BARGELD

Das Ende des Cent?

Stimmungsbild 2020: Mehrheit der Verbraucher für Abschaffung Quelle: Civey

In Kleve war die 2016 gestartete Einzelhandelsinitiative zur Abschaffung der 1- und 2-Cent-Münzen nicht erfolgreich. Nach dem niederländischen Vorbild wollte man dort durch Auf- oder Abrunden auf den nächsthöheren oder -niedrigeren 5-Cent-Betrag für weniger Kleingeld in Kassen und Portemonnaies sorgen. Bei den deutschen Kunden kam die Idee allerdings nicht so gut an, weshalb das Projekt mittlerweile weitgehend eingeschlafen ist. Anscheinend fürchteten viele Kunden, durch das Runden unter dem Strich draufzuzahlen. Eine Studie der Deutschen Bundesbank und EHI bestätigt dieses Empfinden sogar in gewissem Sinn: Sie kam zu dem Schluss, dass das Auf- und Abrunden im Schnitt zu einer Preiserhöhung um 0,02 Prozent führt.

Neuer Rückenwind für die Gegner der kleinen Münzen kommt aber jetzt aus Brüssel: Im Arbeitsprogramm der neuen EU-Kommission findet sich im Annex 2 unter der Rubrik "An economy that works for people" der Punkt 34: Einheitliche Rundungsregeln. Dabei geht es um eine Evaluierung des Gebrauchs von 1- und 2-Cent-Münzen und die Möglichkeit, europaweite Rundungsregeln einzuführen, um so die kleinen Münzen abzuschaffen.

Die Kommission Ursula von der Leyens bezieht sich dabei auf einen Bericht der Vorgängerkommission an das Europäische Parlament und den Rat über die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Euro-Münzen vom November 2018. Darin wurde festgehalten, dass der Anteil der kleinen Münzen fast die Hälfte aller in Umlauf befindlichen Münzen ausmacht, Tendenz steigend, dass in der Mehrzahl der Fälle von einer "einseitigen Verwendung" auszugehen ist, sprich: Der Kunde bekommt das Kleingeld häufiger als Wechselgeld heraus, als er es selbst zum Bezahlen verwendet. In einigen EU-Ländern ist das Runden auf die nächsten fünf Cent deshalb schon eingeführt worden: In Finnland (seit 2002), in den Niederlanden (seit 2004), in Belgien (seit 2014 freiwillig), Irland (2015) und Italien (2017). Zum Zeitpunkt des Berichts war allerdings weder in Belgien noch in Italien das Runden zur gängigen Norm geworden. Daraus lässt sich also noch kein EU-weiter Trend zum Runden ableiten.

Auch auf die Einstellung der EU-Bürger zu der Rundungsfrage geht der Bericht von 2018 ein: In den meisten EU-Ländern beantwortete laut Eurobarometer 2017 die Mehrheit der Verbraucher die Frage, ob sie eine Abschaffung der 1- und 2-Cent-Münzen befürworten würden, mit "ja". In Deutschland waren das - genau wie im Durchschnitt der Euro-Zone - 64 Prozent. Eine repräsentative Civey-Umfrage zeigte am 29. Januar 2020 ein ähnliches Ergebnis. Dort beantworteten 48,8 Prozent die Frage mit "ja, auf jeden Fall", weitere 14,8 Prozent mit "eher ja". Gegenüber den Daten des Eurobarometers 2017 hat sich das Stimmungsbild in Sachen Zustimmung also nicht verändert. Den großen Aufschrei würde es also vermutlich nicht geben, wenn die EU das Runden tatsächlich verbindlich vorschriebe.

Hauptargument gegen die kleinen Münzen sind die Herstellungs- und Transportkosten sowie die Kosten, die im Einzelhandel durch die damit entstehenden Kassierzeiten und das Zählen entstehen - ein Argument, das sicher nicht von der Hand zu weisen ist. Würde man daran jedoch tatsächlich die Abschaffung der Münzen festmachen, dann wäre das nach der Interchange-Regulierung ein zweiter Eingriff in den Zahlungsverkehr, von dem vielleicht der Handel profitiert, nicht aber der Kunde. Denn das Interchange-Beispiel zeigt, dass beim Kunden von den Kostenvorteilen kaum etwas ankommen dürfte. Zudem würde nach der Abschaffung der 500-Euro-Banknote der Bargeldgebrauch nun auch vom unteren Ende her eingeschränkt. Auch deshalb spricht der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber von einem Einstieg in den Ausstieg aus dem Bargeld.

Wie bei fast jeder regulatorischen Maßnahme würde es auch hier Verlierer geben. Dazu zählt sicher die Branche der Geld- und Wertdienstleister, deren Geschäftspotenzial schon durch das Fortschreiten des bargeldlosen Zahlens tendenziell immer weiter schrumpft. Dazu zählen aber sicher auch diejenigen gemeinnützigen Organisationen, deren Sammelbüchsen für eben das "überflüssige" Kleingeld landauf landab an den Kassen stehen. Ihnen dürfte vermutlich einiges an Einnahmen weg brechen. Denn ob die Menschen dann künftig auch ihre 5-Cent-Münzen dort einwerfen, ist zumindest nicht sicher.

Freunde des Cent müssen sich - wenn denn das Ende der kleinen Münzen kommt - zwischen zwei Optionen entscheiden: mit dem Runden zu leben oder centgenau bargeldlos zu bezahlen. Wohin sich die Waagschale neigt, lässt sich nicht sicher voraussagen. Es ist gut möglich, dass das Ende des Cent die Verdrängung des Bargelds weiter vorantreibt. Denkbar ist aber ebenso, dass mancher eher am Bargeld festhält, wenn der Umgang mit dem Kleingeld entfällt und dadurch auch die Barzahlung in puncto Schnelligkeit im Vergleich mit dem bargeldlosen Bezahlen wieder aufholt. Red.

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