BARGELDOBERGRENZEN

Zur Unzeit

Fast jeder Kartenzahler dürfte es schon einmal erlebt haben: An der Ladentür klebt ein Zettel "heute nur Barzahlung möglich", manchmal gibt es diesen Hinweis auch erst an der Kasse. Oder die Kartenzahlung ist nur an einer Kasse möglich, weil an der anderen das Terminal defekt ist. Gerade in Corona-Zeiten bildet sich dann an der Kasse mit Kartenakzeptanz rasch eine Schlange, während an der reinen Barzahlerkasse allenfalls ein paar vereinzelte Kunden rasch abkassiert werden, die über genug Bargeld im Geldbeutel verfügen.

In solchen Momenten wird deutlich, weshalb die Deutsche Bundesbank sich immer wieder zum Bargeld bekennt und sich gegen eine Abschaffung desselben positioniert. Dass Banknoten und Münzen auch dann funktionieren, wenn die Technik für das bargeldlose Bezahlen einmal ausfällt, etwa weil ein Terminal defekt ist oder ein Chip nicht ausgelesen werden kann, ist ein wichtiges Argument für seine Beibehaltung.

Dennoch hat die Politik das Bargeld seit einigen Jahren geradezu als "Feind" entdeckt: Wegen seiner Anonymität erleichtere es Steuerhinterziehung und vor allem die Terrorfinanzierung, so der Vorwurf. Obwohl beides bislang nicht wirklich belegt werden kann, hat dies zur Einführung gesetzlicher Obergrenzen bei der Bargeldverwendung geführt.

Die allerdings sind in Europa durchaus unterschiedlich. Keine Frage: Etwas mehr Standardisierung tut Europa sicher auf mancher Ebene gut. Das sollte aber nicht in Gleichmacherei ausarten. Wo etwa unterschiedliche Obergrenzen bei der Bargeldnutzung unterschiedliche Bezahlgewohnheiten in den einzelnen Märkten Rechnung tragen, können sie durchaus ihre Berechtigung haben. Das gilt es bei einer Vereinheitlichung ins Kalkül zu ziehen, so verständlich der Wunsch nach einheitlichen Limits anstelle des bisherigen Flickenteppichs auch ist.

Der neuerliche Vorstoß der EU-Kommission in dieser Hinsicht hat aber nicht nur deswegen einen negativen Beigeschmack. Denn dass dieser ausgerechnet auf dem Höhepunkt der zweiten Corona-Welle kommt, also in einer Phase, in der auch bisherige Barzahler sich von Scheinen und Münzen zunehmend distanzieren, sieht ein wenig so aus, als wolle man die Gunst der Stunde nutzen, um das Thema einmal mehr aufs Tapet zu bringen. Denn wenn weniger Menschen mit Bargeld bezahlen, droht weniger Widerstand bei einer Absenkung bisheriger Limits. Das wirkt ein bisschen wie ein Angriff aus dem Hinterhalt, wenn die Gegenseite gerade nicht so genau hinschaut.

Keine Frage: Das veränderte Bezahlverhalten aufgrund der Pandemie bietet sicher einen Ansatz, einmal mehr über die Barzahlungslimits in Europa nachzudenken. Gar so dringend, dass man damit nicht bis zum Ende der Pandemie warten könnte, wenn deutlich wird, wie nachhaltig die Abkehr vom Bargeld tatsächlich ist, ist der Handlungsbedarf aber sicher nicht. Dann lässt sich die Diskussion darüber in Ruhe führen und stoßen neue Regelungen vielleicht auf deutlich mehr Akzeptanz. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X