HANDEL

Ohne Akzeptanzpflicht

An jeder Kasse und bei jedem Bezahlvorgang muss mindestens eine europaweit nutzbare digitale Bezahloption angeboten werden. So lautet eine Forderung des Digitalverbands Bitkom. Dabei bezieht sich der Verband auch auf die Retail-Payments-Strategie der EU-Kommission - die freilich neben der Förderung eines europäischen Payment Schemes auch die Funktion von Bargeld als gesetzlichem Zahlungsmittel hervorhebt.

Stand heute würde eine solche Verpflichtung, wie sie der Bitkom fordert, für den stationären Einzelhandel in Ermangelung eines europäischen Payment-Verfahrens faktisch eine Pflicht zur Kreditkartenakzeptanz bedeuten. Entsprechend vehementer Widerstand seitens des Handels wäre zu Recht zu erwarten. Welche Bezahlverfahren angeboten werden, sollte in der unternehmerischen Entscheidungsverantwortung bleiben.

Zur Begründung seiner Forderung nennt der Bitkom Zahlen einer repräsentativen Umfrage von Bitkom Research unter 1 003 Personen in Deutschland ab 16 Jahre zu ihrem Bezahlverhalten im August dieses Jahres. 54 Prozent haben demnach im August beim Einkaufen vor Ort mindestens einmal kontaktlos mit der Giro- oder Kreditkarte bezahlt, rund jeder Vierte (26 Prozent) tut das sogar regelmäßig mehrmals pro Woche. Jeder Dritte (33 Prozent) hat im selben Zeitraum mindestens einmal mobil bezahlt, 16 Prozent nutzen Smartphone oder Smartwatch regelmäßig mehrmals pro Woche zum Bezahlen.

Die Ergebnisse zum mobilen Bezahlen mögen ein bisschen verwundern. Hier wäre es interessant, mehr zur Stichprobe der Umfrage zu wissen. Schließlich ist es bekannt, dass das mobile Bezahlen in Großstädten weitaus stärker verbreitet ist als in Mittelzentren oder gar im ländlichen Raum. Zudem verstehen Verbraucher unter "Bezahlen per Smartphone" oftmals etwas anderes als Payment-Experten. Auch die auf dem Smartphone getätigte Überweisung oder Paypal-Zahlung im Online-Shop zählen sie hier meist dazu. Das führt dazu, dass die in Umfragen erhobenen Werte zum mobilen Bezahlen häufig weitaus höher ausfallen, als man sie durch bloßes Beobachten anderer Kunden beim Bezahlen an den Kassen des deutschen Einzelhandels vermuten würde.

Wie dem auch sei - in einem sind sich alle Statistiken einig: Das Bezahlverhalten ändert sich weitaus schneller, als es je für möglich gehalten wurde - auch ohne eine Pflicht zum Anbieten einer bargeldlosen Bezahloption. Der Handel hält mit dieser Entwicklung nicht nur Schritt, sondern hat auch in der Corona-Krise ganz maßgeblich dazu beigetragen, sie zu beschleunigen.

Doch auch ohne Corona lehrt die Erfahrung, dass Payment für den Handel ein ganz wesentlicher Servicefaktor ist. Wenn ein Großteil der Kundschaft eine bestimmte Bezahlmöglichkeit wünscht, dann wird sie in aller Regel auch angeboten. Dass die Retail-Payments-Strategie der EU-Kommission zwar ein einheitliches europäisches Payment-Scheme vorantreiben will, aber nicht von einer Akzeptanzpflicht des Handels spricht, hat seinen guten Grund. Ein bisschen Wettbewerb darf bei aller Regulierungswut schon noch sein. Solange es kein europäisches Bezahlverfahren gibt, wäre eine Akzeptanzpflicht für ein europaweit einsetzbares Verfahren ohnehin nicht im Sinne der EU-Kommission. Denn damit würde die Wettbewerbsverzerrung zugunsten außereuropäischer Anbieter nur noch weiter verstärkt.

Während der Corona-Pandemie und des damit verbundenen drastischen Rückgangs der grenzüberschreitenden Reisetätigkeit ist ohnehin keine Gefahr im Verzug. In diesem Sinne bietet Corona der europäischen Payment-Branche eine Atempause. Dieses Zeitfenster sollte sie im eigenen Interesse allerdings auch nutzen, um in ihren Bemühungen um ein europäisches Bezahlverfahren voranzukommen. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X