Handel

Interchange- Regulierung: Gleiche Regeln für alle Zahlverfahren

Ulrich Binnebößel, Referat Zahlungsverkehr, Handelsverband Deutschland e.V. (HDE), Berlin

Quelle: HDE

Die Interchange-Regulierung hat aus Sicht des Handels durchaus Erfolge gezeigt - sichtbar nicht zuletzt an der stark gestiegenen Kreditkartenakzeptanz. Für die anstehende Evaluation der entsprechenden Verordnung meldet der Handel dennoch Wünsche an: Statt der Unterscheidung zwischen Debit- und Kreditkarten soll der Interchange-Deckel bei einheitlich maximal 0,2 Prozent liegen. Außerdem sollen Scheme Fees, Firmenkarten und Drei-Parteien-Systeme in die Regulierung einbezogen und das Surcharging-Verbot wieder aufgehoben werden. Anderenfalls werde die Motivation des Handels zur Akzeptanz und zur Unterstützung von Innovationen wieder sinken. Red.

Lange Zeit herrschte Stillstand auf dem Zahlungskartenmarkt. Innovationen waren Mangelware, die Gebührenpolitik der Anbieter trieb besondere Blüten, Verbraucher und Handel waren wenig interessiert am unbaren Bezahlen. Dementsprechend gering waren die Umsatzzahlen mit Karten, insbesondere bei den im Handel besonders ungeliebten, weil teuren Kreditkarten.

Doch seit einigen Jahren kommt Bewegung in den Markt. Grund dafür ist die Regulierung der Entgeltpolitik von Kartenzahlung auf nationaler und europäischer Ebene. Das Ziel, durch regulierende Eingriffe Wettbewerb zu fördern und Innovationen voranzutreiben, scheint erreicht. Nun gilt es, den Schwung zu erhalten und letzte Hemmnisse zu beseitigen. Das bedeutet, den Fokus weiter zu fassen und für alle unbaren Zahlarten und Ausprägungen gleiche Spielregeln zu schaffen.

Mangelhafter Wettbewerb im Kartenbereich

Betrachtet man den Zeitraum bis 2014, stellt man fest, dass es lange Jahre wenig Bewegung im Markt der Kreditkartenzahlung gab. Sowohl der Umsatz als auch die Zahl der Akzeptanzstellen schien beinahe eingefroren. Die Gründe für diesen Zustand sind bekannt und dokumentiert in den Akten des Bundeskartellamtes und der europäischen Wettbewerbskommission. Ende 2005 hatte der HDE gemeinsam mit weiteren Verbänden eine Beschwerde wegen unfairer Entgeltpolitik gegen Mastercard und Visa beim Bundeskartellamt vorgelegt (www.einzelhandel.de/9138) nachdem der europäische Handelsverband Euro Commerce bereits Ende der neunziger Jahre ähnliche Beschwerden bei der EU-Kommission eingereicht hatte.

Grund des Anstoßes war das sogenannte Interbankenentgelt (Interchange Fee), eine Gebühr, die zwischen kartenausgebender Bank und Händlerbank fließt und einen Großteil der Kosten der Kartenakzeptanz ausmachte. Sie ist nicht zwischen Handel und Banken verhandelbar, sondern vorgegeben und bildete damit für jede Preisverhandlung eine starre Grenze in Höhe von damals durchschnittlich 1,5 Prozent jedes Umsatzes. Die Entgelte kamen der kartenausgebenden Bank zugute und sollten die Zahlungsgarantie, Prozesskosten und nicht zuletzt das Zahlungsziel, das dem Karteninhaber gewährt wird, abdecken.

Zudem wurden zusätzliche Services wie Bonusprogramme und kostenlose Versicherungspakete für Karteninhaber finanziert. Kurz gesagt: Der Handel beziehungsweise die Akzeptanzseite übernahm die Kosten, die auf das Imagekonto der kartenausgebenden Banken einzahlten, damit diese ihren Kunden ein attraktives Produkt bieten konnten.

Dass es hier keine Motivation auf Anbieterseite gab, die Produkte weiterzuentwickeln und effizienter zu gestalten, lag auf der Hand, waren doch die Einnahmen gesichert. Allenfalls ein Wettbewerb um die höchste Interchange Fee konnte hier beobachtet werden. Wenig verwunderlich, dass hier der Handel wenig Motivation zeigte, die Akzeptanz auszubauen.

Die Verordnung zu Interbankenentgelte zeigt Erfolge

Nach langer Überzeugungsarbeit fanden schließlich die Beschwerden des Handels Gehör. Es entstand die sogenannte Interbankenentgeltverordnung (auch MIF-Verordnung genannt, im Folgenden kurz als "Die Verordnung" bezeichnet), die für viele Kartenzahlungen die Entgelte deckeln sollte: Im Falle von üblichen Kreditkarten darf seit Dezember 2015 ein maximales Interbankenentgelt von 0,3 Prozent des Umsatzes verlangt werden.

Zwar wurden die Einwände des Handels damit nicht vollständig erfüllt. Schließlich galt es eigentlich zu prüfen, ob die Festlegung von Entgelten zulasten Dritter überhaupt kartellrechtlich zulässig ist. Die Kommission ging letztendlich einer Entscheidung in dieser Frage aus dem Weg und setzte mit der Deckelung einen politischen Kompromiss durch. Doch die Verordnung kam auch im Handel als guter Schritt in die richtige Richtung an. Leider waren auch Einschränkungen enthalten, auf die im Detail noch einzugehen ist.

Mit der Verordnung konnte eine deutliche Verbesserung der Situation erreicht werden. In der Folge stieg die Anzahl der Akzeptanzstellen deutlich an. Selbst im Lebensmitteldiscount, bei dem ein derart teures Zahlverfahren wie die Kreditkarte vorher kaum umsetzbar war, ist die Kreditkartenakzeptanz inzwischen quasi Standard.

Mehr Dynamik bei Innovation und Wettbewerb

Weiterhin ist klar zu erkennen, dass ein Innovationsschub in der Industrie eingesetzt hat. Zwar mögen andere Gründe wie der technische Fortschritt eine begleitende Rolle spielen. Es liegt aber nahe, dass Zahlungsdiensteanbieter in einem entstehenden Wettbewerb unter der bestehenden Regulierung deutlich attraktiver werden müssen, um sich etablieren zu können oder die Position behalten zu können. Nicht zuletzt ist auch hierzulande die Kontaktlostechnologie auf dem Vormarsch und wird vom Handel unterstützt und auch mobile Bezahlvarianten sind keine Seltenheit mehr.

Der Handel hatte bis zum Inkrafttreten der Verordnung keinerlei Interesse, Technologien im teuersten Bezahlsegment zu fördern. Insgesamt kann daher durchaus von einem Erfolg der Interbankenentgeltverordnung gesprochen werden, da

- kartellähnliche Strukturen zumindest in der Preispolitik gedeckelt werden,

- ein Innovationsfreundliches Klima entstanden ist,

- der Wettbewerb deutlich angezogen hat und

- dem Verbraucher deutlich mehr Akzeptanzstellen bereitgestellt werden.

Zudem kann auch keine Tendenz zu höheren Preisen oder Belastungen des Verbrauchers festgestellt werden. Auch heute noch gibt es kostenlose Kreditkartenangebote mit entsprechenden Serviceleistungen, Geschäftsmodelle sind daher sicher nicht in Gefahr.

Kreative Nebenkosten als Interchange-Ersatz

Doch wie bereits angedeutet besteht noch Handlungsbedarf. Fast drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung zeigt sich, dass Umgehungsversuche, allzu große Ausnahmebereiche und nicht betroffene Organisationsformen den Erfolg der Verordnung trüben oder sogar zunichtemachen können.

Zwar reguliert die Verordnung die Interbankenentgelte. Ein weiterer Bestandteil des Disagios, das der Händler zu zahlen hat, ist jedoch nicht reguliert und entwickelt sich zunehmend zum alternativen Einnahmefaktor: die sogenannten Scheme Fees. Diese werden von der Kartenorganisation festgelegt und über den Acquirer an den Händler durchgereicht. Es handelt sich hierbei um eine Vielzahl von kleineren und größeren Gebühren, die teilweise sinnvoll, oftmals aber auch erfunden oder zumindest merkwürdig erscheinen. So werden dem Händler unter anderem folgende Gebührenarten auferlegt (nicht abschließend):

- Authorisation Fee,

- Processing Integrity Fee,

- Innovation Fund,

- Acceptance Development Fee,

- Security & Quality Fund,

- Card not present unsecure Chargeback Fee,

- Registrierungsgebühren je Filiale,

- Non-NFC-Fee.

Handelsunternehmen berichten unisono von einem deutlichen Anstieg derartiger Nebenkosten seit dem Inkrafttreten der Verordnung. Teilweise haben sich diese Gebühren in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppelt und können in einigen Bereichen die durch die Verordnung erreichten Einsparungen bereits sogar überkompensieren.

Akzeptanzmotivation des Handels in Gefahr

Es zeigt sich, dass offensichtlich durch die Regulierung der Interbankenentgelte nur ein Teil des kartellrechtlich relevanten Wildwuchses erfasst wurde. Schnell haben die Verantwortlichen Handlungsspielräume ausgemacht und somit dem Ziel der Regulierung entgegengewirkt. Wird hier nicht Einhalt geboten, muss über kurz oder lang wieder mit einer sinkenden Motivation des Handels zur Akzeptanz gerechnet werden.

Allerdings: Die Aufgabe einer einmal angebotenen Zahlungsart ist vor dem Hintergrund des starken Wettbewerbs schwer durchsetzbar, wenn sich Kunden einmal daran gewöhnt haben. Das ist auch auf Anbieterseite bekannt, die Akzeptanzaufgabe bietet daher kein schlagendes Verhandlungsargument.

Unterschiedliche Entgelte nach Kartenarten nicht nachvollziehbar

Weiterhin zeigt die Verordnung Schwächen, indem sie eine unterschiedliche Entgeltbehandlung von Debit- und Kreditkarten vornimmt. Aus Handels- beziehungsweise Akzeptanzsicht ist es nicht nachvollziehbar, dass zwischen einzelnen Kartenarten unterschiedliche Entgelte festgelegt werden.

Für den Händler ist es technisch gesehen ohne Bedeutung, ob ein Einkauf mit Kreditkarte oder Debitkarte bezahlt wird. Ohnehin verschwimmen zunehmend die wahrnehmbaren Grenzen zwischen den einzelnen Zahlarten, meist unterscheiden sich die Marken nur noch durch den entsprechenden Zusatz.

- Inzwischen gibt es Debitkarten mit dem gleichen Markennamen der bislang bekannten Kreditkarten,

- es gibt Prepaidkarten, die als Kreditkarten abgewickelt werden,

- und auch Kreditkarten mit sofortiger Belastung sind bekannt.

Letztendlich erscheint eine Aufrechterhaltung des Unterschiedes zwischen Kreditkarten mit maximal 0,3 Prozent und Debitkarten mit maximal 0,2 Prozent nicht mehr gerechtfertigt.

Einheitlichen Deckel bei maximal 0,2 Prozent schaffen

In der Diskussion um die Abschaffung der Interbankenentgelte ist diese Betrachtung zwar zweitrangig. Zumindest bis zu einer solchen Entscheidung sollte aber ein einheitlicher Deckel bei maximal 0,2 Prozent geschaffen werden, da auch hier Geschäftsmodelle nicht in Gefahr sind.

Ohnehin werden neue Kartenarten eher in Richtung der jeweils höheren Scheme Fee entwickelt als unter Betrachtung des Interbankenentgelts. So wird beispielsweise die sogenannte Mastercard Debit - in der Werbung als "neue ec-Karte unserer Zeit" bezeichnet - nur mit 0,2 Prozent Interbankenentgelt belegt. Letztendlich wird sie aber über die Abwicklungswege der Kreditkarten abgerechnet, sodass die weitaus höheren Nebengebühren angewandt werden. Aus einer vermeintlich günstigen Debitkarte wird so für den Händler eine teure "Quasi-Kreditkarte" mit hohem Disagio. Insofern ein Grund mehr, sich der Beschränkung der Nebenkosten anzunehmen.

Bei Firmenkarten zahlt der Handel für die Vorteile der Unternehmen

Ein weiterer Schwachpunkt der Verordnung zu Interbankenentgelten liegt in der weitgehenden Ausnahme von sogenannten Firmenkarten. Auch hier ist aus Sicht des Handels die Frage nach einer gerechtfertigten Ausnahme zu stellen. Das Argument, dass diese Karten mehr Umsatz bringen und daher höhere Kosten gerechtfertigt sind, kann nicht überzeugen.

Zum einen muss hinterfragt werden, ob (höhere) Umsätze alleine durch die Vorlage einer Firmenkarte erfolgen oder nicht auch ohne Karte hätten erfolgen können. Zum anderen ist auch hier festzustellen, dass der Zahlungsprozess sich nicht von einer Verbraucherkarte unterscheidet. Ein nicht vom Händler beeinflussbarer Aufpreis ist daher nicht gerechtfertigt.

Firmenkarten haben für die Unternehmen deutliche Vorteile, zum Beispiel in einer vereinfachten Abrechnung mit den Mitarbeitern. Es ist allerdings nicht Aufgabe des Handels, für diese Vorteile aufzukommen.

Eine Firmenkarte ist (k)eine Firmenkarte

Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Frage, wann eine Firmenkarte eine Firmenkarte ist. Oft werden derartige Karten von den Mitarbeitern auch für private Ausgaben genutzt, Bonusprogramme auch privat ausgeschöpft und vom Arbeitgeber geduldet. Teilweise werden die Kartenumsätze auch zunächst direkt gegen das Privatkonto des Mitarbeiters gebucht und anschließend vom Arbeitgeber gedeckt.

Der Gesetzgeber sieht allerdings vor, dass ausschließlich geschäftliche Ausgaben getätigt werden dürfen und auf ein Firmenkonto bezogen werden müssen. Eine Kontrolle dieses Umstandes ist allerdings kaum möglich. Ein Grund mehr, derartige Karten in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen um Umgehungen zu vermeiden.

Drei Parteien-Systeme mit vergleichbaren Konstrukten

Artikel 1 (3) a der Verordnung schließt ausdrücklich sogenannte Drei-Parteien- Systeme vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Bei diesem Systemen handelt es sich um "ein Kartenzahlverfahren, bei dem das Kartenzahlverfahren selbst Annahme- und Abrechnungs- sowie Kartenausgabedienste erbringt und kartengebundene Zahlungsvorgänge von dem Zahlungskonto eines Zahlers auf das Zahlungskonto eines Zahlungsempfängers vornimmt."

Man fragt sich zunächst, warum eine solche Ausnahme überhaupt in die Verordnung aufgenommen werden muss, schließlich gibt es innerhalb eines solchen Systems keine Interbankenentgelte. Allerdings hat hier offenbar bereits der Gesetzgeber gesehen, dass es vergleichbare Konstrukte sind, die ein ähnliches Geschäftsmodell betreiben, indem sie den Karteninhabern attraktive Angebote schnüren und mit Serviceleistungen locken, diese aber in einem Abrechnungsmodell umsetzen, das die Hauptlast auf der Akzeptanzseite sieht.

Derartige Modelle haben inzwischen in einigen Bereichen eine erhebliche Marktbedeutung erreicht, ohne dass sie von der Regulierung betroffen wären. Das oft beschworene Level Playing Field ist hier nicht gegeben, daher sollten derartige Systeme in die Regulierung aufgenommen werden, was im Hinblick auf die Forderung nach Einbeziehung aller beim Händler anfallender Kosten nicht schwer fällt, eine rechtlich tragfähige Formulierung wäre möglich.

PSD2: Surcharging-Verbot nimmt dem Handel ein Verhandlungsinstrument

Im Zusammenhang mit der Interbankenentgeltverordnung muss ergänzend erwähnt werden, dass im Zuge der Umsetzung der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ein Verbot der Weitergabe anfallender Kosten (Surcharging) der regulierten Zahlarten dem Handel zumindest teilweise ein weiteres Verhandlungsinstrument genommen hat und damit den entstehenden Wettbewerb wieder einbremst.

Auch wenn die Setzung von Aufpreisen im Handel für bestimmte Zahlungsarten kein beliebtes Instrument ist, wäre es doch geeignet, um notfalls ein Drohpotenzial im Sinne von "Worst-Case-Szenario" in Verhandlungen mit den Anbietern aufzubauen. Surcharging sollte daher innerhalb des im BGB gesetzten Rahmens wieder gestattet werden.

Schwächen der Erstregulierung beseitigen

Aus Sicht des Handels hat die Regulierung zu Interbankenentgelten bereits Vorteile gebracht, die sowohl auf Akzeptanzseite als auch auf Verbraucherseite wirksam sind: Kartellähnliche Strukturen wurden eingebremst, Innovationen erobern den Markt, der Wettbewerb zeigt sich dynamischer und nicht zuletzt steigt die Zahl der Akzeptanzstellen deutlich an.

Nun gilt es, weitere negative Entwicklungen zu vermeiden und Schwächen aus der Erstregulierung zu beseitigen. Daher sind die Vorschläge aufgrund vorgenannter Beobachtungen für eine Weiterentwicklung der Verordnung wie folgt zusammenzufassen:

- Rücknahme des Surcharging-Verbots in der PSD2,

- Ausweitung der Deckelung auf alle Kostenbestandteile inklusive der Scheme Fees,

- Streichung der Ausnahmen für Firmenkarten,

- Erweiterung des Anwendungsbereiches für Drei-Parteien-Systeme.

Die Kommission ist aufgerufen, bis zum 9. Juni 2019 einen Bericht über die Anwendung der Verordnung vorzulegen. Es bleibt zu hoffen, dass einerseits die Erfolge der Verordnung erkannt werden, aber andererseits auch der Verbesserungsbedarf gesehen und in eine Weiterentwicklung eingearbeitet wird. Damit ist aus Akzeptanzsicht und aus Verbrauchersicht eine Grundlage möglich, die transparentes Handeln ermöglicht, Wettbewerb anheizt, gleiche Regeln schafft und Innovationen weiter vorantreibt.

Zum Autor Ulrich Binnebößel, Referat Zahlungsverkehr, Handelsverband Deutschland e.V. (HDE), Berlin
Ulrich Binnebößel , Referent , Handelsverband Deutschland - HDE e. V., Berlin
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