Kontaktloses Zahlen

Girocard kontaktlos: dem Wettbewerb die Stirn bieten

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Im September 2015 startet im Raum Kassel/Göttingen das Pilotprojekt "Girocard kontaktlos". Mit der Erweiterung und Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten der Girocard, so die Autoren, geht es weniger um die Steigerung der Umsätze als vielmehr darum, branchenfremden Wettbewerbern ein entsprechendes Angebot der deutschen Kreditwirtschaft entgegenzusetzen, um so die Kundenbindung zu stärken und die eigene Position im Zahlungsverkehr zu verteidigen. Red.

"Kontaktloses Bezahlen" ist seit einigen Jahren ein Trend. Verschiedene Variationen dieses Themas wurden von Banken, aber auch von Wettbewerbern aus anderen Branchen getestet und werden teilweise auch schon an Kunden ausgegeben.

Wo die Reise genau hingehen wird, weiß heute noch keiner, doch eines ist sicher: Ob das Medium die Karte, das Smartphone oder ein Aufkleber ist, ob eine Kredit-, Prepaid- oder Debit-Lösung geboten wird - grundsätzlich steht und fällt der Erfolg eines solchen Angebots mit der Akzeptanz durch den Kunden und den Handel. Dabei ist die Kontaktlosfähigkeit aber ein entscheidender Faktor. So liegt es nahe, die technischen Möglichkeiten in ein bewährtes und beliebtes Medium zu integrieren: Die Girocard ist mit Abstand der Deutschen liebstes unbares Zahlungsmittel und sie wird vom Handel gerne akzeptiert.

Diese Vorteile gilt es zu nutzen und so gleich doppelt zu punkten:

- zum einen bei den Neuerungen im Zahlungsverkehr Flagge zu zeigen und die Kompetenz und Innovationskraft der deutschen Kreditwirtschaft unter Beweis zu stellen und

- zum anderen die Girocard weiter aufzuwerten und so mithilfe eines starken Mediums den Wettbewerbern die Stirn zu bieten.

Ein wichtiger Schritt wird im September dieses Jahres erfolgen: In einem Pilotprojekt der Deutschen Kreditwirtschaft wird die Girocard mit der Kontaktlos-Technologie versehen.

Das kontaktlose Bezahlen an sich ist schon ein interessantes Feature, doch integriert in die weit verbreitete und stark genutzte Girocard und kombiniert mit der Möglichkeit, die Bezahlung bis zu einem Betrag von 25 Euro ohne die Eingabe der PIN abzuwickeln, entsteht ein äußerst attraktives Zahlungsmedium.

Pilotprojekt der Deutschen Kreditwirtschaft

Das Pilotprojekt der Deutschen Kreditwirtschaft beginnt im September 2015 in der Region Kassel und wird über einen Zeitraum von rund 24 Monaten durchgeführt. Neben vielen Märkten der Edeka Hessenring wird die Funktionalität auch bei weiteren Akzeptanzstellen im Pilotgebiet zur Verfügung stehen.

Die Durchführung der kontaktlosen Zahlungen erfolgt bei den beteiligten Banken der genossenschaftlichen Finanzgruppe mit der VR-Bank-Card kontaktlos innerhalb des Girocard-Systems, also ganz einfach gegen das Girokonto.

Damit setzt die genossenschaftliche Finanzgruppe als erste Bankengruppe die NFC-Technik im Girocard-System um. Die Karteninhaber in der Pilotregion Kassel haben bei ausgewählten Händlern die Möglichkeit, die VR-Bank-Card kontaktlos zu verwenden - über das Girokonto und ohne vorheriges Aufladen der Karte. Die teilnehmenden Banken sind die Kasseler Bank eG, die Volksbank Göttingen eG sowie die Raiffeisenbank eG Baunatal. Die technischen Komponenten wie Terminals und Software für die kontaktlosen Zahlungen stellt der Netzbetrieb der Card-Process zur Verfügung. Die Produktion der VR-Bank-Card mit Kontaktlos-Technologie übernimmt der DG Verlag.

Die Karte nutzt eine Technologie, bei der der Chip über eine im Kartenkörper verlegte Antenne mit dem Bezahlterminal kommuniziert. Zudem muss für Zahlungen unter 25 Euro ohne PIN die Girocard- und PIN-Logik in den Abläufen angepasst werden. Daneben sind ausführliche Tests notwendig, für die erste Karten und Terminals mit der neuen Technologie bereits ausgebracht wurden.

Auch die von den Sparkassen emittierten Girogo-Karten (kontaktlose Zahlung aus vorbezahltem Guthaben - Prepaid) werden einsetzbar sein.

Bankfremdem Wettbewerb die Stirn bieten

Da bisher fast 95 Prozent aller Zahlungen unter 20 Euro bar abgewickelt werden, stellt der Bereich der Kleinbetragszahlungen ein unübersehbares Potenzial dar. Dies haben auch die Wettbewerber erkannt - nicht nur innerhalb der Finanzdienstleistungsbranche. Angesichts der in Deutschland zu erwartenden Ausbreitung von Bezahlverfahren wie beispielsweise Apple Pay muss den Kunden die Möglichkeit gegeben werden, bankeigene Lösungen zu nutzen, die kosteneffizient, sicher, schnell und bequem sind.

Mit der weit verbreiteten und bei den Kunden beliebten Girocard kann die Kreditwirtschaft dafür sorgen, dass der Kunde sich bei der Bezahlung weiterhin auf seine Bank verlässt. Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil bietet hierbei das Thema "Datenschutz", denn hier genießen Banken ein deutlich höheres Vertrauen als andere Unternehmen.

Mit den Datenschutzbeauftragten abgestimmt

Das neue Bezahlverfahren mit der VR-Bank-Card kontaktlos wurde frühzeitig mit den Datenschutzbeauftragten der Bundesländer abgestimmt, sodass deren Anforderungen in die Ausgestaltung einfließen konnten. Hat ein Kunde jedoch trotzdem Bedenken, kann er auf Wunsch eine Schutzhülle oder weiterhin eine VR-Bank-Card ohne Kontaktlosfunktion erhalten.

Die Sicherheit der Transaktionen wird durch die gleichen Mechanismen gewährleistet wie im klassischen Girocard (electronic cash)-System. Durch die neue Kontaktlosfunktionalität verändert sich das Sicherheitsniveau nicht.

Kleinbeträge ohne PIN

Das Ziel des Projekts ist also die Erprobung der Praxistauglichkeit, der wirtschaftlichen Effizienz und der Kundenakzeptanz. Die Frage ist: Kann man den Karteninhaber motivieren, seine VR-Bank-Card noch häufiger und vor allem auch bei kleineren Beträgen einzusetzen? Die Aussichten sind gut, denn der Einsatz der Girocard ist für die meisten Kunden bereits selbstverständlich, es gibt keine komplizierten Gebrauchsanweisungen oder zusätzlichen Anforderungen.

Mit den beiden Zusatzfeatures "Kontaktlos" und "Ohne PIN bis 25 Euro" bietet sie den Kunden einen echten Zusatznutzen und einen Anreiz, auf Bargeld zu verzichten. Der Händler profitiert von der Schnelligkeit, denn die Zahlungsabwicklung bei Kleinbeträgen nimmt weniger als eine Sekunde in Anspruch, und der Kunde zahlt immer passend.

Bei der Einführung wird sicherlich hilfreich sein, dass die Girocard den Kunden nie "im Stich lässt". Wenn ein Händler Girocard-Zahlungen akzeptiert, sein Terminal aber noch nicht für kontaktlose Zahlungen eingerichtet ist, kann der Kunde gleichwohl mit seiner kontaktlosen VR-Bank-Card zahlen - dann eben auf die herkömmliche Weise. Dies bietet für ein solches noch nicht flächendeckend eingeführtes System den unschätzbaren Vorteil, dass keine Frustrationen entstehen.

Vorteile für alle Beteiligten

In der Kombination von Kontaktlos-Technologie mit der Zahlungsmöglichkeit von Kleinbeträgen ohne PIN-Eingabe bietet die Girocard allen Beteiligten überzeugende Vorteile:

- Für den Kunden einfache Handhabung, Schnelligkeit und Sicherheit. Er zahlt mit einem ihm bekannten, sicheren und bewährten Medium seiner vertrauten Bank.

- Für den Händler eine Verringerung des aufwendigen Bargeldhandlings, ein schnellerer und dadurch - gerade bei hohem Kundenaufkommen - weniger personalaufwendiger Bezahlvorgang.

- Für die Bank ein verringertes Bargeldaufkommen und eine Steigerung der Attraktivität der bankeigenen Girocard.

- Für die Netzbetreiber erhöhte Transaktionseinnahmen.

Kernkompetenz Zahlungsverkehr verteidigen

So werden mit der Erweiterung und Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten der Girocard gleich mehrere wichtige Ziele erreicht: Zum einen wird der Bezahlvorgang weiter vereinfacht - mit allen positiven Konsequenzen, zum anderen wird die Bindung von Kunde und Bank gefestigt. Denn über seine Girocard ist der Kunde direkt mit seinem Konto und damit mit seiner Bank verbunden. Mit der Girocard trägt der Kunde sozusagen sein "Girokonto für die Hosentasche" mit vielfältigen unentbehrlichen Funktionen bei sich. Durch jede kundenfreundliche Innovation wird diese Verbindung noch weiter gestärkt und damit der Kunde gegen andere Anbieter von Bezahlleistungen immunisiert. Gerade vor dem Hintergrund, dass bankfremde Dienstleister in Sachen Bezahlverfahren immer mehr Boden gewinnen und so den Banken auf ureigenem Terrain Konkurrenz machen, ist die Stärkung der Kernkompetenz Zahlungsverkehr unerlässlich.

Wegbereiter für weitere Innovationen

Mit der Girocard befinden sich die Banken in einer sehr guten Ausgangsposition. Es lohnt sich, sie weiter auszubauen und ihre Einsatzmöglichkeiten zu erweitern. Damit wird die Girocard aufgewertet, die Bindung zwischen Kunde und Bank gestärkt und eine eindeutige Positionierung im Wettbewerb mit den innovationsstarken Unternehmen aus dem Non-Bank-Bereich erreicht.

Grundsätzlich geht es also um mehr als die generelle Steigerung der Kartentransaktionen und die Ausweitung von Kleinbetragszahlungen mit der Girocard. Das Ziel ist auf längere Sicht die Etablierung der kontaktlosen Technologie als Plattform für zukünftige bargeldlose Kontaktlos-Zahlungssysteme der Deutschen Kreditwirtschaft.

Das Pilotprojekt zum kontaktlosen Bezahlen mit der Girocard ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Es liefert wertvolle Erkenntnisse über die Nutzung und Akzeptanz im Handel und bei Kunden sowie frühzeitige Einsichten in zusätzliche Nutzungs- und Marktanforderungen. Es stärkt das bewährte und beliebte Zahlungsmedium Girocard und bereitet den Weg für weitergehende Innovationen bei den Zahlungssystemen der Deutschen Kreditwirtschaft. Auf Basis der Erkenntnisse im Pilotprojekt wird in der genossenschaftlichen Finanzgruppe über das weitere bundesweite Angebot der VR-Bank-Card kontaktlos entschieden werden.

Zu den Autoren

Ralf-Christoph Arnoldt, Abteilungsleiter Zahlungsverkehr, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin, und Dr. Peter Söhne, Bereichsleiter Cards, Deutscher Genossenschafts-Verlag eG, Wiesbaden

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