NACHHALTIGKEIT

Zwischen Marketing und Umweltnutzen

In Zeiten der Corona-Pandemie haben Umwelt- und Klimaschutz häufig genug das Nachsehen. Massenhaft Verpackungen für geliefertes Essen oder Essen zum Mitnehmen und milliardenfache Masken, häufig genug, einfach in der Umwelt "entsorgt" anstelle von Müllvermeidung, Fahrten mit dem Auto anstatt mit Bus und Bahn sowie Warenlieferungen anstelle des Einkaufs vor Ort sind Beispiele dafür. In diesem Umfeld hat zumindest die Payment-Branche ihre Verantwortung für Ressourcen und Klimaschutz entdeckt.

Neu ist das Thema nicht. Schon vor zehn Jahren hatte Gemalto eine Karte aus nachwachsenden Rohstoffen vorgestellt. Seitdem gibt es immer wieder Portfolios, die mit Karten aus umweltfreundlichen Rohstoffen oder zumindest recyceltem Plastik daherkommen oder für Kartenumsätze einen Beitrag zu einem Klimaprojekt versprechen. In diese Kategorie fallen beispielsweise die im Juli vorgestellte Earthwise High Content Card der CPI Card Group aus recyceltem Kunststoff oder die Mitte Oktober auf den Markt gekommene Kreditkarte Awa7, die die Hanseatic Bank in Zusammenarbeit mit der DZ-Media Verlag GmbH herausgibt. Bei diesem Visa-Portfolio wird pro 100 Euro Kartenumsatz ein Baum gepflanzt. Dafür spendet DZ-Media aus ihrem Ertrag an die Organisation Eden Reforestation Projects.

Mit solchen Programmen lassen sich zweifellos umweltbewusste Karteninhaber ansprechen und lässt sich der Kartenumsatz steigern. Insofern sind sie mindestens ein Stück weit als Marketingaktionen zu verbuchen und stellen eine Art Modeerscheinung bei der Produktpolitik dar, ähnlich wie einst beispielsweise die Picture Card mit individuellem Motiv.

Das gilt sicher auch für das Mitte Oktober von Mastercard vorgestellte Sustainable-Mobility-Programm, bei dem es um offene Bezahllösungen an Ladestationen für Elektrofahrzeuge geht (siehe Marktnotizen auf Seite 39). Denn zumindest, solange es kein europäisches Payment-Scheme gibt (wieder ein Grund mehr, ein solches voranzubringen), sind es natürlich die internationalen Schemes, die von offenen Bezahlsystemen an E-Zapfsäulen profitieren würden.

Den puren Eigennutz unterstellen muss man dem Programm dennoch nicht. Denn das Wirrwarr bei den Bezahlsystemen und die Notwendigkeit, sich oftmals jeweils anbieterspezifisch zu registrieren, ist natürlich auch eine der Hürden für die Elektromobilität, wenn auch sicher nicht die entscheidende. Dass es nicht nur ums Geschäft geht, lässt sich auch an dem im Juli von Mastercard gestarteten nachhaltigen Kartenprogramm für Emittenten ablesen, das zunächst ein Verzeichnis nachhaltiger Materialien und Anbieter für Kartenprodukte bietet und längerfristig ein globales Zertifizierungssystem für nachhaltige Kartenprodukte zum Ziel hat. Bei laut Eurosmart rund 3,35 Milliarden Chipkarten, die allein in der Finanzindustrie im Jahr 2019 weltweit neu ausgeliefert wurden, ließe sich da schon einiges bewegen. Schließlich steht die Finanzbranche den Eurosmart-Zahlen zufolge für ein Drittel aller "Secure Elements".

Das heißt aber auch, dass die Wiederverwendung der für Chip und NFC-Antenne zum Einsatz kommenden Rohstoffe noch stärker als bisher in den Fokus rücken muss. Hier sind die Emittenten selbst am Zug. Natürlich gibt es auf deren Webseiten Hinweise darauf, dass ausgediente Karten auf den Wertstoffhof und nicht in die Restmülltonne gehören. Solche Hinweise gehören aber auch flächendeckend auf das Anschreiben, mit dem neue Karten versandt werden. Davon ist die Branche noch meilenweit entfernt. Hier sollte auch nicht der Fehler wiederholt werden, der im "Marketing" für die Geldkarte anfangs beinahe Standard war, als die Information über die neue Funktion im Kleingedruckten des Schreibens versteckt wurde. Sondern die Bitte um nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen und die entsprechende Entsorgung muss prominent hervorgehoben werden, wenn sich die Branche wirklich mit einem Nachhaltigkeitsbewusstsein positionieren will.

Selbst dann, wenn Kunden bekannt ist, dass die alte Chipkarte eigentlich Elektroschrott ist und als solcher entsorgt werden müsste, dürften Sicherheitsbedenken freilich viele Kunden eben davon abhalten. Genau das könnten Filialbanken zur Differenzierung im Wettbewerb nutzen. Denn Banken und Sparkassen wird nun einmal hohes Vertrauen in Sachen Datenschutz und Datensicherheit entgegengebracht, das sich beim Karten-Recycling einsetzen ließe. Ähnlich wie im Einzelhandel Altbatterien eingesammelt werden, könnten in den Filialen Sammelstellen für alte Karten eingerichtet werden, um diese dann dem Recycling zuzuführen, ohne dass Kunden Angst um die Datensicherheit haben müssten. Auch das wäre ein Stück weit Marketing. Es käme jedoch auch der Umwelt zugute. Red.

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