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Girocard kontaktlos: gute Voraussetzungen für den Rollout

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Seit Mitte Oktober testet die genossenschaftliche Finanzgruppe im Raum Göttingen, Kassel und Baunatal die Girocard kontaktlos. Nach den ersten 11 Wochen fällt das erste Zwischenfazit positiv aus - nicht zuletzt im Vergleich mit dem Girogo-Pilottest. Eine knappe Mehrheit der Zahlungen erfolgt dabei mit PIN. Im zweiten Halbjahr 2016 soll der Rollout in der Fläche starten. Und es gibt Anzeichen für einen Akzeptanzschub. Dass die Kontaktlosfunktion mit Seccos 7 auf Wunsch der Datenschützer abschaltbar wird, ist nach Einschätzung von Andreas Martin kein Nachteil. Mit Aufklärung der Kunden lasse sich erreichen, dass das Abschalten die Ausnahme bleibt. Red.

Die Girocard ist Deutschlands unbares Zahlungsmittel Nummer eins und das sowohl aufseiten der Kunden als auch des Handels. Um diese Stellung zu halten, ist es entscheidend, neue Technologien und Trends rechtzeitig zu adaptieren. Die genossenschaftliche Finanzgruppe hat sich daher entschlossen, ihre VR-Bank-Card jetzt auch für das kontaktlose Bezahlen auszurüsten.

Das kontaktlose Bezahlen durchlebt derzeit einen Wandel vom Trend zum etablierten Bezahlprozess. In diesem Marktumfeld ist es nur konsequent, das sowohl bei Kunden als auch bei Händlern beliebte Girocard-Verfahren für kontaktloses Bezahlen zu öffnen. Aufgrund des verwendeten Standards der Near Field Communication (NFC) ist dies auch ein Schritt zur Vorbereitung auf spätere Anwendungen im Mobile Payment.

Auftakt im Raum Kassel/Göttingen/Baunatal

Mit dem Claim "Hightech für die Hosentasche" und unter den Schlagwörtern "schnell", "einfach", "sicher" und "bequem" startete am 13. Oktober 2015 der Pilot "kontaktloses Zahlen mit der Girocard" der genossenschaftlichen Finanzgruppe in der Region Kassel/Göttingen/ Baunatal. An ihm beteiligen sich die Kasseler Bank eG, die Raiffeisenbank eG Baunatal und die Volksbank Göttingen eG.

Ziel der Pilotierung ist weniger, die allgemeine Praxistauglichkeit von kontaktlosem Bezahlen mit der Girocard zu überprüfen. Denn dazu liegen bereits hinreichende positive Erkenntnisse vor. Vielmehr geht es darum, Vertriebs- und Marketingansätze auszuprobieren, praktische Erfahrungen mit der kontaktlosen VR-Bank-Card im Regeleinsatz zu sammeln und Optimierungsbedarf in den Prozessen zu identifizieren, bevor der in der genossenschaftlichen Finanzgruppe bereits beschlossene bundesweite Rollout von Girocard kontaktlos ab 2016 startet.

Es kann ein erstes positives Resümee aus den Aktivitäten der genossenschaftlichen Finanzgruppe in der Region Kassel/Göttingen/Baunatal mit der Girocard kontaktlos gezogen werden. Das Händlergeschäft fokussiert bislang als Leuchtturmhändler auf Edeka-Hessenring, zudem wurden auch über 350 kleinere regionale Händler für Girocard kontaktlos gewonnen. Die Händler sind nach eigenem Bekunden mit der bisherigen Akzeptanzentwicklung sehr zufrieden.

52 Prozent kontaktlos mit PIN

Zieht man nur die ersten elf Wochen des Pilotbetriebes heran, ergibt sich folgendes Bild:

- Bis zum 13. Dezember 2015 wurden an etwa 170 der insgesamt 630 auf Girocard kontaktlos umgestellten PoS-Terminals 5 676 kontaktlose Transaktionen durchgeführt. Dies entspricht einer Kontaktlosquote von über 10 Prozent an den entsprechend ausgerüsteten Terminals mit kontaktlosen VR-Bank-Cards.

- Kleinbetragszahlungen ohne PIN machten 48 Prozent der kontaktlosen Zahlungen aus, das heißt 52 Prozent der Zahlungen wurden oberhalb der Betragsgrenze von 25 Euro kontaktlos mit PIN-Eingabe bezahlt. Dies zeigt auch, dass es für die Kunden kein Problem darstellt, betragsabhängig unterschiedliche Mechanismen zur Authentifikation anzuwenden.

Erfolgreicher als Girogo

Vergleicht man die Transaktionsentwicklung mit dem 2012 durchgeführten Girogo-Piloten der Deutschen Kreditwirtschaft mit der Kontaktlosfunktion ausschließlich auf Basis der Geldkarte im Raum Hannover, zeigt sich schnell, dass die Girocard für den Kunden ein greifbares und gewohntes Zahlungsmittel ist. Denn obwohl die Zahl der kontaktlosfähigen Girocards in Kassel, Göttingen und Baunatal nur 10 Prozent der seinerzeit im Raum Hannover ausgegebenen Girogo-Karten entspricht, wurden in einem vergleichbaren Startzeitraum absolut betrachtet bereits mehr kontaktlose Transaktionen durchgeführt.

Alle Kunden der drei Pilotinstitute hatten Mitte 2015 vorzeitig eine neue kontaktlose Girocard erhalten. Damit gingen 130 000 kontaktlose VR-Bank-Cards in den Markt. Mit einer Aktivierungsquote von etwa 50 Prozent liegt der Kontaktlospilot deutlich über vergleichbaren vorzeitigen Kartenaustauschen. Die anderen 50 Prozent der Karten werden nach Ablauf der bisherigen Karte ebenfalls eingesetzt, so dass im ersten Quartal 2016 mit weiteren deutlichen Transaktionssteigerungen zu rechnen ist.

Akzeptanzschub zu erwarten

Im Jahr 2016 wird zudem von den drei Pilotbanken gemeinsam mit dem genossenschaftlichen Netzbetreiber Card Process die Händlerkundenansprache noch einmal intensiviert werden, um die Nutzungsquote auf Händlerseite weiter zu steigern und insbesondere kleinere Händler zu einem aktiveren Angebot von Girocard kontaktlos zu bewegen. Viele weitere Händler, insbesondere die großen Discounter, haben bereits klar signalisiert, dass sie das kontaktlose Be zahlen mit der Girocard baldmöglichst ebenfalls einsetzen möchten.

Als Starthindernis hatte sich bislang erwiesen, dass die meisten Netzbetreiber noch auf die Einführung der Girocard kontaktlos der zweiten Generation Mitte 2016 warten. Inzwischen hat aber ein weiterer Netzbetreiber Interesse daran bekundet, bereits jetzt Kontaktlosterminals in der Pilotregion ins Feld zu bringen. Hierdurch ist 2016 mit einem weiteren Akzeptanzschub zu rechnen.

Der Flächenrollout startet im zweiten Halbjahr 2016

Im zweiten Halbjahr 2016 startet die genossenschaftliche Finanzgruppe mit dem bundesweiten Rollout der kontaktlosen VR-Bank-Card. Für 2016 kann dabei jede Volks- und Raiffeisenbank individuell entscheiden, ob sie ihre VR-Bank-Card noch traditionell nur mit kontaktbehaftetem Chip oder zusätzlich auch mit der Kontaktlosfunktion ausstattet.

Erste Kartenbestellungen der Banken beim Deutschen Genossenschafts-Verlag liegen bereits vor. Dabei zeichnet sich ab, dass 2016 von der genossenschaftlichen Finanzgruppe wohl drei bis vier Millionen Girocards als kontaktlose VR-Bank-Cards ausgegeben werden. Ab dem zweiten Halbjahr 2017 werden dann alle VR-Bank-Cards standardmäßig Kontaktloskarten sein.

Datenschutz mit Seccos 7: Kontaktlosfunktion wird abschaltbar

Vertrieblich wird sich die genossenschaftliche Finanzgruppe 2016 neben der Pilotregion auf einige weitere Hotspot-Regionen konzentrieren. Die Hotspots zeichnen sich durch Banken aus, die ein besonderes Interesse am Rollout und Erfolg der kontaktlosen VR-Bank-Card haben. Hier werden mit zentraler Unterstützung die Erfahrungen aus der Pilotregion in die Fläche getragen.

Der Flächenrollout ab 2016 erfolgt auf Basis des neu entwickelten Chipkarten-Betriebssystems Seccos 7 (Secure Chip Card Operating System). Diese Generation ermöglicht eine deutlich verbesserte Steuerung der Girocard-Anwendung und damit eine Einsetzbarkeit für ein breiteres Kundenspektrum.

Daneben wurde auch der mit den Datenschützern vereinbarte Fahrplan eingehalten, indem ihre Kernforderung umgesetzt wurde:

- Die Kontaktlosfunktion wird abschaltbar und ermöglicht Kunden so, eigenständig über die Fähigkeit zu entscheiden, zukünftig kontaktlos bezahlen zu können oder nicht.

- Zusätzlich wird Kunden die Möglichkeit gegeben, die Kontaktlosfunktionalität zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu aktivieren. Damit entfällt die heutige Praxis, dass den Kunden, die die Kontaktlosfunktion nicht nutzen möchten, eine neue Karte ausgegeben werden muss.

Aufklären als vorrangiges Ziel

Gleichwohl sollte das Abschalten der Kontaktlosfunktion bei der VR-Bank-Card die Ausnahme bleiben. Vorrangiges Ziel ist, bei skeptischen Kunden durch Aufklärung über echte und nur gefühlte Risiken ein Umdenken zu bewirken. Eine Schutzhülle gegen ungewolltes Kontaktieren der Karte durch Dritte ist für die meisten Kunden, deren Bedenken sich nicht vollständig ausräumen lassen, eine wertige Zusatzmaßnahme.

Die Erfahrung vom Rollout in Kassel, Göttingen und Baunatal zeigt, dass Kunden interessiert sind, die Kontaktlosfunktion auszuprobieren. Gleichzeitig berichten Händler und Kassenpersonal von sehr positiven Erlebnissen, wenn Kunden das erste Mal kontaktlos bezahlen. Schnelligkeit und Bequemlichkeit der Zahlung überzeugen. Nur vereinzelt verzichteten Kunden vollständig auf die kontaktlose VR-Bank-Card.

Girocard-City Kassel als dauerhafter Pilotstandort für Innovationen

Das Konzept der Girocard-City der Deutschen Kreditwirtschaft dient dazu, neue Produkte, Marketingaktivitäten und Technologien rund um das System Girocard zu testen und Erfahrungen für die bundesweite Nutzung zu sammeln. Es handelt sich sozusagen um einen dauerhaften Pilotstandort. Dies bringt im Vergleich zu wechselnden Standorten den Vorteil mit, dass sowohl Privatkunden wie auch Händler und Kreditinstitute vor Ort mit Innovationen im Girocard-System vertraut sind und der Schulungsaufwand damit deutlich reduziert werden kann.

- Im ersten Schritt wird in Kassel seit dem zweiten Halbjahr 2015 die Marke Girocard neu positioniert. Bisher empfindet der Kunde das Bezahlen mit der Debitkarte immer noch als "Bezahlen mit ec-Karte". An dieser Stelle setzt das Marketing der Deutschen Kreditwirtschaft an. Das Girocard-Logo wurde leicht überarbeitet, es wird hierdurch deutlich präsenter. Zusätzlich wird die Marke Girocard in den Vordergrund geschoben.

- Im zweiten Schritt wird im Jahr 2016 das kontaktlose Bezahlen mit der Girocard auf andere Institutsgruppen in der Deutschen Kreditwirtschaft ausgeweitet und mit einem zentralen Marketing unterstützt. Ein Vorgriff ist die bereits 2015 angelaufene Terminalförderung, mit der die kontaktlos-Infrastruktur bundesweit deutlich verbessert werden soll, um die Voraussetzungen für den Flächenrollout der kontaktlosen Girocard zu schaffen.

- Weitere Themen, die voraussichtlich 2016 in der Girocard-City Kassel pilotiert oder gefördert werden, sind Girocard mobile zum Einsatz im Mobile Payment und neue Terminalinfrastrukturen (verteilte Terminals, vereinfachte Terminals), um neue Marktbereiche für die Akzeptanz der Girocard zu eröffnen.

Mit der Girocard trägt der Kunde den gewohnten "Schlüssel" zu seinem Girokonto immer bei sich. Kundenfreundliche Innovationen wie das kontaktlose Bezahlen mit und ohne PIN, Mobile Banking und zukünftig Girocard Mobile als Handybezahlverfahren mit der Girocard stärken die Bindung der Kunden an ihre Bank. In Kombination mit einer zunehmenden Bedeutung von Datensparsamkeit und Kundenaufklärung kann sich die Kreditwirtschaft hier Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Anbietern erarbeiten.

Stetige Weiterentwicklung des Produkts Girocard

Es gilt also, vorausschauend zu agieren und die Stärke der bereits bestehenden Kundenverbindungen zu nutzen, um die Marktentwicklung aktiv mitzugestalten. Die genossenschaftliche Finanzgruppe stellt sich diesen Herausforderungen, indem sie für ihre Kunden frühzeitig innovative und gefragte Technologien und Produkte verfügbar macht, zum Beispiel mit der Girocard kontaktlos oder auch Paydirekt als neuem Online-Bezahlverfahren.

Die sich trotz eines vergleichsweise moderaten Marketingbudgets abzeichnende Erfolgsgeschichte in Kassel, Göttingen und Baunatal zeigt, dass die kontaktlose Girocard nicht nur ein Thema der Banken, sondern insbesondere des Handels und der Kunden ist. Große Einzelhändler und Discounter haben bereits frühzeitig zum Start des Piloten ein Interesse an der Einführung von Girocard kontaktlos signalisiert und warten im Grunde nur auf die technische Verfügbarkeit durch ihre Terminalhersteller und Netzbetreiber. Spätestens mit dem Flächenrollout 2016 sind die Voraussetzungen für eine breite Umsetzung gegeben.

Zum Autor Dr. Andreas Martin, Mitglied des Vorstands, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) e.V., Berlin
Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin

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