REGULIERUNG

Europäische Entgeltregulierung braucht Gesamtblick auf Zahlungssysteme

Matthias Hönisch, Foto: BVR

Die Interchange-Regulierung benachteiligt einseitig die europäischen Kartenherausgeber und europäischen Zahlungssysteme. Das geht aus dem Ende Juni veröffentlichten Evaluationsbericht der EU-Kommission hervor. Die angestrebte Lenkungswirkung der Preisregulierung ist deshalb kritisch zu hinterfragen, so die Autoren - und das nicht nur, weil die Händler unverhältnismäßig davon profitieren. Berücksichtigt werden sollte unter anderem die Entwicklung zu immer mehr Kleinstbetragszahlungen - etwa in Form einer Untergrenze der Interbankenentgelte. Generell sollte es darum gehen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Emittenten zu verbessern. Nur mit einer wirtschaftlichen Perspektive, die es erlaubt, die nötigen Investitionen zu stemmen, könnten die aktuellen Bestrebungen, europäische Lösungen im (Karten-)Zahlungsverkehr zu schaffen, erfolgreich sein. Red.

Mit der Verordnung über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge vom 29. April 2015 ("IF-Verordnung") hat der europäische Gesetzgeber EU-weit einheitliche Interchangesätze bei kartengestützten Zahlungsvorgängen festgelegt. Bei Zahlungen mit Debitkarten von Verbrauchern beträgt die Obergrenze 0,2 Prozent des Transaktionswertes; bei Zahlungen mit Kreditkarten von Verbrauchern liegt die Obergrenze bei 0,3 Prozent.

Neben diesem gesetzlich vorgegebenen "künstlichen" Preisdeckel enthält die Verordnung zusätzlich eine Reihe von Geschäftsregeln, die das europäische Kartengeschäft regulieren. Unter anderem soll dem Karteninhaber - sofern auf seiner Karte mehrere Zahlungsanwendungen vorhanden sind (Co-Branding-Karte) - die Möglichkeit gegeben werden, an der Verkaufsstelle selbst zu entscheiden, welche Anwendung genutzt werden soll.

Mit der Interchange-Fee-Verordnung verfolgt die EU-Kommission das Ziel, den Einsatz von Zahlungskarten für elektronische Zahlungen zu fördern, um auf diese Weise die Möglichkeiten des elektronischen Handels im Binnenmarkt durch Nutzung eines sicheren Zahlungsmittels auszuschöpfen. Unter anderem zu diesem Zweck sieht die Verordnung europaweit einheitliche Entgeltobergrenzen für Zahlungen mit Kreditkarten und Debitkarten vor.

Weitere Überwachung angekündigt

Der Europäische Gesetzgeber war der Auffassung, dass eine Regulierung der Interbankenentgelte das Funktionieren des Binnenmarktes verbessern werde. Dabei wird ausdrücklich betont, dass - "im Gegensatz zur normalen preissenkenden Wirkung des Wettbewerbs in einer Marktwirtschaft" der freie Wettbewerb zwischen verschiedenen Kartenzahlverfahren in der Regel nicht niedrigere, sondern höhere Interbanken entgelte am Markt zur Folge habe (Erwägungsgrund 10 der Interchange- Fee-Verordnung).

Zur Evaluierung dieser gesetzlichen Entgeltregulierung hat die Europäische Kommission am 29. Juni 2020 einen Bericht über die Auswirkungen der Interchange-Entgeltregelung (IFR) auf kartengestützte Zahlungstransaktionen veröffentlicht. Der Bericht wird das Europäische Parlament und den Rat über die Schlussfolgerungen der EU-Kommission informieren. Obwohl dem Bericht kein Vorschlag für eine Revision der bestehenden Regulierung beigefügt ist, wurde eine weitere Überwachung der Auswirkungen und eine verstärkte Datenerfassung angekündigt.

Licht und Schatten

Aus der Perspektive eines nationalen Zahlungssystems wie der Girocard enthält der Bericht Licht und Schatten.

- Zunächst ist die dem Bericht zu entnehmende Zielsetzung, den bargeldlosen Zahlungsverkehr im europäischen Binnenmarkt zu fördern, ausdrücklich zu unterstützen. Sichere, innovative, effiziente und autarke Zahlungslösungen sollten gefördert werden, da sie einen wesentlichen Baustein zur Stärkung der Souveränität und Autonomie Europas darstellen und für eine funktionierende Volkswirtschaft unerlässlich sind.

- Kritisch hinterfragt werden muss allerdings die von der Kommission angestrebte Lenkungswirkung der Preisregulierung, insbesondere im Hinblick auf die Entgeltobergrenzen. Denn der Bericht kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Regulierung der Interbankenentgelte einseitig die europäischen Kartenherausgeber und europäischen Zahlungssysteme benachteiligt, während Händler, Acquirer und internationale Zahlungssysteme nachweislich davon profitiert haben.

Händler profitieren unverhältnismäßig stark

Das verrechnete Entgelt ist nach wie vor ein integraler Bestandteil der Wertschöpfungskette von Kartenzahlungen. Für Emittenten und auf Emittenten basierende Zahlungssysteme sind Verrechnungsentgelte von wesentlicher Bedeutung und werden neben den üblichen Geschäftskosten für eine gerechte Verteilung der mit Transaktionen verbundenen Risiken, für Investitionen in Innovationen und für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der notwendigen Infrastruktur verwendet.

Die Händler profitieren unverhältnismäßig stark von dieser hochverfügbaren Infrastruktur. Eine europäische Entgeltregulierung muss daher stets den Gesamtblick auf die Zahlungssysteme haben und darf nicht einseitig - politisch getrieben - einzelne Systembeteiligte benachteiligen. Doch wie erreicht man dieses Ziel? Folgend einige Überlegungen aus der Perspektive des Girocard-Systems.

Mehr Markt statt Regulierung der Entgelte

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass weiterhin angemessene wirtschaftliche Anreize für die Betreiber europäischer Zahlungssysteme und Kartenemittenten bestehen - auch vor dem Hintergrund der politischen Forderungen nach der Schaffung eines europäischen Zahlungssystems. Insbesondere müssen Innovationen finanzierbar bleiben. Eine weitere Reduzierung der Interbankenentgelte würde den nachhaltigen Bestand inländischer und regionaler Zahlungssysteme infrage stellen.

Mehr noch: Da die Entgeltpolitik Dritter wie zum Beispiel der internationalen Kartensysteme, die unter anderem Scheme- und Transaktionsentgelte in teilweise erheblicher Höhe erheben, zusätzlich verzerrende Auswirkungen für die Emittenten hat, ist es wichtig, dass die europäischen Institutionen berücksichtigen, dass zum Beispiel die Interbankenentgelte nicht Teil der Einnahmen der internationalen Kartenorganisationen sind.

Angemessene Sätze sicherstellen

Die Durchführung von Infrastrukturinvestitionen erfordert Einnahmen über Entgelte zur Kompensation der Investitionsausgaben. Und nur Marktpreise können die notwendigen Anreize für Investitionen in neue Produkte und Innovationen bieten. Die zunehmende Digitalisierung (NFC, Wallets) führt dazu, dass immer mehr Kleinstbeträge mit Karte gezahlt werden. Das wiederum führt zu einem Rückgang der durchschnittlichen Karteneinnahmen pro Transaktion. Die Zahl der kostenintensiven Transaktionen wird also weiter steigen. Damit die Kartenherausgeber jedoch kostendeckende Einnahmen erzielen können, muss deshalb eine Untergrenze der Interbankenentgelte zulässig sein, die auch eine kostendeckende Abwicklung kleiner Transaktionen von zum Beispiel unter 20 Euro ermöglicht.

Entwicklung der sonstigen Entgelte beobachten

Dadurch, dass Dritte (wie zum Beispiel Anbieter von Wallets auf Smartphones) ihre Dienstleistungen anbieten, ist das eigentliche Zahlungssystem für die Kunden während der Zahlungstransaktion nicht oder nur eingeschränkt sichtbar. Das erschwert dem Verbraucher, sich einen transparenten Überblick über die akzeptierten Zahlungssysteme zu verschaffen. Die Nennung des eigentlichen Schemes sollte daher obligatorisch sein und nicht durch Produktbeschreibungen Dritter verdeckt werden. Daher sollte die Wahl der Zahlungsanwendung durch Produktinformationen der Kartenherausgeber über eine mögliche Anwendung ergänzt werden.

Da der Bericht der Kommission feststellt, dass sowohl die Entgelte der Kartenherausgeber als auch die Acquirer-Entgelte seit dem Inkrafttreten der Interchange-Regulierung in großem Umfang gestiegen sind, ist es richtig, die Höhe, Struktur und die Transparenz dieser Entgelte zu beobachten.

Geschäftskundenkarten vom Anwendungsbereich ausnehmen

Die IFR schließt Geschäftskundenkarten vom Geltungsbereich der Interbankenentgeltobergrenzen berechtigterweise aus. Denn Geschäftskundenkarten stellen im Vergleich zu Privatkundenkarten einen völlig anderen Markt dar. Wichtig ist, dass Geschäftskundenkarten kleinen Unternehmen den Zugang zu der täglichen Liquidität ermöglichen, die für die Abwicklung ihres Geschäfts - insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie - von entscheidender Bedeutung ist.

Im Ergebnis sollten daher Geschäftskundenkarten weiterhin von den IFR-Regeln ausgenommen bleiben. Dabei ist verstärkt darauf zu achten, dass nur berechtigte Kundengruppen solche Geschäftskundenkarten nutzen.

Transparente Preisinformation

Die Empfehlung im Bericht der Kommission, die Bereitstellung transparenter, einfacher und differenzierter Preisinformationen für Händler zu verstärken, ist zu begrüßen. Dabei sollte jedoch auch berücksichtigt werden, dass kleinere Händler eine einfache Preisgestaltung schätzen. Daher sollte die Differenzierung nicht obligatorisch werden, sondern vom Käufer proaktiv als Alternative zur Pauschalpreisgestaltung angeboten werden.

Zu unterstützen ist auch die Berichtsempfehlung, eine vollständige Harmonisierung der technischen Merkmale für die Interoperabilität von Karten oder anderen Zahlungsinstrumenten und PoS-Terminals voranzutreiben - insbesondere durch die involvierten internationalen Gremien, durch marktgetriebene europäische Standardisierungsinitiativen unter der ständigen Überwachung durch die EU-Aufsichtsbehörden, aber möglichst nicht durch eine Änderung der bestehenden Regulierung.

Zu unterstützen sind auch Empfehlungen, die die Notwendigkeit einer Harmonisierung von Formaten, Standards, technischen Protokollen und Regeln betonen, die von Kartenschemes in Zusammenarbeit mit Standardisierungsorganisationen wie ISO, EMVCo, ECSG, ECPC oder Nexo festgelegt werden, um die Interoperabilität zu verbessern.

Angemessene Standards setzen

Seit einiger Zeit werden Terminals nach dem Länder- beziehungsweise Akzeptanzmarkenübergreifenden Nexo Standard von Girocard akzeptiert. Hierzu ist aus Sicht des Girocard-Systems anzumerken, dass alle technischen Standards innerhalb des Systems unabhängig von den globalen Schemes, mit Ausnahme des EMVCo-Standards, des NFC-Standards und des neuen SRC-Clickto-Pay-Standard sind.

In diesem Kontext ist erwähnenswert, dass mit der CPACE-Spezifikation eine europäische Karten- und Terminalspezifikation vorliegt, die bereits in Ländern wie Belgien, Deutschland und Spanien aktiv genutzt wird.* Die ECPC bündelt die Aktivitäten rund um die CPACE. Es ist denkbar und wünschenswert, dass diese Spezifikation die technische Grundlage für ein größeres gemeinsames europäisches Zahlungssystem werden könnte. Ein Blick auf die ECPC-Shareholder stimmt hier durchaus zuversichtlich: Bancontact Payconiq Company (Belgien), Borica-Bcard (Bulgarien), Groupement des Cartes Bancaires "CB" (Frankreich), SIBS MB (Portugal), Sistema de Tarjetas y Medios de Pago "STMP" (Spanien) und SRC-Girocard (Deutschland) sind mit an Bord.

Sollte zukünftig eine Änderung der derzeitigen Interchange-Regulierung in Betracht gezogen werden, ist es wichtig, das wirtschaftliche Umfeld für Emittenten und für europäische Zahlungslösungen zu verbessern und nicht - wie in den letzten Jahren praktiziert - weiter zu verschlechtern. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bestrebungen, europäische Lösungen im (Karten-)Zahlungsverkehr zu schaffen, benötigen die beteiligten Banken eine wirtschaftliche Perspektive, die es ihnen erlaubt, diese erheblichen Investitionen zu stemmen.

* Nähere Informationen sind auf der Homepage der European Card Payment Cooperation abrufbar https://ecpcnew.erdebene.de/

Matthias Hönisch , Gruppenleiter Kartengeschäft, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR), Berlin
Dr. Christian Koch , Abteilung Recht, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR), Berlin

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