Mobile Payment

M-Pesa: Banking ohne Bankkonto

Bild 8

2007 wurde in Kenia das System M-Pesa eingeführt. Primär ein bargeldloses Zahlungssystem, dient es auch als Basis für Geldanlagen oder Kreditgeschäfte, wobei die Bonitätsprüfung auf Basis der Mobilnetzdaten erfolgt. In Entwicklungsländern mit einem hohen Anteil von Menschen ohne Bankverbindung hat sich das System mittlerweile stark verbreitet und die Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen verbessert. Das Potenzial in entwickelten Märkten schätzen die Autoren jedoch eher gering ein. Red.

Im Frühjahr 2015 hat sich die (öffentliche) Diskussion um die Abschaffung (von Teilen) des traditionellen Bargelds erheblich intensiviert, nachdem sich verschiedene bekannte Ökonomen positiv hierzu geäußert hatten. Notwendige Voraussetzung für die Realisierung entsprechender Pläne ist naturgemäß, dass alternative Bezahlmöglichkeiten existieren - oder sich entwickeln. Solche Systeme entstehen auch in den Industriestaaten, wobei die Entwicklungen besonders in den nordischen Ländern teilweise weit fortgeschritten sind.

Noch bemerkenswerter erscheint jedoch, wie weit dieser institutionelle Wandel in bestimmten Schwellen- und Entwicklungsländern ist. Herausragendes Beispiel ist eine unbare und einfache Zahlungsmethode, die ihren Ursprung unter anderem in Kenia hat und sich von dort aus mehr und mehr durchzusetzen und schrittweise in andere (besonders afrikanische) Märkte vorzudringen scheint.

Das nachfolgend dargestellte System M-Pesa ist aus technischer Sicht denkbar einfach für den Anwender und erfordert lediglich ein Mobiltelefon mit SMS-Funktion. Sein Potenzial, die Zahlungsgewohnheiten auch außerhalb der derzeitigen Schwerpunktländer zu revolutionieren, scheint insoweit beachtlich. Um genauer beurteilen zu können, ob diese (nach Schumpeter: Prozess-) Innovation ein nachhaltiges Potenzial hat, die Geld- und Finanzsysteme sich entwickelnder Staaten zu revolutionieren beziehungsweise dies schon getan hat, ist es jedoch erforderlich, die Hintergründe und bisherigen Entwicklungen zu beleuchten.

Im Gegensatz zu weiten Teilen der Welt ist der Zugang zu Bank(dienstleistung)en, also insbesondere zu einem (Zahlungsverkehrs-)Konto und den einhergehenden Möglichkeiten, Geld zu transferieren, aber auch zu leihen und in rentierliche Projekte zu investieren, besonders in Afrika limitiert. Abbildung 1 illustriert, dass in den meisten afrikanischen Ländern weniger als 20 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren über ein Bankkonto verfügen.

Banking the Unbanked

Zwar wird seit geraumer Zeit unter anderem mit der Hilfe von Mikrofinanzinstituten versucht, diesem Umstand Rechnung zu tragen und eine Verbesserung des Zugangs zu Bank(dienstleistung)en zu erreichen, doch blieben weiterhin große Teile (besonders) der afrikanischen Bevölkerung von Bankdienstleistungen abgeschnitten.

Zwar hat sich zwischen 2011 und 2014 der Prozentsatz der erwachsenen Bevölkerung (15 und älter) ohne Zugang zu Finanzdienstleistungen von 62 auf 51 Prozent reduziert, doch gelten immer noch global zwei Milliarden Menschen dieses Alters als "unbanked".1) Dass sich die Zugangsquote zuletzt signifikant verbessert hat und künftig noch weiter verbessern könnte, ist insbesondere auf Fortschritte in der Informationstechnologie zurückzuführen:

- Da der Zugang zur Festnetztelefonie in Afrika sich seit 2005 ständig unter 1,6 Prozent der Einwohner bewegt und für 2015 auf 1,2 Prozent der Einwohner geschätzt wird, spielte diese im vorliegenden Kontext keine Rolle.

- Ebenfalls von nachrangiger Bedeutung ist das Internet, auch wenn sich der Zugang zum World Wide Web verbessert hat.2) Dennoch hätte ein darauf basierendes Zahlungssystem nur eine geringe Reichweite und Durchdringung entwickeln können.

- Entscheidend für den verbesserten Zugang zu Bankdienstleistungen ist demgegenüber die Entwicklung der Mobiltelefonie, wobei hier besonders Afrika (Subsahara) im Fokus steht. In der Gesamtsicht hat sich die Anzahl von Personen mit einem Mobiltelefon und Zugang zu einem entsprechenden Mobilnetz von 12,4 Prozent im Jahr 2005 auf 73,5 Prozent im Jahr 2015 erhöht. In Kenia stieg die Anzahl der Mobiltelefonnetzwerkzugänge (absolut gesehen) von 4,6 Millionen im Jahr 2005 auf mittlerweile 33,6 Millionen im Jahr 2014 an3) , bei einer Bevölkerung von 45,5 Millionen im Jahr 2014. Auch abseits dieses besonders dynamischen nationalen Marktes liegen von 13 Ländern mit einer Durchdringung von 10 und mehr Prozent an mobilen Konten alle im Gebiet Subsahara und zeigen weiterhin beachtliche Wachstumsraten.

Transfer mittels SMS

Ursächlich für die kenianische Vorreiterrolle ist aus heutiger Sicht das Handeln eines Telekommunikationsunternehmens: Der Telekommunikationsanbieter Safaricom nahm im Jahre 1997 zunächst das Mobilfunkgeschäft in Kenia auf. Zehn Jahre später wurde ausgehend von einer durch den UK Financial Deepening Challenge Fund mitfinanzierten Initiative sowie einer erfolgreichen, im Oktober 2005 gestarteten Pilotphase das M-Pesa-System in Kenia offiziell eingeführt. Die Bezeichnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrssystems setzt sich hierbei zusammen aus einer Abkürzung für "mobile" sowie dem Swahili-Ausdruck für "Bargeld".

Dieses System erlaubt es, Geld von einem Nutzer des Systems zu einer anderen Person (die das System nicht zwingend auch benutzen muss) mittels SMS-Technologie zu transferieren, welches vorher mittels Einzahlung bei einem Agenten auf das eigene Mobilkonto geladen wurde. Dabei kann dieses virtuelle Geld auch gespeichert und wieder in Bargeld umgetauscht werden.

Um Geld auf ein virtuelles Konto zu laden, muss ein potenzieller Nutzer eine entsprechende SIM-Karte von Safaricom besitzen und sich für M-Pesa mittels Pass oder Personalausweis registrieren. Die für den Anwender anfallenden Kosten richten sich an dem zu übermittelnden Betrag aus, wobei mindestens 10 Ksh (ungefähr 89 Cent) übertragen werden müssen und die Transaktionskosten mit der Transfersumme (progressiv) ansteigen.

Auch Kredite ermöglicht

Das M-Pesa-System wurde anschließend (mit teils abweichendem Namen) schrittweise in anderen (auch südeuropäischen) Ländern eingeführt (siehe Tabelle).

In Kenia wird zudem seit November 2012 ein Service mit dem Namen M-Shwari (Swahili für "etwas gut oder besser machen") auf Basis einer Ko operation der Commercial Bank of Afrika (CBA) mit Safaricom angeboten.4) Durch den Distributionskanal von M-Pesa wurde dabei für die Kunden die Möglichkeit geschaffen, ihre Geld mittel sowohl verzinslich als auch (analog zu normalen Bankkonten) geschützt durch eine Einlagensicherung anzulegen. Überdies besteht die Möglichkeit, auf dieser Basis einen Kredit zu beantragen.5)

Zwischen dem ersten Quartal 2013 mit 2,9 Millionen Sparkonten stieg diese Kontenzahl bis zum vierten Quartal 2014 auf 9,2 Millionen an, bei einem kumulierten Einlagenvolumen per Dezember 2014 von 45.3 Millionen US-Dollar. Die Gesamtkredite seit Bestehen des Systems kumulierten sich auf 20,6 Millionen Kontrakte, wobei im Dezember 2014 1,8 Millionen aktive Kreditnehmer mit einem ausstehenden Volumen von 17,7 Millionen US-Dollar in Kenia zu verzeichnen waren.

Bereits in 61 Prozent der Entwicklungsländer

Die angebotenen Systeme, mit deren Hilfe Finanzdienstleistungen (Mobile Money, Mobile Insurance, Mobile Savings and Mobile Credit) durchführbar sind, beschränken sich nicht auf Kenia oder das M-Pesa-(und M-Shwari-)System, sondern sind in zahlreichen anderen Regionen vorhanden, wo sie von verschiedenen Anbietern zur Verfügung gestellt werden.

Jüngsten Untersuchungen zufolge sind solche Services schon in 61 Prozent der Entwicklungsländer verfügbar, wobei in Afrika die meisten Anbieter zu finden sind.6) Wie Abbildung 2 zeigt, sind vielfach auch bereits mehrere (konkurrierende) Anbieter pro Land vertreten.

Mehr virtuelle als traditionelle Bankkonten

Während 2012 weltweit erst 155 Millionen mobile Geldkonten existierten, stieg ihre Zahl bis Ende Dezember 2014 auf bereits 299 Millionen an. Während in der westlichen Welt traditionelle Bankverbindungen immer noch überwiegen, konnte bereits Ende 2013 attestiert werden, dass in vielen afrikanischen Ländern mehr solcher virtueller als traditionelle Bankkonten existieren und die Anbindung der Menschen an das Finanzsystem dadurch signifikant erhöht werden konnte. Die mittels dieser Systeme weltweit transferierte Geldsumme im Dezember 2014 belief sich auf ein Volumen von US$ 16.3 Milliarden, welches mittels 717,2 Millionen Transaktionen bewegt wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass

- der Geldinput in die mobilen Systeme bei 6,2 Milliarden US-Dollar

- und die Entnahme (Umwandlung von virtuellen Zahlungsmitteln in reale), bei 5,1 Milliarden US-Dollar lag,

- wobei sich darüber hinaus noch 479,5 Millionen Überweisungs- und Bezahltransaktionen innerhalb des Systems bei einem Volumen von 7,5 Milliarden US-Dollar ergaben.7)

In Kenia waren nach dem offiziellen Start von M-Pesa im März 2007 bereits acht Monate danach 1,1 Millionen Personen registriert, sowie bis dahin kumulierte 87 Millionen US-Dollar transferiert worden. Im September 2009 ergab sich bereits eine Erhöhung auf über 8,5 Millionen Kunden und eine kumulierte Transfersumme von 3,7 Milliarden US-Dollar. Für Mai 2014 stieg die Anzahl der registrierten Nutzer dann weiter auf 19,3 Millionen.

Laut den aktuellsten Zahlen von Safaricom gibt es nun 13,86 Millionen aktive Nutzer (aktiv -Transfers in den letzten 30 Tagen getätigt, wobei im Jahr 2012 noch 9,08 Millionen in dieser Kategorie zu verzeichnen waren).

Für die Ausweitung dieser Systeme auf die restlichen Entwicklungsländer, die bisher keine solchen Zahlungssysteme aufweisen, existieren beachtliche Hindernisse. Viele dieser Länder haben weniger als 10 Millionen Einwohner oder/und eine geringe Fläche und versprechen daher zu geringe Stückzahlen, um das margenschwache Geschäft profitabel erscheinen zu lassen. Der etablierte Distributionskanal über Mobiltelefonnetze ermöglicht es, auch die anderen genannten Services wie Versicherungs- sowie Spar- und Kreditleistungen anzubieten.

Hindernisse bei der Ausweitung auf andere Entwicklungsländer

Für die Frage, inwieweit M-Pesa (in Verbindung mit M-Shwari) oder analoge Systeme in der Lage sind, nicht nur Zahlungsverkehrsalternativen zu bieten, sondern mit etablierten Bankintermediäre in ihrem Kerngeschäft zu konkurrieren beziehungsweise in Kooperation mit diesen die Reichweite der (neuen) Angebote auszuweiten, ist hingegen die Praktikabilität von hierüber kontrahierten Kreditgeschäften entscheidend. Ende 2014 gab es bereits in 20 Ländern weltweit die Möglichkeit, einen Kredit via Mobiltelefonnetz zu bekommen, sei es durch eine Kooperation eines Netzwerkoperators mit einem Finanzinstitut oder durch die Verwendung dieses Distributionskanals durch Letzteres.

Um die Kreditwürdigkeit der potenziellen Kunden zu eruieren, die Rate der Non-Performing Loans (NPL) möglichst gering zu halten und somit ein funktionierendes Geschäftsmodell zu etablieren, können Kredit-Scoring-Modelle angewandt werden, welche die Bonität der (möglichen) Kunden, die vormals (teilweise) noch keine Kredithistorie aufgewiesen haben, auf Basis von deren gesammelten Mobilnetzwerkdaten (und Mobilnetzwerk-Transaktionsdaten) berechnen.

Bonitätsprüfung auf Basis der Mobilnetzwerkdaten

Durch diese neuartige Methode konnte laut Safaricom die Rate der notleidenden Kredite bei M-Shwari auf 2,7 Prozent (2014) reduziert werden, während nach Angaben der Weltbank landesweit für das Jahr 2014 eine Rate von 5,5 Prozent zu beobachten war.

Als Datengrundlage für die Kreditwürdigkeitsberechnung können dabei beispielsweise die Frequenz und Volumina der Telefonguthabenaufladungen, Analysen bezüglich des sozialen Netzwerkes des Kunden, sowie Bewegungsprofile anhand der Verbindungen zu Netzwerkstationen und Veränderungen dieser Variablen im Zeitablauf herangezogen werden. Dabei musste die bereits genannte CBA, die diese Scoring-Methodik erstmals anwandte, ihre Scorekarten zuerst auf einem von Safaricom angebotenen Service aufbauen, welcher es Prepaidcard-Kunden erlaubte, Sprechzeiten auf Kredit zu bekommen. Das daraus resultierende Modell resultierte anfangs in einer Rate von 6,1 Prozent notleidenden Krediten über 90 Tage. Nachdem ausreichend Daten von dem neuen M-Shwari-Service zur Verfügung standen, konnte auf dieser Basis die Score-Technologie verbessert, somit die Rate reduziert und der Service neuen Benutzergruppen zu vertret baren Risiken angeboten werden.

Erfolg in entwickelten Ländern eher unwahrscheinlich

Es bleibt abzuwarten inwieweit sich SMS-basierte Systeme wie M-Pesa in anderen Entwicklungs- oder auch entwickelten Ländern durchsetzen können und welche Auswirkungen neue (konkurrierende) Markteintritte haben werden. Aufgrund der anderen technischen Voraussetzungen, bereits etablierter und funktionierender Zahlungssysteme und einer entsprechend dünnen Bevölkerungsschicht ohne Zugang zu Finanzdienstleistungen ist ein Erfolg wie in Kenia in entwickelten Ländern eher unwahrscheinlich.

In den Entwicklungsländern jedoch, mit immer noch geschätzten zwei Milliarden Menschen ohne Zugang zu formalen Finanzleistungen, scheinen solche Systeme eine attraktive Option im Zahlungsvariantenmix darzustellen und von vielen positiv angenommen zu werden, wie nicht zuletzt die Nutzerzahlen und Volumina in Kenia zeigen. Es bleibt insoweit vorerst offen, inwieweit diese an ungewöhnlicher Stelle gewachsene Finanzinnovation die Finanzsysteme in anderen Ländern beeinflussen wird oder vielleicht selbst in Zukunft Opfer einer neuerlichen Innovation wird.

Fußnoten

1) Vgl. The World Bank, The Global Findex Database 2014: Measuring Financial Inclusion around the World, Policy Research Working Paper No. 7255, Washington, D.C, Seite 2.

2) Per 2015 nutzen geschätzte 20,7 Prozent der Menschen in Afrika das Internet; 10,7 Prozent der dortigen Haushalte haben einen Internetanschluss, vgl. International Telecommunication Union: Key ICT indicators and developing countries and the world (total and penetration rates): https://www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Documents/statistics/2015/ITU_Key_2005-2015_ICT_data.xls, Zugriff: 18.07.2015.

3) Vgl. International Telecommunication Union: Mobile-cellular subscriptions: http://www.itu.int/en/ ITU-D/Statistics/ Documents/statistics/2015/Mobile_cellular_2000-2014.xls, Zugriff: 19.07.2015.

4) Vgl. Commercial Bank of Africa, What is M-Shwari, http://cbagroup.com/m-shwari/what-is-m-shwari/, Zugriff: 29.07.2015. Schon 2010 war Safaricom mit der Equity Bank eine ähnliche (jedoch nicht so erfolgreiche) Kooperation eingegangen, vgl. Demombynes, Gabriel / Thegeya, Aaron (2012): Kenya's Mobile Revolution and the Promise of Mobile Savings, Policy Research Working Paper, No. 5988, The World Bank, Washington, D.C..

5) Ein Kreditbereitstellungsentgelt von 7,5 Prozent per Monat für einen 30-Tage Kredit entspricht einer umgerechneten Zinsrate von 90 Prozent p.a. (7,5 Prozent x 12 Monate) und liegt somit weit oberhalb der durchschnittlichen Zinsraten von MFIs in Kenia, vgl. auch http://data.mftransparency.org/data/countries/ke/, Zugriff: 06.08.2015.

6) Vgl. GSMA (2014), State of the Industry: Mobile Financial Services for the Unbanked, online unter: http://www.gsma. com/mobilefordevelopment/wp-content/uploads/2015/03/ SOTIR_2014.pdf, Zugriff: 23.07.2015

7) Ebenda, S. 32-34.

Fußnoten wurden von der Redaktion gekürzt.

Langfassung mit ausführlichem Literaturverzeichnis unter: www.kreditwesen.de

Zu den Autoren Prof. Dr. Andreas Horsch, Inhaber der Professur am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Investition und Finanzierung, undChristof Morscher, wissenschaftlicher Mitarbeiter, beide Technische Universität Bergakademie Freiberg
Prof. Dr. Andreas Horsch , Lehrstuhlinhaber ABWL, Schwerpunkt Investition und Finanzierung , TU Bergakademie Freiberg

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