Produktpolitik

Prepaid-Karten in Deutschland: falsch positioniert

Prepaid-Kartensysteme haben sich in Deutschland etabliert: Verbraucher können Prepaid-Karten unterschiedlichster Art mit begrenztem Guthaben erwerben und bei ausgewählten Händlern zum Bezahlen einsetzen. Je nach Art und Anzahl der Händler, bei denen mit den Karten bezahlt werden kann, wird zwischen "Closed Loop" und "Open-Loop"-Produkten unterschieden: Closed Loop bedeutet, dass die Karte nur bei dem Händler eingesetzt werden kann, der die Karte auch ausgegeben hat. Im Umkehrschluss definiert Open Loop das offene System unter Beteiligung rechtlich voneinander unabhängiger Akzeptanzstellen. Dieser Artikel fokussiert sich auf die Entwicklung des Marktes für Open-Loop-Prepaid-Produkte in Deutschland.

Der bislang überwiegende Teil des Prepaid-Volumens in Deutschland wird über Closed-Loop-Produkte umgesetzt. Diese Karten werden hauptsächlich als Gutscheine zum Verschenken eingesetzt werden: Jeder größere Händler setzt mittlerweile auf Geschenkkarten (beispielsweise Amazon, Ikea, H+M, Douglas oder Saturn). Bei einigen Retailern haben diese Produkte bereits einen wesentlichen Anteil am Gesamtumsatz. Andere Gutscheinkarten werden nicht ausschließlich als Geschenk verwendet, sondern auch für den Eigenverbrauch gekauft (zum Beispiel i-Tunes). Die meisten der Closed-Loop-Produkte können nicht wieder aufgeladen werden.

Die Geschenkkarten werden in der Regel vom Händler selbst ausgegeben und vertrieben. Zusätzlich zum Eigenvertrieb haben sich Distributionsnetzwerke etabliert, die Vertriebsfläche bei diversen Retailpartnern installiert haben und dort die Kartenprodukte positionieren. In den USA und UK sind sogenannte Gift-Card-Malls bereits seit über zehn Jahren an über 100000 Standorten im stationären Einzelhandel breit etabliert. Für den teilnehmenden Retailpartner bieten sie interessante Provisionserlöse aus dem Verkauf der Geschenkkarten. Für den Brandpartner, der die Geschenkkarte ausgibt, stellen derartige Malls einen wichtigen Absatzkanal dar, der Zugang zu einem breit gestreuten Mix aus verschiedensten Handelspartnern bietet.

Hinzu kommt, dass die Positionierung verschiedener Marken über das Regal bei einem Retailpartner in der Gesamtheit den Abverkauf jeder einzelnen Karte erhöht. Durch die größere Auswahl an Einzel-Gutscheinkarten hat der Käufer einen stärkeren Anreiz zum Kauf, von dem jeder einzelne Gutscheinanbieter profitiert. In Deutschland hat sich allen voran die Retailo AG, die sich auf die Distribution von Geschenkkarten spezialisiert hat, etabliert. Daneben gibt es Unternehmen wie zum Beispiel Lekkerland, die ihr bereits vorhandenes Logistiknetzwerk erweitert haben, um überwiegend Kioske und Tankstellen ebenfalls mit Geschenkkarten zu beliefern und hierbei eng mit der Retailo kooperieren.

Neben den klassischen Geschenkkarten beginnt sich in Deutschland die Kategorie der Open-Loop-Prepaidkarten zu etablieren: Dies sind Karten, die nicht nur bei einem ausgewählten Händler, sondern breitgefächert zum Bezahlen eingesetzt werden. Gängige Marktanalysen prognostizieren in Europa einen massiven Anstieg des Open-Loop-Sektors mit traumhaften Wachstumsraten. Allein in Deutschland soll das Volumen von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf etwa 13,2 Milliarden Euro im Jahr 2017 anwachsen1).

Während in Ländern wie Großbritannien und Italien das Wachstum hauptsächlich aus Produkten für den Öffentlichen Sektor kommen soll (Öffentlicher Nahverkehr, Pensionszahlungen, Social Cards), wird in Deutschland der Anstieg überwiegend bei sogenannten Consumer-Produkten gesehen. Allen voran sind dies wieder aufladbare Kreditkarten-ähnliche Prepaid-Karten, mit denen Verbraucher weltweit bei Akzeptanzstellen von Mastercard und Visa bezahlen können und bei denen das Guthaben innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Möglichkeiten aufgeladen wird. Im Gegensatz zu "normalen" Kreditkarten, bei denen der Kartenumsatz einmal im Monat entweder in voller Höhe oder in zuvor vereinbarten Raten dem Bankkonto des Verbrauchers abgebucht wird, sind die Pre-paid-Kreditkarten vorausbezahlt, das heißt der Verbraucher kann nur aus dem Guthaben heraus die Karte einsetzen.

Nahezu alle Banken in Deutschland haben solche Prepaid-Kreditkarten im Programm. Sowohl Anzahl der Karten als auch die darüber abgewickelten Umsätze wachsen jährlich mit dreistelligen Prozentsätzen. Insofern scheinen sich die Prognosen zu bewahrheiten. Die Prepaidkarten weisen außerdem ein deutlich höheres Wachstum auf als die "normalen" Debit- und Kreditkarten, allerdings von einem deutlich niedrigeren Niveau ausgehend. Neben den klassischen Banken gibt es im Prepaid-Umfeld eine Reihe von Spezialanbietern aus dem In- und Ausland, die den deutschen Markt bedienen (zum Beispiel Wirecard, Voicecash, Vincento, Petafuel). Andere Anbieter integrieren Open-Loop-Prepaid-Karten als Geschenklösung mit Mehrwerten in ihre Plattformen, dann aber in der Regel als nicht wieder aufladbares Produkt speziell für den Internetvertrieb (zum Beispiel Bonayou) oder geben individuell je nach Auftraggeber gestaltbare Karten-Sonderformen für das B2B-Segment heraus (zum Beispiel. Edenred, Advano).

Positionierung verändern

Aber auch wenn die Wachstumsraten dieser Kartenprodukte sehr vielversprechend sind, so ist das Potenzial in Deutschland bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Denn Stand heute wird die Open-Loop-Prepaid-Karte überwiegend wie eine "echte" Kreditkarte positioniert:

Für Verbraucher, die entweder keinen Zugang zu einer "normalen" Kreditkarte haben ("Kreditkarte ohne Schufa"); für Jugendliche, die aus Altersgründen noch keine Kreditkarte erhalten können; für Urlauber, die keine Kreditkarte haben, aber im Urlaub darauf nicht verzichten wollen. Darüber hinaus wird der sichere Einsatz im Internet als möglicher Nutzen betont. Um die Produkte einem wirklichen Massenmarkt zu öffnen, ist eine Positionierung erforderlich, die dem eigentlichen "Prepaid-Gedanken" eher gerecht wird, so wie er in der Mobiltelefonie seit langem praktiziert und vom Verbraucher breit akzeptiert wird. In Märkten wie den USA, Großbritannien und insbesondere in Italien, dem zweitgrößten Prepaid-Markt der Welt, finden sich Prepaid-Karten-Modelle, die durchaus auch in Deutschland angewandt werden können.

Eine "normale" Kredit- beziehungsweise Debitkarte ist in der Regel an ein Bankkonto gekoppelt. Um die Karte zu erhalten, muss der Verbraucher einen Antrag stellen, der von der kartenausgebenden Bank geprüft wird. Im Positiv-Fall wird die Karte auf dem Postwege zugeschickt. In Analogie zum Prepaid-Mobiltelefon-Markt sollte eine Prepaid-Kreditkarte sich deutlich von diesem Prozess differenzieren: Da bei der Karte keine Bonität des Kunden geprüft werden muss, kann die Karte "antragslos" ausgestellt werden. Die im Rahmen der jüngst verschärften Geldwäsche-Gesetzgebung erforderlichen Identifizierungspflichten ab Erreichen definierter Betragsgrenzen können im Nachhinein durch den Kartenausgeber durchgeführt werden. Eine Karte als "Mitnahmeartikel", distribuiert über die oben beschriebenen Netzwerke wie Retailo oder Lekkerland, nimmt die Einstiegshür den des Kunden und erleichtert den Zugang zum Produkt.

Positionierung als "Zweitprodukt"

Jeder Deutsche hat heute mindestens eine ec-Karte im Portemonnaie. Das heißt der Zugang zu einem Bezahlprodukt kann nicht der eigentliche Bedarf sein, den ein Verbraucher decken will, wenn er eine Prepaid-Kreditkarte kaufen möchte. Die Positionierung sollte demzufolge als Zweitprodukt erfolgen, das den Nutzen für den Verbraucher im Vergleich zu anderen Kartenprodukten klar kommuniziert und damit die Notwendigkeit aufzeigt, neben der vorhandenen ec-Karte noch ein Zweitprodukt benötigen zu müssen.

Insbesondere das Bezahlen im Internet erscheint ein vielversprechender Nutzen für eine Prepaidkarte in Deutschland zu sein: Deutschland weist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine überdurchschnittlich hohe E-Commerce-Aktivität auf: Mit etwa. 49 Millionen Onlinekäufern haben rund 75 Prozent der Menschen mit Internetanschluss auch tatsächlich im Internet etwas gekauft. Deutschland ist nach Großbritannien der größte E-Commerce-Markt in Europa2). Gleichzeitig ist die Verbreitung von Kreditkarten im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich, obwohl Kreditkarten neben Zahlen auf Rechnung eines der am stärksten genutzten Zahlverfahren im Internet sind. Das kommunizierte Sicherheitsbedürfnis ist in Deutschland besonders ausgeprägt, Phishing-Attacken auf Kreditkartennummern und 3-D-Secure-Passwörter tun ihr Übriges, um den Einsatz der eigenen Kreditkarte, die mit dem Bankkonto verknüpft ist, zu unterbinden.

Transparente Preisgestaltung nach dem "Pay per Use"-Prinzip

Zieht man die Vergleiche zum Telefonmarkt, liegt der wirtschaftliche Vorteil eines Prepaidproduktes für den Verbraucher darin, dass er keine langfristige Vertragsbindung eingeht und für ihn nur dann Kosten entstehen, wenn er das Produkt nutzt. Gemäß einer Consumer-Studie von First Data3) wird ein einmaliger Verkaufspreis akzeptiert sowie darüber hinausgehende Nutzungsgebühren für das Aufladen der Karte beziehungsweise für den Einsatz der Karte am Geldautomaten. Monatliche Gebühren sowie PoS-Fees (pro Transaktion) werden durch den Konsumenten abgelehnt.

Generell wird ein "verhaltensgesteuertes" Preismodell (Pay per Use) toleriert, während regelmäßig wiederkehrende Gebühren eher abgelehnt werden. In Summe werden laufende Kosten von etwa zehn Euro pro Jahr als akzeptabler Preis angesehen.

Vertriebskanal auch für Banken interessant

Schaut man sich die oben erwähnten Gift-Card-Malls in den USA und Großbritannien an, wird deutlich, wo die Reise in Deutschland hingehen kann: Dort wird bereits ein großer Teil der Regalfläche von Distributoren wie zum Beispiel Blackhawk für Open-Loop-Prepaid-Kreditkarten verwendet. Diese sorgen dafür, dass der Zugang zum Produkt sehr einfach ist.

- Distributoren ermöglichen einfachen Zugang zum Prepaid-Produkt. Wie eine Geschenkkarte kann die Prepaid-Kreditkarte als Mitnahmeartikel aus dem Regal genommen werden. Die Karte wird nach Bezahlung durch den Kunden an der Kasse automatisch aktiviert. Je nach Vorgabe der kartenausgebenden Bank und je nach geldwäschegesetzlichen Vorgaben kann der Kunde die Karte entweder sofort oder nach Registrierung im Internet mit seinen persönlichen Daten zum Aufladen und Bezahlen nutzen.

- Distributoren ermöglichen eine für Prepaid geeignete Positionierung als Zweitprodukt. So wie bei den Geschenkkarten werden auch die Prepaid-Kreditkarten, die im Regal des Distributors positioniert sind, als Impulskauf für den Verbraucher positioniert. Es geht nicht um langfristige Kaufüberlegungen oder das Ausfüllen von Antragsformularen, sondern um den spontanen Kauf, wenn der Nutzen des Produktes entsprechend überzeugend kommuniziert wurde. Das Kartenträger-Material, das in der Regel die Prepaid-Kreditkarte bereits beinhaltet, ist entsprechend plakativ zu gestalten.

Die für Prepaid-Karten wichtige Transparenz in der Preisgestaltung muss von der kartenausgebenden Bank geregelt werden und bleibt sicherlich ein Wettbewerbsinstrument im Kampf um den Verbraucher. In Deutschland verfügen Distributoren wie Retailo über ein breit gestreutes Netzwerk an Retailfläche, über das Geschenkkarten, Aufladeprodukte aus dem Mobiltelefon-Markt aber auch erste Prepaid-Kreditkarten (zum Beispiel Mywirecard2go, Voicecash) vertrieben werden. Erste Erfahrungen aus dem Verkauf solcher Produkte über die Distributoren sind vielversprechend. Man kann deshalb davon ausgehen, dass allein schon die Öffnung der Vertriebskanäle für mehr Prepaid-Karten-Anbieter verteilt auf eine größere Anzahl an Distributionsfläche der Markt für Prepaid-Kreditkarten in Deutschland deutliche Wachstumsimpulse bekommen wird.

Diese Vertriebsmethode ist dabei nicht nur für die oben aufgeführten Spezialanbieter interessant, sondern auch für "klassische" Banken, die entweder über kein eigenes Filialnetz verfügen (Direktbanken) oder die alternative Wege suchen, um die Neukundenakquisition effektiv zu gestalten. Institute wie die Postbank machen es bereits vor, indem Kooperationsformen mit dem Handel aufgebaut werden. Distributoren können durch Nutzung ihres breiten Netzwerkes diesen Weg auf sehr einfachen Weg kräftig ausbauen und somit den Banken deutliche Vorteile im Vertrieb bieten.

Geldwäsche-Aspekte beim Vertrieb über Distributoren

Prepaid-Karten sind E-Geld-Produkte. Der Gesetzgeber hat seit Beginn dieses Jahres eine geänderte Geldwäsche-Gesetzgebung verabschiedet, die unter anderem die Ausgabe und Nutzung von anonymen E-Geld- Produkten, bei denen sich der Käufer nicht identifizieren muss, erheblich einschränkt. Der Vertrieb von E-Geld-Produkten über den Handel bedingt, dass eine Identifikation des Verbrauchers beim Kauf der Karte nicht erforderlich sein wird. Diesen Aufwand wird der Handel nicht betreiben und er ist auch dem Verbraucher Stand heute nicht vermittelbar. Es wird also wesentlich darauf ankommen, wie das Gesetz zu interpretieren ist bezüglich des Umfangs Identifikationspflichten und im Hinblick darauf, wer diese Pflichten zu erfüllen hat. Aber auch hier wird der Markt effiziente Wege finden, die gesetzgeberischen Anforderungen zu erfüllen, ohne dabei den Nutzen für die Marktteilnehmer aus den Augen zu verlieren. Dafür ist das Marktpotenzial in Deutschland einfach zu groß.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Prepaid-Markt in Deutschland ist größtenteils noch ein Geschenkkarten-Markt. Anbieter von Open-Loop-Prepaidkarten können sich über hohe Wachstumsraten freuen, aber erst durch eine veränderte Positionierung wird das durchaus vorhandene Marktpotenzial vollständig gehoben werden können. Analog zur Gestaltung von Prepaidverträgen im Mobilfunk-Bereich müssen Open-Loop-Prepaidkarten als Zweitprodukt positioniert werden, zu denen der Kunde einfachen Zugang hat und risikolos nur dann etwas für die Leistung zahlt, wenn er die Karte auch wirklich nutzt. Für den Kunden wird eine Prepaidkarte immer ein "Zweitprodukt" sein, das er neben der sowieso bereits vorhandenen Debit- oder Kreditkarte benutzen wird.

Distributoren werden bei der Verbreitung von Open-Loop-Prepaidkarten in Deutschland eine Schlüsselrolle spielen, da sie einen effizienten, breit gestreuten Vertrieb der Produkte ermöglichen. Ob die nach dem Geldwäsche-Gesetz so wichtige Identifizierung des Karteninhabers direkt im Handel beim PoS oder nachgelagert beim Kartenausgeber (zum Beispiel durch Post-Ident) stattfindet, ist aus Nutzersicht eher ein Komfortthema - hier wird der Wettbewerb zwischen den Kartenanbieter, geeignete Lösungen finden. Aus vertrieblicher Sicht ist dieser Punkt aber eher zweitrangig. Entscheidend ist die Gesamtpositionierung des Produktes und dass der Kunde mit den richtigen Produktbotschaften erreicht wird.

Anmerkungen:

1 BCG Prepaid Market Sizing May 2010.

2 Germany B2C e-commerce Report 2011, yStats.com GmbH & Co. KG.

3 Prepaid card solutions across Europe - TNS 2010; Consumer Attitude to Prepaid in Europe - Firstdata 2010; Virtual Prepaid Study PSE 2010.

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