. Das heißt die Kreditausfälle konnten nur teilweise durch steigende Zinsmargen kompensiert werden. Auch die anderen Anbieter weisen für den genannten Zeitraum eine Steigerung der Zinsmargen aber ein noch stärkeres Wachstum der Kreditausfälle auf.

Wesentlicher Treiber der Ausweitung der Zinsmargen waren zudem nicht Preiser höhungen, sondern die allgemein stark gesunkenen Zinsniveaus, die an die Kreditkartenkunden nur teilweise weitergegeben wurden. Im Falle wieder anziehender Marktzinsen dürfte daher auch eine Einengung der Zinsmargen wahrscheinlich sein. Einen dauerhaft ausgebauten Risikopuffer stellen beobachtete Ausweitungen der Marge damit kaum dar.

Transfer von Kreditrisiken: Kaum noch Nachfrage

Der Transfer von Kreditrisiken durch Verbriefungstransaktionen ist gängige Praxis. Einer Studie2) zufolge wurden 2008 rund 46 Prozent der Kreditkarten forderungen nicht in Bankbilanzen gehalten, sondern wurden verbrieft.

Credit Card Asset Backed Securities werden seit 1987 angeboten und hatten sich zu dem größten und liquidesten ABS-Segment entwickelt. Credit Card Receivables dominierten nach ausstehendem Volumen bis einschließlich 2003 den ABS-Markt, wohingegen seit 2004 das Segment der Home Equity Loans prädominiert.3)

Gemessen am Emissionsvolumen bilden verbriefte Kreditkartenforderungen in der derzeitigen Marktsituation wieder das volumenstärkste ABS-Segment auf allerdings niedrigem Niveau. In 2008 konnte noch ein Volumen von 59 Milliarden US-Dollar emittiert werden, in den ersten drei Quartalen dieses Jahres beträgt das Volumen annähernd 40 Milliarden US-Dollar. Das per 30. September 2009 ausstehende Volumen beziffert sich auf mehr als 300 Milliarden US-Dollar.4) (siehe Abbildung 5).

Infolge der Finanzmarktturbulenzen ist es allerdings zu einem drastischen Rückgang der Emission von Kreditkarten-ABS gekommen. Dieser Rückgang wird durch die Emissionsstatistiken noch unterzeichnet, da noch zur Jahresmitte 2009 rund zwei Drittel des Emissionsvolumens im Rahmen des Talf-Programms bei der Notenbank platziert wurden. Die Nachfrage "echter" Investoren und damit die Möglichkeit zum nachhaltigen Risikotransfer ist praktisch zum Erliegen gekommen.

Wenige Kreditkartenverbriefungen ausgefallen

Dabei ist festzustellen, dass sich Kreditkartenverbriefungen im Vergleich zu anderen Verbriefungssegmenten gut behaupten konnten. Zwar überwiegt auch hier die Anzahl der von Ratingagenturen herabgestuften Papiere bei weitem die der hochgestuften Tranchen. Dennoch haben sich die Spreads an den Kreditmärkten für verbriefte Kreditkartenforderungen sehr stark eingeengt (siehe Abbildung 6). Zudem ist festzustellen, dass bisher - trotz der er höhten Ausfallraten der Kreditkartenschuldner - erst wenige Verbriefungstransaktionen tatsächlich ausgefallen sind. Nach wie vor weisen die meisten Transaktionen einen guten Excess-Spread auf, der als Risikopuffer dient.

Probleme noch nicht ausgestanden

Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Probleme der amerikanischen Kreditkartenanbieter noch nicht ausgestanden sind. Hohe Ausfallraten lassen sich nur bedingt durch einen Abbau der Kreditvolumina, steigende Zinsmargen oder Forderungsverkäufe kompensieren.

Hinzu kommen aus Anbietersicht strengere gesetzliche Rahmenbedingungen. So wird der Credit Card Accountability, Responsibility and Disclosure Act5 die Margen womöglich weiter unter Druck setzen. Die Folgen des ab Februar 2010 geltenden Gesetzes sind exante schwierig zu ermessen. Als sicher gilt, dass die amerikanische Kartenindustrie sich von aus deutscher Sicht abenteuerlichen Privilegien zu verabschieden hat.

Unter anderem werden künftig rückwirkende Zinserhöhungen auf bereits bestehende Forderungen nur noch unter der Voraussetzung möglich sein, dass der Schuldner bereits seit mindestens 60 Tagen in Verzug ist.

Kreditkartenverträge sind dann verständlicher abzufassen

und der Karteninhaber ist mit der monatlichen Abrechnung zu informieren, wie lange die Tilgung des Saldos andauern wird, wenn nur der monatliche Mindestbetrag geleistet wird.

Die Abrechnung selbst wird mindestens 21 Tage vor Fälligkeit des Betrages zu versenden sein. Zinserhöhungen sind mit einer Frist von 45 Tagen anzukündigen.

Die Konditionen der Lockangebote müssen mindestens sechs Monate gelten, Zinserhöhungen sind in den ersten zwölf Monaten nach Kontoeröffnung nicht mehr möglich.

Die Regelung des "universal default", wonach einem Karteninhaber eine drastische Zinserhöhung seines Kartenkontos droht, sobald er bei einem beliebigen Gläubiger säumig wird, gehört ab Februar 2010 ebenfalls der Vergangenheit an. Ansteckungseffekte deutscher Kreditinstitute unwahrscheinlich

Aus einer Perspektive des Verbraucher schutzes sind die in Aussicht stehenden Neuregelungen Selbstverständlichkeiten. Festzustellen ist aber auch, dass hierdurch die den Anbietern zur Verfügung stehenden Instrumente zur Risikoreduzierung und vor allem Ertragsoptimierung beschnitten werden. Die Situation der Kreditkartenanbieter wird deshalb von dieser Seite weiter er schwert.

Das direkte Engagement deutscher Institute im US-Kreditkartenmarkt ist marginal. Mögliche Auswirkungen der Krise im US-Credit-Card-Segment auf deutsche Banken sind im Wesentlichen induziert durch den Erwerb von Kreditkartenverbriefungen. Das Exposure deutscher Banken in Kreditkarten-ABS ist nach einer Stichprobenerhebung allerdings relativ gering. Die summierten Buchwerte der gehaltenen Credit-Card-Verbriefungspositionen von 17 großen Banken betrug zur Jahresmitte rund drei Milliarden Euro. Davon entfielen nur knapp 60 Prozent auf US-Papiere, die zudem weitestgehend aus mit sehr guten Ratings versehenen Positionen (weit überwiegend "AAA") bestanden.

Direkte Ansteckungseffekte deutscher Kreditinstitute aus dem US-Kreditkartenmarkt sind daher unwahrscheinlich. Problematisch könnte die Situation nur dann wer den, wenn einer der großen US-Anbieter durch die Probleme im Kreditkartengeschäft existenzgefährdet wird. Durch die Vernetzung dieser Anbieter würden dann die systemischen Risiken unmittelbar relevant. Die Situation des US-Kreditkartenmarktes ist mit dem deutschen Kreditkartengeschäft nicht vergleichbar. Die Risiken aus dem deutschen Kreditkartengeschäft sind sehr begrenzt. Zwar ist der Kreditkartenmarkt in Deutschland diffus und opak. Im Vergleich zu dem amerikanischen Markt ist die Datenlage dürftig, und die Zahlen der Deutschen Bundesbank beziehungsweise der Europäischen Zentralbank unterscheiden sich nicht selten von den Zahlen der Branchenver treter.

Risiken aus dem deutschen Kreditkartengeschäft sind begenzt

Auch wird der Begriff der Kreditkarte in Deutschland nicht trennscharf verwendet. So findet sich ein Nebeneinander von Charge Cards und Debit Cards, nur vereinzelt auch Revolving Credit Cards und Prepaid Cards. Derzeit lässt sich ein eindeutiger Trend zu Marktanteilsgewinnen sogenannter "revolver" noch nicht erkennen; ihr Marktanteil wird auf zwei bis drei Prozent geschätzt. Hierzulande dienen Kreditkarten nach wie vor primär als Bargeldsubstitut.

Zahlungsstörungen können in Deutschland durch die Fokussierung auf das Charge-Card-Modell früh antizipiert werden. Bislang erfolgte die Nutzung der Kreditkarte in Deutschland zudem ganz überwiegend durch das "Prime"-Segment. Die für deutsche Institute aus dem Kreditkartengeschäft resultierenden Risiken sind daher insgesamt überschaubar.

Raimund Röseler , Exekutivdirektor Bankenaufsicht , Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
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