BANKKARTEN-FORUM

Innovationen im Zahlungsverkehr - was wollen die Kunden?

Sonja Scott, Foto: American Express

Bequemes und sicheres Bezahlen, individualisierte Angebote und Mehrwert. Das sind die wesentlichen Kundenanforderungen ans Payment, die Sonja Scott ausmacht. Der Bequemlichkeit kommt man zum Beispiel mit Apple Pay ein gutes Stück näher, KI sorgt dabei für Sicherheit. Individualisierung ist nur durch Datennutzung zu erreichen - und hier schlummert ein Risiko für die gesamte Branche, da ein schwarzes Schaf alle Spieler in Verruf bringen kann. Mehrwerte rund ums Bezahlen wiederum sind nur durch Zusammenarbeit zu erreichen. An die Politik und die BaFin richtet Sonja Scott den Wunsch, mehr Mut zum Wettbewerb zu haben und Regeln so zu ändern, dass sie nicht mehr vom Protektionismus für nationale Systeme geprägt werden. Dazu gehört auch die Forderung, das Surcharging in Deutschland abzuschaffen. Red.

Zahlungsverkehr ist laut Wikipedia: in der Wirtschaft die Gesamtheit aller Zahlungen, also Übertragungen von Zahlungsmitteln zwischen Wirtschaftssubjekten. Ganz platt: Es geht ums Bezahlen, ob bar/halbbar oder bargeldlos. Das Bezahlen ist die Finanzdienstleistung, die Verbraucher täglich in Anspruch nehmen.

Im Durchschnitt finden in Deutschland am Tag 57 Millionen Zahlungstransaktionen statt. EU-weit sind es 366 Millionen und weltweit gesehen sogar 1,2 Milliarden. Genau das macht die Payment-Branche zu der Branche mit dem größten Innovationsdruck. Ob es um Mehrumsatz, Kosten oder Convenience geht. Wir stehen permanent unter der Anforderung zu optimieren. Aber: Dabei gilt es, den Kunden zuzuhören und neue Wege zu finden, Technologien so nutzen zu können, dass sie den Kunden das Leben erleichtern - und idealerweise so auch mehr Erträge generieren und/oder die Kosten senken.

Es sind die Bedürfnisse der Kunden, die Innovationen vorantreiben und sie erfolgreich machen. Und diese Bedürfnisse werden immer anspruchsvoller. Um den Erwartungen - den Anforderungen - der Verbraucher, Unter nehmen und Händler gerecht werden zu können, müssen Finanzdienstleister immer wieder Innovationen schaffen.

Wir sehen konkret drei großen Anforderungen, was Kunden wollen: (1) Schneller, nahtloser und vor allem sicher bezahlen, (2) Personalisiertere/individuellere Angebote,(3) einen größeren Mehrwert.

Convenience prägt die Erwartungshaltung

Beginnen wir mit dem ersten Punkt: Schneller, nahtloser und vor allem sicher bezahlen zu können. Was bedeutet das im Detail? Verbraucher möchten Zahlungen möglichst reibungslos durchführen und erwarten, dass diese sicher vor Betrug sind.

Aus Sicht der Kunden sind nahtlose Zahlungsabwicklungen eine großartige Sache. Das Checkout-Erlebnis mit nur einem Klick bei Amazon oder bei My Taxi, jetzt "Free now", Voice Shopping und der Selfcheckout im Supermarkt haben den Bezahlvorgang zu einem neuen Erlebnis gemacht, das vor allem von Convenience für den Kunden geprägt ist. Und diese Convenience wiederum prägt die Erwartungshaltung der Kunden, die künftig noch bequemer bezahlen wollen.

Ein Beispiel dafür ist Apple Pay. Führt Apple in einem Land Apple Pay ein, gibt Apple den Launchplan vor. Die Kriterien zur Priorisierung der Märkte sind:

- eine hohe Dichte an Apple-Smartphones,

- eine hohe Anzahl an Händlern, die kontaktlose Zahlungen akzeptieren,

- kombiniert mit dem Umsatzpotenzial im Markt.

Das war für American Express intern dennoch keine leichte Entscheidung: Denn mit der Apple-Pay-Einführung waren substantielle Kosten verbunden. In vielen Investitionsrunden bekamen wir von der Führung in den USA zu hören: Lohnt sich das überhaupt? Dann würden die Kunden doch einfach nur den teureren Weg der Zahlung nutzen. Wir - lokal - haben daran geglaubt:

Es ist eine hervorragende Zahlungserfahrung, einfach nur die Karte oder im Fall von Apple Pay das Smartphone an das Lesegerät an der Kasse halten zu können. Sicher reicht es eines Tages auch, das Gesicht vor eine kleine Kamera zu halten oder einen Finger auf einen Scanner zu legen. Und mittlerweile sind bei American Express 40 Prozent aller Zahlungen im stationären Handel kontaktlos.

Lösungen wie diese sind es, die das Bezahlen zum Erlebnis machen und den Verbrauchern das Bezahlen erleichtern - und damit auch den Alltag. Mir jedenfalls erleichtern sie den Alltag. Ich möchte das kontaktlose Bezahlen nicht mehr missen.

Betrugsprävention mit KI

Doch eine Herausforderung bleibt: Die Herausforderung, Betrug vorzubeugen. American Express hat die niedrigste Betrugsrate der gesamten Branche. Wie gelingt das? Wir setzen unter anderem auf Künstliche Intelligenz, um Kunden vor Betrug zu schützen. Gemeint ist dabei nicht die Art von Künstlicher Intelligenz, die wir aus Actionfilmen kennen; die, die sich aufmacht, in Form von Robotern die Weltherrschaft zu übernehmen. Sondern es geht um eine vergleichsweise bescheidene, aber sehr effektive Art des maschinellen Lernens, bei der Transaktionsdaten in Echtzeit analysiert werden, um Erkenntnisse zu gewinnen, die Menschen entgehen würden. Eine KI, die diese Erkenntnisse dann nutzt, um sich selbst zu verbessern.

Ein konkretes Beispiel: Auffällige Transaktionen zu erkennen, sollte heute jeder beherrschen. Eine Lieferung Skier auf die Malediven oder 10 Smartphones an eine Hoteladresse, sollte heute kein Problem mehr für Fraud-Systeme darstellen.

Die KI, von der ich spreche, analysiert das Kundenverhalten sehr genau. So schauen sich die Systeme zum Beispiel auch die Pausen zwischen den Tastenanschlägen an und versuchen damit, echte Kunden auch bei der Benutzung von neuen Technologien oder ungewöhnlichen Buchungen verlässlich wieder zu erkennen. Die Intelligenz besteht darin, den "echten" Kunden unter den auffälligen Transaktionen zu erkennen, die Transaktion zuzulassen und das alles in den Bruchteilen einer Sekunde, die ein Zahlungsvorgang heute dauert.

Das ist nur eine von vielen durch KI gewonnenen Erkenntnissen, die ständig getestet und verbessert werden - alles im Hintergrund, jedes Mal, wenn Karteninhaber ihre Karte benutzen. Dieses Beispiel zeigt, welchen Einfluss KI haben kann, um in Zukunft vor Betrug zu schützen. Prozesse wie diese helfen bei Amex, sehr niedrige Betrugsraten zu erzielen und das wiederum wird helfen, wenn die starke Kundenauthentifizierung in Kraft tritt.

Zwei-Faktor-Authentifizierung nicht bis zu Ende durchdacht

An diesem Punkt komme ich leider nicht umhin, zuzugeben, dass es für uns doch etwas enttäuschend war, dass die Regeln zur "Zwei-Faktor"-Authentifizierung nicht bis zu Ende durchdacht sind - und sich nicht so zukunftsorientiert gestalten, wie wir es erhofft hatten. Kunden wollen mehr Schutz, nicht noch mehr Schritte beim Bezahlen.

Doch ich bin zuversichtlich, dass wir als Branche den Übergang in diese neue Ära gut bewältigen werden - obwohl viele Händler weiterhin Bedenken haben. Deutschland ist das Land der Ideen. Wir sind gut darin, Innovationen zu schaffen, das dürfen wir nicht vergessen. Deshalb sollte es unser Ziel sein, schnelle, sichere und reibungslose Zahlungen zu liefern - nicht das eine oder andere.

Nun zur zweiten Kundenanforderung, der Nachfrage nach personalisierten/ individuelleren Angeboten. Kunden wollen mehr Macht über ihre Finanzdaten. Open Banking wird sie ihnen gewähren.

Auch hierfür ein Beispiel: Wenn Verbraucher die Auswahl zwischen mehreren Kreditkarten haben und sich entscheiden wollen, dann können sie jetzt ihre Finanzdaten der letzten 12 Monate offenlegen, um herauszufinden, welche Karte am besten zu ihnen passt. Ist diese Karte, deren Leistungen so vielversprechend klingen, wirklich die richtige für mich? Zahlt sich dieses Produkt für mich aus? Diese Art der Verbraucherbefähigung wird eine neue Ära der Transparenz einläuten. Amex ist Transparenz sehr wichtig. Verbraucher und Händler sollen genau die Leistungen bekommen, die ihnen versprochen werden, deshalb werden wir auch weiterhin für mehr Transparenz plädieren.

Zahlungen sind, wie eingangs erwähnt, diejenige Finanzdienstleistung, die die meisten Menschen täglich nutzen. Elektronische Zahlungen liefern unglaubliche Datenerkenntnisse. Open Banking erschließt das Potenzial dieser Daten, indem es den Verbrauchern die Wahl lässt, mit wem sie sie teilen möchten.

Auch Amex will Open Banking nutzen, sowohl als AISP (Account Information Service Provider) als auch PISP (Payment Initiation Service Provider). Neben dem großen Potenzial an Anwendungsfällen, sehen wir den Nutzen vor allem in der Transparenz, die Kunden geboten wird. Open Banking kann den Kunden helfen, ihre Vermögenswerte besser einzusetzen.

DSGVO war ein notwendiger Schritt

Transparenz bedeutet natürlich nicht, Daten zu teilen, nur weil es möglich ist. Man denke nur an die Risiken des Datenmissbrauchs von Drittanbietern, deren Geschäftsmodelle nicht mit den Verbraucherinteressen übereinstimmen. Auch die großen Technologie- Konzerne haben das noch immer nicht ganz verstanden. Das zeigt die Art und Weise, wie die Technologieriesen weltweit mit den Daten ihrer Nutzer umgehen. Alleine schon deswegen war die europäische Datenschutzgrundverordnung ein notwendiger Schritt.

Wir alle tragen die kollektive Verantwortung, Verbrauchern neben den Chancen auch die Risiken bewusst zu machen. Die Risiken, die Drittanbieter bergen, sind uns allen klar, und ich bin auch der Meinung, dass diese Bedenken gerechtfertigt sind.

Die Vorschriften der EU zum Datenschutz werden diese Risiken hoffentlich eindämmen können. Dennoch bringt die Offenlegung von Daten Macht mit sich, die missbraucht werden kann und die kontrolliert werden muss.

Vertrauen ist hier das Schlüsselwort. Wem gebe ich als Kunde Zugang zu meinen Daten? Marken, die Vertrauen schaffen, werden erfolgreich sein. Eines ist nicht zu unterschätzen: Die gesamte Payment-Branche wird am Verhalten der schwarzen Schafe gemessen. Der Missbrauch aufseiten eines einzigen Drittanbieters kann das Vertrauen in die gesamte Branche gefährden.

Durch Zusammenarbeit zu Mehrwert

Wie sieht es mit der dritten Kundenanforderung aus, dem Mehrwert für Kunden? Mehrwert bedeutet: Zahlungen müssen mehr sein, als der bloße Geldtransfer von A nach B. Es reicht heute nicht mehr, Geld schneller, sichererer und einfacher als die anderen zu bewegen. Es geht auch um ein größeres Leistungsportfolio. Händler wollen mehr Service. Unternehmen wollen Unterstützung beim Working Capital und bei den Lieferantenzahlungen, und Verbraucher wollen einzigartige Erlebnisse.

Wie lässt sich das alles möglichst schnell und effizient ermöglichen? Wohin führen all diese Veränderungen die Branche letztendlich? Ich sehe hier zwei wesentliche Entwicklungen.

- Zunächst einmal führen die Veränderungen zu mehr Zusammenarbeit. Innovation entsteht zwar durch Wettbewerb, aber Zusammenarbeit ist mindestens genauso wichtig. Und notwendig. Denn wir können nicht alles selbst entwickeln. Hierfür haben wir weder die Ressourcen noch die Zeit. Acquirer, Fintechs und Player außerhalb der Finanzindustrie kollaborieren miteinander. Das ist eine gute und wichtige Entwicklung, an der sich American Express beteiligt. Wie die letzte Akquisition von Resy, einer digitalen Plattform für Restaurantbuchungen, zeigt, dass Amex Ventures massiv investiert, um Karteninhabern künftig noch mehr Mehrwert zu bieten.

- Zweitens kann und sollte die Veränderung in mehr Auswahl für Kunden resultieren. Es ist hervorragend, dass die technologischen Markteintritts-Schranken fallen, es stellt sich allerdings die Frage, ob auch die regula torischen Schranken fallen werden?

Wir wollen, dass Amex auch weiterhin eine gute Wahl bleibt, weil wir für Kunden Mehrwert zum Beispiel in Form von Loyalty Programmen oder hervorragendem Service bieten oder Partnern auf der Händlerseite Zugang zu einem interessanten Kundenportfolio geben. In dieser Hinsicht ist Amex bereits sehr gut positioniert und schon lange erfolgreich - dennoch muss man sich immer wieder beweisen.

PSD2 hat nicht alle Ziele erreicht

Die europäische Zahlungsdiensterichtlinie hatte großartige Ziele - leider wurden nicht alle erreicht. So war Amex beispielsweise gezwungen, sein Lizenzgeschäft in der gesamten EU aufzugeben, da Regeln angewandt wurden, die eigentlich auf die marktbeherrschenden Unternehmen zugeschnitten sind. Dies schränkte den Wettbewerb ein, anstatt ihn zu verstärken. Wir sind zwar zuversichtlich, was den Effekt von Open Banking betrifft, doch vielleicht wird das nicht reichen.

Selbst kleine Regeln können ein Hindernis sein. Surcharging ist in Deutschland für die dominierenden Zahlungsprodukte verboten, da ein Teil ihrer Gebühren - aber nicht alle - durch die EU-Verordnung begrenzt ist. Das hat im Wesentlichen dazu geführt, dass den Verbrauchern ein einheitliches Verbrauchererlebnis für diese Produkte garantiert wurde.

Wenn sie jedoch eine Alternative nutzen wollen, laufen sie Gefahr, eine zusätzliche Gebühr zahlen zu müssen - ganz gleich, ob sie eine Amex-Karte, ein Paypal-Produkt oder eine andere, innovative Zahlungsart eines Fintechs nutzen wollen. 85 Prozent der deutschen Verbraucher mögen diese Praxis nicht, 82 Prozent finden sie sogar ungerecht und 75 Prozent wollen ein vollständiges Verbot in ganz Europa.

Will man Innovationen und Entscheidungen vorantreiben, sollte man auf diese Bedenken der Nutzer hören und handeln, um diese und andere Regeln, die es Alternativen erschweren, in Deutschland Fuß zu fassen und zu wachsen, zu ändern. Wettbewerb ist schließlich ein wesentlicher Treiber von Innovation.

Abschied vom Protektionismus für nationale Systeme

In Zukunft müssen die deutsche Zahlungsindustrie und die deutsche Politik die Führung und Verantwortung übernehmen, um zu gewährleisten, dass die neue Generation von Zahlungslösungen Verbrauchern, Händlern und Unternehmen in Deutschland tatsächliche, spürbare Vorteile bringt. Was bedeutet das konkret? Die Regulierung muss eine Chance darstellen, die neue Modelle fördert und es ermöglicht, dass sich mehr Alternativen zu den dominierenden 4-Parteien-Systeme etablieren können.

Ich bin beeindruckt von der BaFin, dem Bundesministerium der Finanzen und ganz grundsätzlich von dem Bestreben der Branche, das Umfeld in Deutschland verbessern zu wollen. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn es hier mehr Offenheit und Mut zum Wettbewerb gäbe, wenn es einen wirklichen gemeinsamen europäischen Vorstoß gäbe und nicht der Protektionismus für bestehende nationale Systeme überwiegt. Damit neue Technologien beim Kunden schneller ankommen und genutzt werden können.

Zahlungen sind ein Teil des Alltags. American Express hat sich auf die Fahnen geschrieben, diesen Teil weiterhin mit Innovationen zu verbessern. Das ist nicht nur essentiell, um als Unternehmen in der Finanzdienstleistungsbranche erfolgreich zu bleiben, sondern - ganz wichtig -auch der Vision näher zu kommen: To provide the world's best customer experience every day.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag der Autorin auf dem Bankkarten-Forum 2019.

Sonja Scott, Country Manager Deutschland, American Express, Frankfurt am Main
Sonja Scott , Country Manager Deutschland, American Express, Frankfurt am Main
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